ON TOUR. OFF ROAD: REISEN. AUTOS. TECHNIK.

ON TOUR. OFF ROAD: REISEN. AUTOS. TECHNIK.

Leser unterwegs in Bhutan

Im Land des Donnerdrachens

Mercedes Sprinter W907 „Bertha“

Baujahr 2019

Motor 2,2 Liter, 120 kW

Verbrauch 11 Liter/100 km

Aufbau Woelcke

Schlafplätze 2

 

Ulrike & Wilhelm Wolf

Das Ehepaar Wolf genießt das Reisen mit ausgedehntem Zeitlimit. Bereits seit Ende der 70er-Jahre stand (mindestens) eine. mehrwöchige Reise pro Jahr auf dem Programm der Heidelberger. Aktuell sind sie auf dem Landweg nach Australien unterwegs und weiter in Richtung Osten um die Welt. Insgesamt sind dafür etwa fünf Jahre geplant. Anfang des Jahres führte sie ihr Weg in das buddhistische Königreich Bhutan, am Rand des Himalaya.

Alter 56 & 69 Jahre

Wohnort Heidelberg

Reiseregion Bhutan

Reisedauer 11 Tage

Reisestrecke 900 km

 

 

Ein halbes Jahr sind wir nun unterwegs, auf dem Landweg nach Australien. Es ist unsere erste Gruppenreise. Jetzt, nach fast drei Monaten Indien mit dem ganzen chaotischen Verkehr und dem alltäglichen lauten Trubel, freuen wir uns auf Bhutan.

Schon kurz nach der Einreise wähnen wir uns in einem komplett anderen Land. Kein Müll liegt mehr herum, die Verkehrsteilnehmer fahren bedächtiger, das Wasser und die Luft sind klar. Druk Yul, „Land des Donnerdrachens“, nennen die Bewohner ihren Staat mit rund 750.000 Einwohnern, der etwa die Größe der Schweiz hat und in dem der Buddhismus Staatsreligion ist. Der Aufenthalt ist teuer: Bei unserer Einreise im Januar 2023 fielen 40 US-Dollar Einreisegebühr an plus 200 US-Dollar SDF pro Tag, eine Gebühr für nachhaltige Entwicklung, sowie 4.500 Nu pro Nacht (etwa 32 Euro) für das Fahrzeug. Obendrauf kommen alle individuellen Kosten für Agentur, Führer, Übernachtungen und so weiter. Grundsätzlich erhält man eine Genehmigung nur für eine vorher organisierte Reise, die immer von einem lizensierten Führer begleitet werden muss. Reisemobile liegen nicht im Fokus der Verantwortlichen, sie passen nicht in das gewünschte Konzept eines durch die hohen Kosten regulierten und gehobenen Tourismus. Eine Genehmigung dafür ist schwer zu erhalten, wenn überhaupt.

Die eigentlich erforderliche technische Kontrolle des Fahrzeuges bei der Einreise bleibt uns erspart und so fahren wir noch am gleichen Tag recht kurvenreich auf und ab, aber mit recht wenig Verkehr nach Paro. Dort befindet sich auch der einzige internationale Flughafen des Landes, der nur sehr riskant, zwischen den Bergen durch, von entsprechend geschulten Piloten angeflogen werden kann.

Viele Buddhas, keine Ampeln

Der Besuch des buddhistischen Klosters Taktshang, „Tigernest“, dem touristischen Höhepunkt Bhutans, erfordert einen Aufstieg von gut 650 Metern, fast die Hälfte davon könnte man sich von Mulis tragen lassen. Ein Teehaus unterwegs bietet einen hervorragenden Blick auf das Ziel, guten Tee und Gebäck. Oben in 3.100 Meter Höhe kleben die Gebäude an einer steilen Felswand. Die letzten Meter dorthin sind abenteuerlich, aber mit Treppen und Geländer bestens ausgebaut. Von den Schäden, die ein schlimmer Brand 1998 im Kloster verursacht hat, ist nichts mehr zu sehen. Wir dürfen uns einige der mit prächtigen Gemälden und goldenen Statuen versehenen Gebetsräume ansehen, natürlich barfuß oder mit Socken. Von draußen hat man einen herrlichen Blick hinunter ins Tal.

