ON TOUR. OFF ROAD: REISEN. AUTOS. TECHNIK.

ON TOUR. OFF ROAD: REISEN. AUTOS. TECHNIK.

Leser unterwegs in Neufundland

Bettina und Günter Spreer reisten in ihrem selbstausgebauten Reisemobil gemeinsam durch Neufundland und bewunderten die Meeresgiganten

MAN 14.280 „Leopold“

Baujahr 2004

Motor 6,9 l, 280 PS

Verbrauch ca. 24 l/100 km

Aufbau Bocklet-Kabine mit Eigenausbau

Schlafplätze 2

Gesamtgewicht 12 t

 

Bettina & Günter Spreer

Bettina ist durch ihre Eltern zum Reisen gekommen, bei Günter begann es mit dem Wassersport. Seitdem haben die beiden viele gemeinsame Touren in einem Reisemobil zusammen unternommen, angefangen im Jahr 1987 mit einem Datsun-Pickup mit Hardtop, bei dem die Ladefläche als Bett diente. Inzwischen sind sie mit einem selbst ausgebauten Reisemobil unterwegs und bereisten im Zuge einer längeren Tour nun schon zum zweiten Mal Neufundland.

Alter 54 & 61 Jahre

Wohnort Garmisch-Partenkirchen

Reiseregion Neufundland

Reisedauer 6 Wochen

Reisestrecke 3.500 Kilometer

 

Am 10. Juni legte die MV Atlantic Vision pünktlich um 23:15 Uhr von North Sydney in Nova Scotia ab. Wir fanden bei der Bar eine Gelegenheit, uns auszustrecken. Den Tipp hatte uns ein Mitarbeiter der Fährgesellschaft gegeben. Wir breiteten unsere Schlafsäcke aus und versuchten, ein wenig Schlaf zu finden. Die See war ruhig, die Bar geschlossen, entspannt konnten wir auf den harten Bänken trotzdem nicht liegen. Als wir gegen sieben Uhr die Fähre verließen, wurden wir von tief hängenden bleifarbenen Wolken empfangen. Ein heftiger Wind blies uns aus Norden entgegen – nicht gerade das Wetter, das man sich wünscht. Wir hatten uns vorgenommen, nur ein kurzes Stück zu fahren, um erst einmal am Codroy Valley Provincial Park den versäumten Schlaf nachzuholen.

Mächtige Eisberge

Der nächste Tag zeigte sich von seiner freundlichen Seite. Die Sonne schien, der Himmel war blau, aber der Wind blieb. Wie schon 2015, rollten wir nach 130 Kilometern im Barachois-PP- Camping ein. Uns hatte damals die Wanderung auf den Erin Mountain so gut gefallen, dass wir beschlossen, noch einmal hinaufzugehen. Die einzige schlechte Erinnerung, die wir hatten, war, dass wir von unzähligen Blackflies attackiert worden waren. Leider hatte sich in den letzten acht Jahren nichts daran geändert, aber wir waren vorbereitet. Netze über dem Kopf machten es einigermaßen erträglich. Der Aufstieg lohnt sich, denn die Aussicht auf die Southwest Brook, den St. George‘s Harbour und die Rothesay Bay sind atemberaubend. Für Bettina ging ein Wunsch in Erfüllung. Wenige Meter vor ihr trottete gemütlich ein Elch vorbei. Die Tage verflogen viel zu schnell, aber wir hatten noch einiges vor auf Neufundland, zum Beispiel Eisberge sichten.

In Hampden kam es dann zum ersten Aufeinandertreffen. Eisberge lagen nicht in der Bucht, sondern eher Packeis. Dementsprechend kalt war es. Tagsüber erreichte das Thermometer kaum die Drei-Grad-Grenze, und das Mitte Juni. Die nächste Überraschung erwartete uns in Beachside, in der Bucht von Wild Bight. An der Nordküste von Zentralneufundland entdeckten wie den ersten richtigen Eisberg, den wir in dieser Größe vorher ebenfalls noch nie gesehen hatten.

Tausende von Tonnen Eis zogen vorbei

Mit den netten Neufundländern kommt man schnell ins Gespräch. Dabei erfährt man einiges, was nicht in Reisebüchern zu finden ist. Besonders gerne sprechen sie über das Wetter, Soziales und ihre Lebensgeschichten. So erfuhren wir etwa, dass kleine Communities von der Regierung aufgelöst werden, da die Versorgung und deren Unterhalt zu teuer werden. Jeder, der gewillt ist umzuziehen, bekommt 250.000 Dollar und die anfallenden Kosten bezahlt. Außerdem erzählten sie uns, dass mit den diesjährigen Eismassen Eisbären nach Neufundland gelangt waren. Nachdem sie gefangen worden waren, brachte man sie wieder zurück in den Norden.

