Mercedes Vario 816 DA „Benny“
Baujahr 2011
Motor 4,3 l, 156 PS
Verbrauch 18 l/100 km
Aufbau Woelcke (2018)
Schlafplätze 2 (max. 4)
Gesamtgewicht 7 t reisefertig
Sybil & Christian Hütwohl
Mit 55 beendeten Sybil und Christian Hütwohl das Arbeitsleben, seitdem steht das Reisen im Vordergrund. Als erste Fernreisen mit dem neuen Fahrzeug standen Island und Skandinavien bis zum Nordkap oben auf der Liste. Dann folgten Reisen nach Albanien, in den Kosovo, nach Griechenland sowie nach Tunesien. Mitte 2022 starteten die beiden ihre erste Langzeitfernreise zum Kaukasus. Durch den Iran erreichten sie dann die Arabische Halbinsel
Alter 56 & 60
Wohnort Andermatt/Schweiz
Reiseregion Kaukasus, Iran & Orient
Reisedauer 1 Jahr
Reisestrecke 28.000 Kilometer
Youtube Benny goes overland
Welcome to Kuwait.“ Wir können es nicht glauben. Nach der 80 Kilometer langen Transitstrecke durch den Irak und nervenzehrenden Grenzübertritten (Iran/Irak: acht Stunden, Irak/Kuwait: fünf Stunden) werden wir vom kuwaitischen Grenzer mit einem Lächeln zu arabischem Kaffee, Datteln und Süßigkeiten eingeladen. Nach diesem Grenztheater ist das wie eine Erlösung aus einem Albtraum. Eben noch durch ärmliche irakische Siedlungen gefahren, sind wir nun in der Glitzerwelt Kuwaits. Das Visum für Kuwait bekommen wir direkt an der Grenze. Das Carnet de Passages wird verlangt, ebenso eine kuwaitische Haftpflichtversicherung. Dann müssen wir mit unserem Benz durch den Lkw- Scanner. Für unseren Dackel interessiert sich keiner.
Die Schnellstraße vom Irak nach Kuwait City ist top ausgebaut und verläuft durch eine monotone, steppen- artige Wüste. Zu sehen gibt es außer Ölbohrtürmen und Stromleitungen nichts. Je näher wir der City kommen, desto mehr Zeltlager sehen wir außerhalb der Stadt, geschmückt mit bunten Lichterketten. Das sind die Wochenendzelte der Kuwaitis für die kühleren Wintermonate, wie wir später erfahren.
In Kuwait sind wir als Touristen noch Exoten
Kuwait steht im Schatten der Golf-Metropolen Abu Dhabi und Dubai, die gerne auch für City-Trips angeflogen werden. In Kuwait ist der Tourismus noch wenig ausgeprägt. Wir sehen zwar viele Nichtaraber, aber die meisten sind Expats, die im Erdölsektor arbeiten. Eigentlich hatten wir Kuwait gar nicht eingeplant, sondern wollten vom Süden Irans direkt nach Dubai verschiffen. Aber wegen der Unruhen im Iran haben wir unsere Iran-Reise von zwei Monaten auf fünf Wochen verkürzt und wählen den Umweg über den Irak entlang des Persischen Golfs. Nun also Kuwait.

Imposante Hauptstadt
Am Sulaibikhat Beach stehen wir mehrere Tage und erkunden von dort aus die Megastadt. Die wichtigste Frage am Morgen: Woher bekommen wir frisches Brot? Wir stellen uns vor unseren Benz und schauen etwas fragend in die Gegend. Schon hält ein Kuwaiti und fragt, was wir brauchen. Er fährt uns zu einem nahen Bäcker, den wir sonst nie gefunden hätten. Vorstellbar bei uns in Westeuropa? Wohl kaum. Unser zweites Erlebnis mit der arabischen Gastfreundschaft.

