Pfefferminzschnaps in der Zeltstadt

Den Anfang der Namibia Reise gibt es hier nachzulesen.

Dunstig trüb und wenig einladend hängt der vom Atlantik herein gewehte Dunst über der Skelettküste. Der Sand ist überzogen von einer schwarzgrauen Kruste, der Himmel wirkt mehr grau als blau und das Licht ist so diffus, dass sich keinerlei Schatten abzeichnet. Verrostete Schiffswracks, Walknochen und stinkende Robbenkadaver machen weite Teile der Küste hier nicht unbedingt zum Place-to-be. Nichtsdestotrotz gibt es inmitten dieser abweisenden Gegend einen Ort, an den viele Jahr für Jahr pilgern.

Sonja lacht laut und herzlich, lehnt freundlich ab, als ihr an der Bar ein „Springbock“ angeboten wird. Die Mischung aus braunem Sahnelikör und knallgrünem Pfefferminzschnaps schmeckt erfreulicherweise wesentlich besser als es aussieht. „Viele der Gäste sind namibische und südafrikanische Farmer und kommen für ein bis zwei Wochen. Manche aber verbringen ihren gesamten Familienurlaub hier, bleiben die komplette Zeit von Anfang Dezember bis Ende Januar.“ So lange steht das Camp in Torra Bay. „Heuer mussten wir die Gebäude mit Maschinen ausgraben. Die Dünen hatten sich teilweise meterhoch aufgetürmt. Nach ein paar Tagen war der Bagger kaputt, dann haben wir mit Schaufeln weitergegraben. Am 1. Dezember musste alles fertig sein, dann eröffnet das Camp“, schmunzelt die junge Managerin. Bis zu tausend Menschen leben über den Jahreswechsel an diesem absurd wirkendem Ort, in einer provisorischen Stadt aus Hauszelten, Pavillons und mannshoch gespannten Planen mitten im Nirgendwo. 

Eine einzige Frage zählt: „Wo beißt der Fisch?“ Allmorgendlich schwärmen hunderte Pick-Up-Jeeps mit riesigen Angeln an den Bullenfängern aus, um sich über den Küstenabschnitt zu verteilen. „Wenn sich herumspricht, dass ein großer Schwarm Kabeljau gesichtet wurde, rasen am nächsten Morgen alle dorthin.“ Erst am Abend kommen die Angler wieder zurück, so mancher mit knallrot verbranntem Nacken. Der Fang des Tages landet direkt auf Eis in einer der unzähligen prall gefüllten Kühlboxen. 

Der Atlantik lädt hier kein bisschen zum Baden ein. Die Brandung donnert gewaltig. Der Benuelastrom bringt eiskaltes und nährstoffreiches Wasser aus der Antarktisregion, was die große Fülle an Leben vor der Skelettküste ermöglicht. Es riecht nach salziger Meeresluft und pünktlich zum Sonnenuntergang nach gegrilltem Fisch. Die Pommes dazu gibt es als Take-away an der Bar. Aus großen Lautsprechern dröhnt bis spät in die Nacht Musik, zu der namibische und südafrikanische Jungfarmer mit ihren Partnerinnen bühnenreifen Paartanz zum Besten geben. Sonja kam selbst 2004 zum ersten Mal hierher, „da gab es nur ein einziges Toilettenhaus und einen Generator für den Kühlschrank der Bar“ erzählt sie. Mittlerweile hat man die Infrastruktur ausgebaut. Wasser für Duschen und WCs kommt mit Tanklastern ins Camp. „Wenn das Wasser leer ist, hängen wir einen Zettel mit „Schmuddeltag“ ans Duschgebäude, und jeder weiß Bescheid. Vergangenes Jahr haben wir es bis genau acht Minuten nach Neujahr geschafft“, lacht sie. Wenn die junge, engagierte Frau nicht gerade die Fäden in Torra Bay zieht, arbeitet sie für die Nationalparkbehörde am Camp von Sessriem. „Ja, es ist sicher ein ungewöhnlicher Ort, aber es macht mir Spaß, die Dinge hier zusammenzuhalten. Es ist eine eingeschworene Community. Viele kennen sich seit Jahrzehnten und kommen Jahr für Jahr wieder.“ 

Zugegeben, wer rein zufällig in der Zeltstadt landet, mag sich im ersten Moment etwas deplatziert vorkommen. Doch spätestens nach einem Abend an der Bar ist man selbst Teil des verrückten Treibens in Torra Bay. Rau, aber herzlich.

Zwei mannshohe Totenköpfe verabschieden uns am Ausgangstor des Nationalparks. Rund dreihundert Kilometer später rollen die Landcruiser erstmals seit Wochen wieder über Asphalt. Hinein nach Swakopmund – und damit zurück ins bekannte Namibia.

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