Bei jedem Griff zum Schalthebel hat Ralf Hoppe sein großes Ziel fest in der Hand, um es nur ja nicht aus den Augen zu verlieren. Sein großer Traum ist eine Weltreise mit seiner Ente, und eine zum Schalthebel umfunktionierte Weltkugel erinnert ihn bei jeder Fahrt zur Arbeit daran. Geträumt hatte er zwar all die Jahre nicht von diesem Auto, mit dem er nun schon so viele Reisen unternommen hat. Eine Ente sollte es allerdings schon immer sein, denn die ist „kein Auto, sondern eine Art zu leben“, so verkünden es auch die griechischen Buchstaben auf dem sandfarbenen Citroën. Obwohl Hoppe früher mit Motorrad oder geliehenem Geländewagen campend die Kontinente bereiste, blieb sein Traumauto jahrelang ein „2CV 4×4 Sahara“, eine Allrad-Ente. Von diesem Typ liefen in Frankreich nur 693 Exemplare vom Band. Als endlich so ein seltenes Stück, das mit den zwei Motoren heute besonders bei Sammlern beliebt ist, auf seinem Hof in Hagen stand, war es ihm jedoch zu perfekt – zu original. Unverständlich? Hoppes Tochter Josephin verrät: „Mein Vater mag keine hochglanzpolierten Oldtimer, sondern lieber originelle, besondere Fahrzeuge.“ So zögerte Ralf Hoppe auch nicht lange und verkaufte die Allrad-Ente wieder. Im spanischen Málaga fand sich ein Liebhaber dieses französischen Kultautomobils.
Aber was nun? Der Zufall wollte es, dass einem leicht chaotischen Fitnesstrainer, der gern mal einen über den Durst trank, quasi vor Hoppes Haustür der Führerschein abgenommen wurde. Und was soll man ohne Führerschein mit einem Auto? Spontan wechselte eine 1973 gebaute, grüne Citroën-Kastenente vom Typ AZU 250, die zuvor jahrelang in Frankreich als Lieferwagen, als Fourgonnette, unterwegs gewesen war, den Besitzer. Hoppe hatte sein Traumauto gefunden. „Ich mag die Sonne“, erklärt Ralf Hoppe schlicht. Deshalb plante er mit seinem Bruder Hans-Jürgen als erste große Bewährungsprobe für das Auto eine mehrwöchige Offroad-Afrikatour: per Schiff nach Ghana, von dort auf den eigenen vier Rädern durch sieben westafrikanische Staaten zurück nach Deutschland. Er begann neben seinem Job in der tiefsten Zeche Europas mit der nötigen Schrauberei, um das betagte Fahrzeug, auf dessen Ladefläche beim Kauf noch französische Weinflaschen gelegen hatten, in seiner eigenen Werkstatt umzurüsten. „Optisch stimmig sollte der Umbau schon sein, aber nicht zwangsläufig original“, so Hoppe, der sämtliche Foren zum Thema durchstöberte, um zu erfahren, worauf er beim Umbau zu achten hatte. Der Countdown begann.
Also Flügeltore auf, Ente rein. Das gesamte Fahrzeug wurde auseinander genommen, Fahrwerk und Karosserie wurden verstärkt und ein zusätzlicher Tank montiert. Ein 23 PS starker Motor sorgt für maximal 90 km/h auf der Straße, das kurz übersetzte Getriebe für die nötige Kraft in bergigem Gelände. Mit einem Verbrauch von nur knapp 7 Litern auf 100 Kilometern ist der 2CV so sparsam, wie es sein Erfinder Pierre-Jules Boulanger einst plante. Offroad-tauglich wurde der ehemalige Lieferwagen durch den 4×4-Bausatz von Voisin, der eigentlich nicht für die rund 3,6 Meter lange Kastenform des 2CV gedacht war. Hoppe hob dafür einfach die Karosserie um zehn Zentimeter an und schuf so den nötigen Platz. Jedoch ergab sich dadurch auch ein deutlich höherer Schwerpunkt, was sich besonders in Kurven bemerkbar macht. „Man muss ein Gefühl für das Auto haben, denn auch das Sichtfeld ist durch den Kasten eingeschränkt“, so Hoppe, „darum fahre ich möglichst nur selbst.“
Auch eventuelle Reparaturen sind für ihn kein Problem: „Enten sind einfach, praktisch und simpel zu reparieren, besser noch als ein Käfer.“ Wenn er am Motor nach dem Rechten sehen will, heben sich die angeschweißten Kotflügel beim Öffnen der Motorklappe mit empor. Eine Bambusstange verhindert das ungebremste Schließen der Konstruktion. Als Hommage an den „2CV Sahara“ kam ein Ersatzreifen auf die Haube. Die Zeit drängte, der Abfahrtstermin des Frachters im Hamburger Hafen gen Afrika rückte immer näher. Der Lieferwagen, einer von über 1,2 Millionen, die in Frankreich und der Schweiz vor allem von der Post und kleinen Händlern benutzt worden waren, musste sich noch in ein Wohnmobil für zwei Reisende verwandeln. Auf dem Dachgepäckträger wurde unter einem Mückennetz ein Schlafplatz eingerichtet, mittlerweile produzieren dort zwei Solarpaneele den Strom zur Versorgung einer Kompressor-Kühlbox. Ein am Lüftungsgitter angebrachter Flaschenöffner erleichtert den Genuss der gekühlten Getränke; zu den unzähligen bunten, in die Lüftungsschlitze gesteckten Kronkorken könnte Hoppe diverse Geschichten erzählen.