Mit dem Taxi fahren wir in die Stadt. Abu Dhabi und Dubai kennen wir noch nicht und so sind wir beeindruckt von der Skyline Kuwaits. Gigantismus finden wir auch in der Avenues Mall, eine der größten Malls der Welt. Für uns ist sie die schönste Mall auf der gesamten Arabischen Halbinsel. Ordentlich runtergekühlt lässt es sich auch bei Wüstentemperaturen um 50 Grad gut aushalten. Von dieser Höllenhitze sind wir noch weit entfernt, denn im Dezember liegen die Temperaturen bei angenehmen 25 Grad. Kuwaitis erzählen uns, dass sie im Sommer ganze Tage in der Mall verbringen. Kein Wunder, bei über 1.000 Shops und Restaurants. Alle weltweit bekannten Bekleidungs- und Uhrenmarken finden wir hier, auch Schweizer Schokolade. Nach den Energiekosten fragen wir besser nicht, auch nicht für die energieintensive Trinkwassergewinnung aus Meerwasserentsalzungsanlagen. Aber wen kümmert es schon, wenn man auf einer riesigen Erdölblase wohnt. Wohin also mit dem Ölreichtum? Wir sehen elegante Marinas, teure Restaurants, benzinfressende Pickups und SUVs aus den USA.
Die große Moschee von Kuwait mit Platz für mehr als 10.000 Gläubige ist eindrücklich. Das architektonische Farben- spiel erinnert uns an die großartigen Moscheen im Iran. Der Eintritt ist kostenlos, aber ohne Führung kommen wir nicht rein. Und ohne Gewand für die Frau (Abaya) und Kopfbedeckung geht es auch nicht. Touristen sind noch Exoten in Kuwait und so bekommen wir beim Verlassen der Moschee sogar ein kleines Geschenk.

Das andere Gesicht Kuwaits
Wir wollen nun das andere, authentische Kuwait entdecken. Unser Benz muss dringend vom Wüstenstaub befreit werden und so landen wir auf der Automeile von Kuwait. Die Skyline von Kuwait immer im Blick, befinden wir uns in einem ärmlichen Stadtteil, in dem Menschen aus Pakistan und Bangladesch für Hungerlöhne hart arbeiten. Unser Benz wird eine Stunde lang für 15 Euro von Hand gewaschen und glänzt danach in der Wüstensonne.
Das gleiche Bild bietet sich beim riesigen Fischmarkt. Scharen von Gastarbeitern transportieren den Fisch direkt von den typischen Dhau-Schiffen in die riesige Halle des Fischmarktes, wo die Fische arbeitsintensiv für die Kuwaitis ausgenommen und filetiert werden.
Nach den wunderschönen persischen Basaren im Iran erleben wir unseren ersten arabischen Souk in Kuwait. Recht modern und chic gestaltet, verführt er uns in die geheimnisvolle Gewürz- und Farbenwelt von Arabien. Die Basare im Iran empfinden wir aber als authentischer. Überall in der Innenstadt sehen wir Bilder des gegenwärtigen Emirs von Kuwait, der sich als treu sorgender Landesvater präsentiert. Typisch kuwaitisches Streetfood gibt’s im Al Shemam direkt im Souk, natürlich mit frischem Fisch. Dafür lassen wir die Edelrestau- rants gerne links liegen. Im Souk werden wir ständig angesprochen, denn unsere 13-jährige Dackeldame ist die Attraktion. Selfie folgt auf Selfie. “Is this a cat?” “Is this a puppy?”
Natürlich freuen wir uns, nach den Wochen im Iran wieder in prall gefüllten Supermärkten einzukaufen, zu gesalzenen Preisen allerdings. Hier bekommen wir alles außer Alkohol. Wein und Bier gibt es für uns erst wieder in den Emiraten. Auch in den Supermärkten sehen wir viele helfende Hände der Gastarbeiter, welche die Lebensmittel in Tüten einpacken und den Einkaufswagen zum Auto schieben. Wir sind erstaunt, als wir erfahren, dass von den 4,3 Millionen Einwohnern über 60 Prozent Gastarbeiter sind. Ohne diese Menschen würde Kuwait nicht funktionieren.
Wir wollen nun das andere, authentische Kuwait entdecken
Einen Campingplatz gibt es in Kuwait nicht. Wo wir den Wassertank füllen? Bei Moscheen bekommen wir meistens Wasser. Schließlich waschen sich die Muslime stets vor dem Gebet. Oder bei der Feuerwehr von Kuwait. Und werden direkt zum opulenten Frühstück eingeladen. Wenn schon gerade kein Feuer zu löschen ist, wollen sie wenigstens gut essen, erzählen sie uns. Hier erleben wir ein weiteres Mal die sprichwörtliche arabische Gastfreundschaft. Die Verständigung auf Englisch klappt gut. Gut auch, dass wir ein Informationsblatt über uns in allen Sprachen vorbereitet haben, das wir herumreichen können. Mit Fotos aus unserer Heimat und von unserer Familie haben wir genügend Gesprächsstoff. Die Schweizer Bergwelt sorgt für große Augen, ebenso unsere blonde Tochter. Ob sie denn schon verheiratet sei?

