Leser unterwegs in Australien

Ein einsamer Track, Lagerfeuer, dazu ein Sternenhimmel ­ohne Ende. Das war Kathrin und Phillippes Traum von Australien – und wurden nicht enttäuscht.
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Land Rover Defender 110 TD4

Baujahr: 2015
Motor: 2.198 cm3, 122 PS
Verbrauch: 10 l/100 km
Aufbau: Aufstelldach
Schlafplätze: 2

 

Kathrin und Philippe sind in den Schweizer Bergen aufgewachsen. Bereits vor über zehn Jahren hat sie das Fernweh gepackt und sie reisten mit dem Tandem in 23 Monaten durch Nord- und Südamerika. Im Sommer 2019 lösten sie ihr Zuhause in der Schweiz auf und starteten im umgebauten Landrover Defender 110 ihre Reise durch Australien.

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Kathrin Truttmann & Philippe Aschwanden

Alter: 43 & 45 Jahre
Wohnort: Schweiz
Reiseregion: Australien
Reisedauer: 11 Monate, geplant sind 18
Reisestrecke: bisher 35.000 Kilometer
Website: tandemdream.ch

 

 

Roter Sand, Grasbüschel, ein einsamer Track, Lagerfeuer, dazu ein Sternenhimmel ­ohne Ende. Das war unser Traum von Australien – und wir haben ihn gefunden. Mutterseelenallein finden wir uns eines Abends zwischen zwei Dünen in der Simpson Desert wieder. Der Tag neigt sich dem Ende zu, die Sonne schickt die letzten Strahlen über den Dünenkamm und taucht das rote Land in noch weitere Rottöne. Am Himmel leuchten die ersten Sterne und ­neben den Campingstühlen lodert ein kleines Feuer.

„Hier genossen wir ein Bad unter dem Sternenhimmel“

Seit vier Tagen waren wir offroad unterwegs. Der Staub ist bereits in allen Ritzen angekommen und hat eine feine Patina auf und im Auto hinterlassen. Das ließ sich nicht vermeiden. In Alice Springs hatten wir zuvor die Vorräte an Essen, Wasser und Diesel aufgefüllt. Bis nach Kulgera ging es von dort aus auf einer Asphaltstraße in Richtung Süden. Kaum waren wir auf eine Abzweigung Richtung Osten abgebogen, umhüllte uns eine Staubwolke. Immerhin waren dort noch kleine Dörfer und Aboriginal Communities. Eine weitere kleine Abzweigung führte uns zum unspektakulären Mittelpunkt von Australien, dem Lambert Center. Ebenfalls auf dieser Strecke ist das Mt. Dare Hotel, und mit ihm ein letzter Außenposten vor dem Abenteuer. Auch hier versorgten wir uns noch einmal mit ausreichend Diesel, Wasser, Kaffee und den neusten Track-Informationen. Das Mt. Dare Hotel besteht aus ein paar älteren Gebäuden. Der Pub war sauber und klimatisiert und wir hätten auch in Zimmern übernachten können, aber der Rest entsprach nicht wirklich dem, was wir unter „Hotel” verstehen. Dafür war die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft des Personals fünf Sterne würdig und erwies sich als sehr wertvoll, bevor wir nach wenigen Kilometern auf dem Track wieder ­allein im Staub verschwinden würden. Ein weiteres Highlight wartete kurz vor der Simpson Desert auf uns: ­Dalhousie Springs, ein kleiner Campingplatz an ­einem See. Das Spektakuläre ist: Der See wird aus einem artesischen Becken gespeist und weist eine Wassertemperatur von etwa 30 Grad auf. Hier genossen wir in einer kühlen Wüstennacht das Bad unter dem Sternenhimmel.

 

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Endlos lange, staubige Pfade führen durch die rote Wüste Australiens

 

Mit Schaufel & Sandblech

All das schien aber nach den Tagen in der Wüste schon wieder weit weg. ­Einerseits forderte der Track dem Fahrzeug und dem Fahrer einiges ab: Mit Schwung ging es über die Düne, einen kurzen Moment schwebte man oben auf dem Kamm – die Sicht dabei unendlich in die Weite – dann kippt das Fahrzeug vorn ab und rollt die Düne hinunter. 1.100 Dünen soll es in der Simpson geben. Wir haben nicht mitgezählt, aber es waren viele! Das Auf und Ab machte schon fast seekrank. Bei den ganz großen Dünen reichte ein Anlauf manchmal gar nicht aus. Wenn überhaupt nichts mehr ging, halfen nur noch Schaufel und Sandbleche. Mit ihrer Hilfe konnten wir die Wüste aber zum Glück gut durchqueren. Zwar hatten wir fast jeden Tag eine Begegnung mit einem anderen Fahrzeug, aber grundsätzlich ist es wichtig, dass man sich selbst helfen kann. Hinter einer der vor uns liegenden Dünen lugte plötzlich ein flatterndes oranges Sandfähnchen hervor. Wir fuhren etwas näher, stoppten und tauschten mit dem Fahrer Streckeninformationen aus, aber das Wichtigste: In solch einer Situation fragt man, ob alles in Ordnung ist und bietet seine Hilfe an.