Ein zweiter Schlafplatz entstand im Innenraum der Ente. Erhöht eingebaut, bietet er unter der Liegefläche Platz für eine Kiste mit Lebensmitteln, Geschirr, Pfannen und Töpfen. Ein kleiner Kocher wird mit Benzin betrieben. Neben einer Holzkiste für elektrischen Kleinkram durfte auf keinen Fall ein Plätzchen für Literatur fehlen. Dann schon lieber auf Kleidung verzichten. Die Kastenente erlaubt eine eingetragene Zuladung von 250 Kilogramm, sodass sich Hoppe auf das Nötigste beschränken muss, getreu seinem Motto „Genug ist immer besser als zu viel“. Die Sitze sind nur mit Klammern befestigt, also herausnehmbar, und auch außerhalb des Autos nützlich. Bei einem lauschigen Sonnenuntergang am Strand können sie flugs ausgebaut werden. Nun nur noch den in der Beifahrertür zusammengeklappten Tisch aufstellen und es sich mit Kerze und einem Gläschen Wein gut gehen lassen. Inspiriert wurde Hoppe von einem alten Citroën-Werbebild, auf dem eine Familie auf den ausgebauten Sitzen beim Picknick am See zu sehen ist.
Weit waren Ralf und sein Bruder Hans-Jürgen mit der Ente nicht Probe gefahren, bevor sie endlich zu ihrer sechswöchigen Afrika- reise aufbrachen. Genauer gesagt nur die 250 Kilometer von Hagen nach Hamburg. Es war einfach keine Zeit mehr für Testfahrten gewesen. So bemerkte Hoppe auch erst auf der regennassen norddeutschen Autobahn, dass die Fenster nicht dicht waren. Die Ente legte die Strecke Hamburg–Accra mit dem Autotransporter zurück, die Brüder folgten mit dem Flugzeug. Eine bemalte und mit dem Schiffsnamen versehene Delle erinnert an die etwas unsanfte Ankunft der Ente in Tema, dem Hafen von Accra in Ghana. Eine Woche dauerte es, bis die Brüder nach Erledigung sämtlicher komplizierter Zollformalitäten endlich auf vier Rädern zu ihrer 10.000 Kilometer langen Tour durch Westafrika starten konnten. Die genügsame, inzwischen auf den Namen „Al Jamal“ getaufte Kastenente ließ die beiden Abenteurer bei ihrer Fahrt durch Afrikas Savannen sowie Stein- und Sandwüsten nicht im Stich. „Sie ist wie ein Kamel – kommt weit und braucht wenig“, sagt Ralf Hoppe. Im Atlas-Gebirge stieß die Ente jedoch an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. „Die dünne Luft ist ihr wohl nicht bekommen“, mutmaßt der Besitzer. Auch den beiden Reisenden setzte die Höhe zu, denn auf dem Dach wurde es nachts bei Minusgraden ungemütlich kalt.
Die Hälfte der Strecke legten die Brüder auf Straßen zurück, den Rest abseits viel befahrener Wege. Sie fuhren am liebsten kürzere Strecken und nächtigten, wenn sich die Möglichkeit bot, in Wassernähe. Der Allradantrieb bestand sämtliche Härtetests und bis auf defekte Reifen und eine immer wieder in den Schlaglöchern aushakende Getriebehalterung machte „Al Jamal“ auf der Reise keinen Ärger. Ralf Hoppe erinnert sich lächelnd an die Bedenken seiner Freunde vor der Tour: „‚Wie kann man nur mit so einem Auto durch Afrika fahren.‘ Aber das Auto hat gehalten, und von den Menschen wurden wir begeistert aufgenommen.“ Zurück in Deutschland fand Hoppe endlich Zeit und Muße, seinen Citroën 2CV nach und nach in ein Kunstwerk zu verwandeln, mit dem auch die ganze Familie verreisen konnte. „Er hat mit seiner Liebe zur Ente die ganze Familie infiziert“, erzählt die 19-jährige Josephin, die mit ihrem eigenen 2CV „Sunny“, den sie mit ihrem Vater restauriert hat, auf Tour gehen will, im Sommer nach Griechenland und möglichst bald nach Asien.
Als Dank für die Restaurierungshilfe bemalte die angehende Kindergärtnerin Hoppes Auto mit afrikanischen Motiven. Als Inspiration dienten ihr Stoffe und Tücher, die der Vater von seiner Afrikareise mitgebracht hatte. „Ich mag kleine Dinge, die Geschichten erzählen. Darüber freue ich mich an schlechten Tagen und erinnere mich an schöne Erlebnisse“, erklärt Ralf Hoppe seine Begeisterung für die Besonderheiten seines Autos. Ein Elefanten- kopf dient als Griff zum Öffnen der Motorhaube, Aufkleber und Bilder zeugen von unzähligen Reisen. Stolze 50.000 Kilometer hat Ralf Hoppe bisher mit „Al Jamal“ zurückgelegt. Auffallend viele Eidechsen tummeln sich auf dem sandfarbenen Citroën, weil sie, wie ihr Besitzer meint, die Eigenschaften seines Autos perfekt widerspiegeln: „Echsen sind leichtfüßig und kommen überall hin.“ Ein alter Lieferwagen erobert so in seinem zweiten Leben als reisendes Kunstwerk die Pisten der Welt und die Herzen der Menschen. „Jamal“ ist nicht umsonst im Arabischen auch der Begriff für Schönheit.