In 3.100 Meter Höhe kleben die Gebäude an einer steilen Felswand

Thimphu heißt die Hauptstadt des Landes, knapp zwei Autostunden entfernt. Die einzige vierspurige Straße des Landes führt in die Stadt hinein. Hier regelt ein Verkehrspolizist, the dancing policeman, den Verkehr mitten auf der zentralen Kreuzung, Ampeln gibt es keine in ganz Bhutan.

Wir treffen den Sprecher der Nationalversammlung, Wngchuk Namgyel, zu einem Abendessen. Er erklärt uns, dass die Balance zwischen Wirtschaft und Spiritualität die Hauptaufgabe der Regierung sei. Das in der Verfassung festgeschriebene Bruttonationalglück steht über allem. Wirtschaftliche Entwicklung ist dadurch gleichgestellt mit Bildung, Kultur, Gesundheit und persönlicher Erleuchtung. Bhutan ist ein armes Land, eingeklemmt von den konkurrierenden Großmächten China und Indien. Als Haupteinnahmequellen für Devisen dienen Strom aus Wasserkraft, der nach Indien exportiert wird, und der Tourismus. Holz, im Überfluss vorhanden, wird nicht ins Ausland verkauft, da alle wirtschaftlichen Interessen dem Umwelt- und Naturschutz untergeordnet sind.

 

Die 54 Meter hohe goldene Statue des Buddha Dordenma ist eine der größten der Welt

 

Kleines Land mit hohen Bergen

Der Vater des jetzigen Königs hat 2008 die konstitutionelle Monarchie eingeführt. Die Königsfamilie ist im Land auf Plakaten, Fotos und Buttons omnipräsent. Die Meinung des beliebten und verehrten Königs wird nicht angezweifelt und auch von der Regierung geachtet.

Normalerweise tragen Frauen und Männer die landesübliche Tracht, auf den Straßen sehen wir aber auch viele Jugendliche in moderner westlicher Kleidung. Wir fragen uns, wie der unausweichliche Wandel aussehen wird und ob auch in Zukunft noch die gleichen Prioritäten gesetzt werden.

Hoch über der Stadt thront die 54 Meter hohe goldene Statue des Buddha Dordenma, eine der größten der Welt, davor ein riesiger Platz und nebenan ein neu gebautes Kloster. Im Sockel ist ein reich verzierter großer Gebetsraum untergebracht, an dessen Wänden Tausende kleine Buddha-Statuen stehen. Hinauf führt eine Straße, und von dort oben hat man eine schöne Sicht auf die Stadt und die Umgebung. Die gesamte Anlage, die um die 100 Millionen Dollar gekostet haben soll, steht für uns allerdings im Widerspruch zur buddhistischen Bescheidenheit und der Armut in diesem Land.

Weiter geht es zum Dochu-La-Pass auf 3.100 Meter Höhe mit Blick auf die schneebedeckten Berge des östlichen Himalaya. Gut zu sehen auch der höchste Berg Bhutans, der Gangkhar Puensum, mit 7.570 Metern zugleich der höchste unbestiegene Gipfel der Welt. Das Betreten von Bergen über 6.000 Meter ist verboten, da sie als Wohnort der Götter gelten und diese nicht gestört werden dürfen.

 

Dzong heißen buddhistische Klosterburgen wie diese. Sie dienen staatlichen und religiösen Zwecken

 

Der Blick auf die Berge Bhutans ist beeindruckend, bestiegen werden dürfen aber nur Gipfel unter 6.000 Meter Höhe

 