 

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Ein Känguru darf bei einer Reise nach Australien keinesfalls fehlen

 

In Australien hatten wir einen kleinen Satelliten-Tracker dabei. Im Notfall hätten wir mit ihm Hilfe rufen können, ein Mobilfunknetz sucht man in solchen ­Gegenden nämlich vergebens. ­Sicherheit steht bei einer Fahrt in der Wüste an erster Stelle. Ein technischer Defekt oder auch ein gesundheitliches Problem kommen in solchen Situationen natürlich nicht geplant, sondern plötzlich. Dann ist es wichtig, dass Unterstützung angefordert werden kann und vor allem, dass für einige Tage noch ein Notvorrat an Wasser und Lebensmitteln vorhanden ist. Bei über 30 Grad Außentemperatur ohne ­jeglichen Schatten kann sich die Wartezeit zu einem Wettlauf gegen die Zeit entwickeln.

 

Am Rande der Big Red

„Die Big Red ist eine Herausforderung für jeden Offroad-Fahrer“

Unsere Reisegeschwindigkeit in der Wüste betrug im Schnitt knapp 25 Stundenkilometer. Da blieb viel Zeit, um den Blick über die Landschaft wandern zu lassen. Die Wüste wirkte nur auf den ersten Blick tot. Auf den zweiten Blick entdeckten wir kleinste Blumen und Gräser, die anscheinend eine Überlebens­strategie entwickelt hatten. Außerdem gab es mit Schlangen, Echsen, Käfern und Spinnen eine vielfältige Tierwelt. Unter den Spinnen gibt es übrigens eine besonders faszinierende Art: Wenn man nachts mit der Stirnlampe auf den ­Boden leuchtet, sieht man, wie sie fluoreszierend über den Sand huscht.

 

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Das bekannteste Roadhouse entlang dieser Strecke ist wohl das Pink Roadhouse in Oodnadatta. Die Fassade, die Tür, die Stühle – alles ist in Rosa bis Pink gehalten. Vieles ist auch da bereits etwas verblasst – aber trotzdem ein spezieller Ort

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Am sechsten Tag seit Alice Springs näherten wir uns nach über 500 Kilometern Sand langsam dem Ort Birdsville. Eine große Sanddüne, die Big Red, trennte uns noch von der ersehnten kühlen Dusche. Doch diese Sanddüne hat es in sich. Mit vierzig Metern Höhe ist sie eine Herausforderung für jeden OffroadFahrer. Auch wir brauchten mehrere Anläufe. Zu Fuß erkundeten wir die ­optimale Linie, blieben trotzdem mehrmals stecken und schaufelten uns wieder frei. Endlich schafften wir es bis auf den Kamm. Allerdings war es uns dann zu gefährlich, ihn zu überqueren. Der Wind hatte den Sand wie eine Schneewehe überhängend geformt. Also drehten wir um und wählten den sogenannten Chicken Run zur Überquerung, eine weniger hohe Stelle der Big Red. Der Ort Birdsville erfüllte unsere Erwartungen nicht ganz. Er ist fast menschenleer und sehr verstaubt. Eine kleine Landebahn, eine breite Hauptstraße, eine Tankstelle und ein mäßig sortierter Laden sind die Hauptattraktionen. Irgendwo klapperte ein Blech im Wind. Wild-West-Feeling, so, wie man es sich vorstellt.

Anhand von Bildern erkannten wir, dass das nicht immer so ist. In Birdsville findet ein jährliches Festival mit tausenden von Besuchern statt. Von dem Trubel war in diesem Moment aber nichts zu spüren. Hier hatten wir wieder die Möglichkeit, unsere Kraftstoff-, Lebensmittel- und Wasservorräte aufzufüllen. Dank unserer gut ausgestatteten Camping­küche waren wir recht unabhängig unterwegs und backten beispielsweise ­unser eigenes Brot. Und auch wenn es im Laden außer ein paar verschrumpelten Äpfeln nur Konserven gab, versuchten wir, uns so abwechslungsreich wie möglich zu ernähren.