Wir hatten Blut geleckt oder besser gesagt Eis. In Twillingate, der selbst ernannten Hauptstadt der Eisberge, sollten wir weitere und noch größere zu sehen bekommen. Doch leider spielte das Wetter nicht mit. An der sogenannten Iceberg Alley driften jedes Jahr Hunderte an Neufundland vorbei. Die beste Zeit soll von Mai bis Juli sein. Die Kolosse treten ihre Reise in Grönland an und lösen sich im Laufe der Zeit immer mehr auf. Ein Neufundländer hat es sehr poetisch ausgedrückt: Das Eis ist Jahrtausende alt, bricht ab und kommt mit der Meeresströmung nach Neufundland, um hier zu sterben. Die Klimaerwärmung dürfte dazu beigetragen haben, dass wir 2023 um einiges mehr an Eisbergen sahen als 2015.

 

Mächtige Eisberge liegen in Beachside an der zentralen Nordküste Neufundlands

 

Spektakuläre Küste

In Durrell, nicht weit von Twillingate entfernt, fanden wir durch Zufall den bis dato schönsten Hikingtrail. Der Rockcut führte uns an der Küste entlang und offenbarte uns spektakuläre Ausblicke.

Bis jetzt hatten wir nicht wirklich Glück mit dem Wetter gehabt. Erst bei Cape Freels zeigte sich die Sonne und wir fanden unseren alten, in Erinnerung gebliebenen Übernachtungsplatz wieder. Bettina glaubte, die Spitze eines Eisbergs entdeckt zu haben, oberhalb einer Nebelschicht, die auf dem Meer lag. Sie drückte mir das Fernglas in die Hand. Auch ich konnte etwas erkennen, glaubte aber nicht, dass Tausende von Tonnen Eis in dieser Größe da draußen vorbeiziehen. Am Abend lichtete sich der Nebel und das, was wir zuvor gesehen hatten, entpuppte sich in der Tat als ein Gigant. Wie eine Festung trieb er majestätisch auf dem Meer dahin.

Nach zwei Tagen erweckten wir Leopold wieder zum Leben, um nach Bonavista hinauszufahren. Der Leuchtturm alleine würde die Anfahrt auf der wirklich miserablen 235 nicht rechtfertigen, aber die Papageientaucher allemal. Eine kleinere Kolonie dieser auch Puffins genannten Tierchen befindet sich auf einer Insel nahe dem Leuchtturm. Eine größere findet man in Maberly, nicht weit von Bonavista entfernt. Über die 230 verließen wir Bonavista, um nach Port Rexton zu gelangen. Ein weiteres Mal wollten Bettina und ich den Skerwink Trail gehen. Das Reisemagazin Travel & Leisure hat vor Jahren diese Wanderung zu den Top 35 in Nordamerika und Europa gewählt. Von mehreren Seiten hatten wir gehört, dass bereits die Lodden – kleine Fische, die in großen Schwärmen leben – in Neufundland angekommen sind, und im Schlepptau die Buckelwale. In St. Vincent‘s sollen sich schon seit Tagen die riesigen Säuger tummeln. Wir fuhren von der zentralen Ostküste hinunter zur Südküste auf der Avalon-Halbinsel. Mit jedem Kilometer verdichtete sich der Nebel – schlechte Voraussetzungen für gute Fotos. Inzwischen waren auch Yvonne und Tobias mit ihrem Actionmobil eingetroffen. Ebenso Marc und Bibi aus der Schweiz mit ihrem MB 917, die wir hier kennengelernt hatten.

Am nächsten Morgen stand Bettina um kurz nach fünf Uhr auf und nahm die Kamera mit. Nach etwa einer Stunde kam sie zurück und hatte wirklich tolle Bilder von den Walen geschossen. Man muss Durchhaltevermögen haben, wenn man mit guten Fotos belohnt werden möchte. Nicht nur standhaft, sondern auch geruchsunempfindlich sollte man sein, wenn einen eine Flutwelle von verwestem Fisch umgibt, denn die Lodden laichen am Strand ab und verenden dort.

Ein weiteres Highlight war der Gros- Morne-Nationalpark in der sowieso schon so beeindruckenden Landschaft Neufundlands. 2015 hatten wir schon so einiges wie den Gros Morne erwandert, etwa den zweithöchsten Berg oder die Baker‘s Brook Falls. Dieses Mal durfte es der Green Gardens Trail und als Höhepunkt das Tablelands-Plateau sein.

