Dieser Artikel erschien in Ausgabe 03-2020.
Zu Zeiten rund um die Deutsche Vereinigung waren für THW, Feuerwehr und Co. bundesweit Hunderte der Iveco-Magirus 90-16 im Einsatz. Der luftgekühlte Neuntonner wurde von 1986 bis 1992 gebaut und gilt bis heute als äußerst zuverlässig. Die überwiegende Mehrheit der Fahrzeuge dürfte nahezu dauerhaft in Feuerwehrwachen, THW-Stützpunkten oder Flughäfen warm und trocken ihr gut gewartetes Dasein gefristet haben. Insofern sind bis heute auch noch einige der 90-16er nahezu rostfrei im Einsatz. Diese Verbliebenen werden nach und nach ausgemustert. Eine Chance für jeden ambitionierten Welterkunder, sich einen soliden Allrad-Laster als preiswerte Ausbaubasis zu sichern.
Das Handling des sieben Meter langen Gefährts ist überraschend leicht. Hydraulische Servolenkung und Getriebe sind von ZF, der Motor stammt aus dem Deutz-Regal. Aus knapp 6,2 Litern Hubraum liefert das Aggregat ausreichende 160-Turbo-PS aus sechs Töpfen. Damit ist man den meisten Herausforderungen gewachsen, klassisches Motortuning bringt bei Bedarf ein paar mehr PS. Wer beim Stichwort luftgekühlt direkt hochgehen möchte wie ein heiß gewordener Wasserkühler: Ein Wasserkreislauf kühlt effizienter und lässt sich auch besser regulieren, dennoch funktioniert eine Luftkühlung nach wie vor zuverlässig und sehr wartungsarm – nicht nur in gemäßigten Breiten, sondern von der Sahara bis zu den Polen. Nichts kocht, platzt, leckt oder friert ein. Lediglich die Temperatur der 22 Liter Motoröl sollte man im Auge behalten. Insgesamt gleitet man im 90-16 erstaunlich sanft auf den Straßen dahin, und im Fahrerhaus herrscht eine noch angenehme Geräuschkulisse. Beim Verbrauch im Straßeneinsatz muss man mit etwa 20 Litern Diesel auf 100 Kilometern rechnen. Das geht in Ordnung.
Um beim Deichbruch nicht auf matschigen Wegen zu versagen oder aufgrund von verschneiten Straßen den Brandherd nicht zu erreichen, spendierte man dem Magirus einen permanenten Allradantrieb, ein sperrbares Hinterachs- und Mitteldifferential sowie eine Untersetzung. Dem 90-16 macht abseits vom Asphalt so schnell niemand etwas vor. Wenn es allerdings richtig über Stock und Stein geht, kann er nicht mit Unimog, Steyr und Co. konkurrieren: Das Basisfahrzeug ist mit 243 Millimetern Luft unter den Achsen schnell auf dem harten Boden der Realität angekommen. Wer abseits der Pisten unterwegs sein möchte, sollte dem Chassis mit einer größeren Rad-Reifen-Kombination ein wenig auf erhöhte Beine helfen, im Original rollt der Iveco auf schmalen 9 R22,5 ab.
Motor: Diesel, luftgekühlt; 6,2 l; 160 PS
Radstand: 3.500 mm
Länge (je nach Aufbau): 6.935 – 7.250 mm
Breite: 2.485 mm
Leergewicht (THW/Feuerwehr): ca. 6.200 kg
zulässiges Gesamtgewicht: 9.000 kg
Variante (120/25): 12 Tonnen/250 PS
Preis: ab 8.000 Euro
Die Aufbauten wurden von verschiedenen Herstellern geliefert. Der blaue 90-16 (Bild links) wurde von der Firma Kücke für das Technische Hilfswerk aufgebaut. Die Nutzung der Originalaufbauten ist zwar möglich, aber kompliziert und durch die nicht vorhandene Stehhöhe wenig komfortabel. Technisch Versierte mit geringen Geländeansprüchen könnten überlegen, den bereits vorhandenen einfachen Hilfsrahmen etwas zu modifizieren und direkt einen Shelter aufzusetzen. Populär ist derzeit eine Kürzung des geräumigen MannschaftsFahrerhauses, um so Platz für einen langen Aufbau zu schaffen. Kabinen von viereinhalb Metern Länge sind locker möglich.
Beim Gewicht gibt es keine Probleme: Maximal neun Tonnen sind das Limit. Das Leergewicht eines einsatzfertigen Feuerwehr- oder THW-Fahrzeuges liegt bei deutlich unter sechseinhalb Tonnen. Das nackte Chassis mit gekürztem Fahrerhaus bringt etwa vier Tonnen auf die Waage. Das bietet viele Optionen und eine Anmeldung als 7,5-Tonner ist realistisch. So gibt es bereits von Haus aus ordentlich Reserven in allen Lebenslagen. Der Markt sieht gut aus, die Versorgung mit wichtigen Ersatzteilen ist unter anderem über das Deutz-Serviceportal gewährleistet. Die Preise steigen zwar seit Jahren, dennoch bekommt man nach wie vor sehr viel Auto fürs Geld. Los geht die Fernreise bei etwa 8.000 Euro. Überholte und mit frischen Prüfplaketten versehene 90-16er belasten die Kasse mit rund 15.000 Euro. Das Preis-Leitungs-Verhältnis passt. Der 90-16 hat Kult-Potential.
Handarbeit
Die Einstellungen des Antriebsstrangs werden an der Bedieneinheit zwischen den Sitzen -getätigt. Neben zwei Differentialsperren (Mitteldifferential und Hinterachse), gibt es auch ein Untersetzungsgetriebe, das die maximal 557 Newtonmeter auf die vier permanent angetriebenen Räder verteilt.
Einfach solide
Die Starrachsen mit Blattfedern haben sich als solides Setup zigtausendfach bewährt. In Verbindung mit der vergleichsweise kleinen Serienbereifung ist die Bodenfreiheit mit 243 Millimetern allerdings nicht üppig. Wer auf Reisen gerne etwas mehr (Boden-)Freiheit genießt, ist mit größeren Reifen auf entsprechenden Felgen- (20 der 22,5 Zoll) gut beraten.
Interessante Links:
- magirusgroup.com
- iveco.com
- deutz-serviceportal.com (Motor)
- aftermarket.zf.com (Getriebe und Lenkung)