 

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Der Sonnenaufgang taucht die Painted Desert in zarte Farben

 

Das Souvenir der Wellblechpiste

Unsere Route führte uns über den Birdsville Track. Das bedeutete: weitere 500 Kilometer in Richtung Norden. Diese Strecke heißt zwar „Track”, ist aber eigentlich eine breite Naturstraße. Die Landschaft erschien uns nach der Simpson Desert recht eintönig und das Well­blech auf der Straße nervte gewaltig. Durch das Hin- und Herrütteln blieb im Fahrzeug nichts mehr an seinem Platz. Die Konserven in den Lebensmittel­boxen hinterließen aufgrund der dauern­den Reibung tiefe Rillen – ein Souvenir, das wir von dieser Reise mitnehmen sollten. Es war schwierig, das richtige Tempo über die Wellblechpiste zu finden: Entweder langsam, sodass jeder Hügel und jede Welle ausgefahren werden, oder mit 70 bis 80 Stundenkilometern, damit man quasi über die Wellen fliegt. Wir freuten uns, als endlich das Roadhouse von Mungerannie auftauchte. An der Decke hingen Haarbüschel – so viele, dass sie vermutlich in den letzten fünf Jahrzehnten gesammelt wurden. Die Schere lag auf dem Bartresen bereit – aber ich konnte mich nicht von meinem Pferdeschwanz trennen. Die nächste Tankstelle lag in Marree, weitere 200 Kilometer entfernt. Auch dieser Ort hat seine beste Zeit bereits hinter sich. Früher, als die Eisenbahn hier noch Halt machte, pulsierte dort das Leben. Heute sind davon nur noch verstaubte Relikte sichtbar. Einzig das Hotel machte seinem Namen noch alle Ehre und wartete mit Camping und einem Pool auf. Zeit für eine Pause.

Eigentlich trennten uns ab diesem Ort nur noch wenige Kilometer in südliche Richtung vom Asphalt. Aber wir entschieden uns, ein paar weitere Kilometer auf unbefestigten Wegen anzuhängen, also bogen wir stattdessen in Richtung Norden auf den Oodnadatta Track ab. Die Landschaft wird beherrscht vom riesigen Salzsee Lake Eyre. Zu dieser Jahreszeit war er komplett ausgetrocknet. Es war drückend heiß, als wir William Creek erreichten, ein weiteres einsames Roadhouse. Als wir den Pub betraten, nahm uns der Temperaturschock fast den Atem. Ähnlich erging es uns, als wir später wieder ins Auto stiegen, ein paar Kilometer wollten wir an diesem Abend noch fahren. Irgendwann fanden wir endlich einen Übernachtungsplatz. Er lag in einem trockenen Bachbett bei ein paar Bäumen, doch schon bald türmten sich dunkle Gewitterwolken auf und ein heftiger Wind fegte unsere Stühle in den Sand. Also packten wir wieder zusammen und verzogen uns ins Auto. Da ein trockenes Bachbett bei Gewitter eine schlechte Wahl ist, fuhren wir ein Stück weiter. Eine spektakuläre Blitzfront und auch ein paar Regentropfen überraschten uns. Erst spät in der Nacht zog das Gewitter ab.

 

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Weit entfernt vom Lichtsmog, kommt der Sternenhimmel in der Simpson-Wüste noch deutlicher zur Geltung

 

Wohin als nächstes?

Mutterseelenallein ging es für uns weiter auf einer schmalen Schotterstraße in Richtung Painted Desert. Auf dieser Strecke waren wir auf uns gestellt. Sobald die Sonne unterging, entfalteten die Berge ihre prächtigen Farben, die der Wüste ihren Namen verleihen. Am liebsten wären wir in dieser Gegend noch etwas geblieben, doch unsere Vorräte neigten sich dem Ende zu. Außerdem sehnten wir uns nach einer richtigen Dusche und etwas Zivilisation.

Auf dem nächsten Campingplatz waren wir mit dem Komfort und der neuen Situation schon fast überfordert: Plötzlich standen nur wenige Meter entfernt weitere Fahrzeuge, die freundliche Verkäuferin im Supermarkt begann ein Gespräch mit uns und an der Tankstelle fragte uns der Betreiber, woher wir denn kämen und wohin wir weiterreisen würden. Das Woher konnten wir gut beschreiben, die Erlebnisse waren schließlich noch frisch. Unsere Routenwahl löste selbst bei den offroadverrückten Australiern Staunen aus. Das Wohin – das konnten wir in diesem Moment noch nicht beantworten. Aber wir wussten: Durch einen Blick auf die Karte würde sich bestimmt wieder ein abgelegener Track finden lassen. Denn vom Staub in der Einsamkeit hatten wir noch lange nicht genug.

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