 

So vielfältig ist Neufundland: Auf der einen Seite das Tablelands-Plateau im Gros-Morne- Nationalpark, auf der anderen Seite die gigantischen Meeresbewohner

 

Das Wetter passte. Der Green Gardens Trail beginnt in einer fast mondähnlichen Landschaft und wird seinem Namen anfangs nicht gerecht. Die ersten Meter führten uns über eine Kuppe, bevor der Weg an Höhe verlor. Die ersten Gewächse, meist nur Bodendecker und kleinere Blumen, tauchten auf. Je näher wir dem St.-Lawrence-Strom kamen, und mit jedem Höhenmeter weniger, gedieh die Flora üppiger. Erst kniehohe Gebüsche, dann hüfthohes Nadelgehölz, bis wir schließlich eine

Ein Highlight der Tour war der Gros-Morne- Nationalpark

Vegetation vorfanden, die an die Bretagne oder Nordkalifornien erinnert. Saftige Wiesen, überzogen mit Dotterblumen, Margeriten und vereinzelt Lilien. Eine malerische Küstenlandschaft, die für den mühevollen Fußmarsch entschädigt.

 

Beeindruckende Landschaft: Der malerische Green Gardens Trail im Gros-Morne-Nationalpark

Anspruchsvolle Wandertour

Vor Tagen hatten wir uns mit Yvonne und Tobias am Water‘s Edge Campground verabredet, da die Campingplätze im Nationalpark ausnahmslos ausgebucht waren. Er liegt außerhalb, aber doch sehr nahe dem Startpunkt, an dem der Trail für die Tablelands beginnt. Die Überraschung war groß, als wir auch Bibi und Marc dort antrafen.

Gegen acht Uhr brachen wir am nächsten Morgen zu sechst vom Parkplatz auf. Die ersten 2,5 Kilometer waren Bettina und ich bereits vor ein paar Tagen gelaufen. Am Ende des ausgeschilderten Trails, auf der Holzplattform, begann der eigentliche Aufstieg – im wahrsten Sinne über Stock und Stein. Nur mithilfe von GPS, beziehungsweise einer Outdoor-App, fanden wir die ungefähre Route. Nach zwei weiteren Kilometern gab Tobias zu bedenken, dass das Gelände sehr anspruchsvoll sei und im Fall einer Verletzung nur ein Hubschrauber zur Rettung kommen könne. Wir beratschlagten, wogen ab und am Ende waren es Bibi, Bettina und ich, die den Trail zu Ende gehen wollten. Die anderen drei kehrten um. Der Aufstieg zog sich hin, denn es wurde nicht wirklich leichter und manche kurze Kletterpassage lag auf unserem Weg. Oben angekommen, wurden wir von Fliegen und Moskitos regelrecht umschwirrt. Auf dem Plateau, so hofften wir, würde es schneller und einfacher vorangehen. Leider stellte sich das als Trugschluss heraus. Die leicht abfallende Ebene war ebenfalls von Steinen, Felsen, Tümpeln und Bachläufen durchzogen. Doch die Aussicht entschädigte für die Strapazen. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Mit Glück fanden wir ab und an Steinmarkierungen, die die Orientierung etwas erleichterten. Wir waren gespannt, was uns beim Abstieg erwarten würde, auch der war nicht einfacher. Wir merkten, wie die Kräfte langsam schwanden. Nach fast acht Stunden hatten wir es geschafft. Wir waren stolz, aber auch sehr erschöpft und keiner von uns würde die Tour noch einmal gehen.

Nach drei wunderbaren Tagen ging es weiter. Yvonne und Tobias sowie Bibi und Marc wollten den Labrador Highway fahren, der inzwischen komplett geteert ist und aus unserer Sicht damit die letzte abenteuerliche Note verloren hat. Vor acht Jahren hatten wir ihn unter die Räder genommen und damals schon entschieden, ihn nicht noch einmal zu fahren, da wir die einzige über 1.000 Kilometer lange Hauptdurchgangsstraße Labradors als ziemlich eintönig empfunden hatten. Nach sechs Wochen und mehr als 3.500 Kilometern hieß es dann, Abschied von Neufundland nehmen, um mit der Fähre zurück nach Nova Scotia zu kommen.

 

Die kleine Stadt Salvage liegt nördlich vom Terra-Nova-Nationalpark

 

Papageientaucher bei Elliston

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