Kamelrennen in der Wüste
Mit unserem Benz fahren wir in die Stadt und stehen über Nacht beim Kuwait Tower, dem Wahrzeichen der City. Von hier aus hat man abends einen schönen Blick auf die beleuchtete Skyline. Die nächtliche Botschaft auf dem Kuwait Tower ist deutlich: “No violence against women.“ Damit ist klar, wo Kuwait steht angesichts der Unruhen im nahen Iran. Der Einfluss der USA wird nicht nur bei den vielen Pickups und den Fast-Food-Ketten erkennbar.
Es gibt viel mehr zu sehen als gedacht. Wir kehren zurück zum Sulaibikhat Beach und müssen nur die Stühle vor unseren Benz stellen, um in das kuwaitische Leben einzutauchen. Kuwaitis, die ihre teuren Autos am Strand spazieren fahren oder Papageien fliegen lassen. Pakistanis, die am Strand Cricket spielen. Dann werden wir zum Abendessen eingeladen. Das heißt, nur der männliche Part. Die Männer treffen sich am Strand zum Picknick, während die Frauen zu Hause essen. Es ist eine sehr traditionelle Rollenverteilung, die wir in Kuwait erleben. Frauen tragen meist ein schwarzes Gewand. Einige sind voll verschleiert, man sieht nur ihre Augen. Nicht weil der Staat sie dazu zwingt (wie im Iran), sondern weil es die Familie beziehungsweise die Tradition so will. Als Ausländer können wir uns aber frei bewegen und Frau muss auch nicht mit einem Kopftuch herumlaufen. Überhaupt fühlen wir uns in Kuwait sehr sicher. Das Freistehen auf dem stadtnahen Strand und in der City ist problemlos. Was uns wirklich stört, ist der herumliegende Müll, was aber ein Problem auf der gesamten Arabischen Halbinsel ist. Die Stadt selbst empfinden wir als einigermaßen sauber.
Bevor wir unsere Orient-Reise fortsetzen, lassen wir bei Mercedes Benz in Kuwait noch das Motoröl und den Filter wechseln. Der Diesel ist im Iran sehr günstig, aber auch sehr schwefelhaltig. Den hat unser Euro-5-Motor klaglos vertragen, aber jetzt muss die raben- schwarze Brühe raus.
Die südliche Strecke von Kuwait City zur Grenze nach Saudi-Arabien verläuft erneut durch ein langweiliges, flaches Wüstengebiet. Wir sehen riesige Raffinerien, aber sonst wenig Interessantes entlang der Strecke. Zwei Abstecher lohnen sich aber auf jeden Fall. So besuchen wir unser erstes Kamelrennen. Wir erkennen sofort, wem die Kamele gehören, nämlich den weiß gewandeten Kuwaitis, während Gastarbeiter für die Pflege der teuren Rennkamele zuständig sind. Wir können mit unserem Benz direkt beim Startfeld stehen und so das Rennen aus nächster Nähe verfolgen. Aber nicht nur die Kamele sorgen für das Spektakel, sondern die vielen Pick- ups mit den Begleitteams, welche entlang der Rennbahn fahren und die elektronischen Jockeys steuern.
Ein weiteres Highlight ist das Ölmuseum. Interaktiv lernen wir viel über das Erdöl und die Gewinnungsmethoden im kleinen Golfstaat, der weltweit zu den Top Ten bezüglich Erdölvorkommen zählt. Erstaunlich für so ein kleines Land, das von der Nordgrenze Irak zur Südgrenze Saudi-Arabien in 250 Kilometern durchfahren werden kann. Besonders bedrückend sind die Bilder und Aufnahmen vom zweiten Golfkrieg 1990/1991, als riesige Ölfelder Kuwaits in Flammen standen.
Zunächst nur als Durchreisestation gedacht, bleiben wir acht Tage in Kuwait. Kuwait ist – wie Saudi-Arabien – eines der Überraschungsländer auf unserer Orient-Reise. Nicht wegen der (nicht vorhandenen) Natur-Highlights, sondern wegen der interessanten Stadt und der sehr gastfreundlichen Menschen. Der Umweg über den Persischen Golf hat sich für uns auf jeden Fall gelohnt und ist ein einfacher Einstieg in die arabische Welt.