Mantras, Darts & Bogenschiessen

Die Straßen werden enger, zum großen Teil sind sie nur noch einspurig. Aber die wenigen Verkehrsteilnehmer fahren vorsichtig und geduldig. Wir erreichen Punakha und besuchen den dortigen Dzong, eine buddhistische Klosterburg, die gleichzeitig der staatlichen Administration und der Religion dient. Sie liegt imposant am Zusammenfluss der beiden Flüsse Pho Chhu (Vater-Fluss) und Mo Chhu (Mutter-Fluss) vor einer mächtigen Bergkulisse. Es ist eines der beeindruckensten und schönsten Gebäude des Landes. Im Kloster beginnt gerade eine Gebetsstunde der Mönche, wir dürfen wie selbstverständlich teilnehmen. Mantras werden rezitiert, begleitet von Gebetstrommeln und tieftönigen Gebetshörnern. Eine Zeremonie, die uns tief bewegt. Anschließend bekommen wir beide von einem unserer sehr sympathischen und kompetenten Guides anhand der Wandgemälde das Leben Buddhas von seiner Geburt an erklärt. Alle wichtigen Stationen sind detailreich in bunten Bildern festgehalten und somit auch für uns gut verständlich.

Immer wieder sehen wir Männer beim Bogenschießen, das Ziel in weit über 100 Metern Entfernung. Das ist der Nationalsport Bhutans. Ebenso ist Khuru (Dart) beliebt. Recht schwere, kurze Pfeile werden 15 bis 20 Meter weit ins Ziel geworfen. Bei Treffern wird laut gejubelt, gesungen und getanzt. Es wird fast immer um Geld gewettet. Auch auf stark verkürzter Entfernung zur Scheibe hat unsere Gruppe nur ein geschenktes  (?) Unentschieden gegen die heimischen Guides erreicht.

Das Bruttonationalglück ist in der Verfassung festgeschrieben

Auf dem Weg ins Dorf Ura übernachten wir allein in gut 3.100 Meter Höhe bei um die null Grad. Die Dieselheizung funktioniert auch ohne Höhenkit am Abend und Morgen problemlos. Kurz unterhalb des Passes Thrumshing La stellen wir unser Fahrzeug ab und wandern durch dichten Wald auf einem Forstweg hinauf zu einem kleinen Gipfel mit Sendemast in 4.010 Meter Höhe. Zwar gibt es ein paar ausgewiesene und interessante Treks im Land, aber andere Möglichkeiten, auf Berge zu wandern, gibt es kaum. Die Wälder, die eine enorme Artenvielfalt beherbergen, machen über zwei Drittel der Gesamtfläche Bhutans aus. Auch ihr Erhalt in dieser Größe ist in der Verfassung festgeschrieben. Zum ersten Mal sehen wir hier die schwarzen Riesenhörnchen, ähnlich unseren heimischen Eichhörnchen, aber mindestens doppelt so groß.

 

Schnell fahren? Eher nicht. Viele Straßen in Bhutan sind unbefestigt, kurvig oder gehen hoch und runter

 

Geschützter Raum für Flora & Fauna

Im Ort Jakar in der Region Bumthang weiden wie fast überall Bergkühe mit auffallend kantigem Schädel. Yaks und Maultiere sind besonders zahlreich. Bewohner aus den abgelegenen hohen Bergregionen verbringen hier unten mit ihren Tieren die Winterzeit. Hier kaufen wir leckere Momos, kleine Teigtaschen, die wir später in einer Suppe erwärmen und essen. Das Gemüse, mit dem sie gefüllt sind und das im ganzen Land an vielen Ständen neben der Straße und in Märkten angeboten wird, ist unbehandelt. Darauf sind die Einheimischen besonders stolz. Auch das bhutanische Bier aus heimischer Brauerei schmeckt richtig gut.

30 Prozent der Fläche Bhutans sind als Nationalpark ausgewiesen

Wir fahren hinunter nach Nganglam, das ganz nahe an der Grenze zu Indien liegt, machen dann aber noch einmal einen Abstecher nach Norden und streifen den Royal-Manas-Nationalpark, in dem unzählige seltene Pflanzen- und Tierarten beheimatet sind. Hier sind die Berge nicht so hoch und der Wald gleicht einem Dschungel, dicht bewachsen mit Eichen, Kiefern, Himalaya-Zedern, Pinienbäumen, Rhododendren, Wacholdersträuchern, Bambus, großen Farnen und Moosen. Generell sind 30 Prozent der Fläche Bhutans als Nationalparks und weitere 35 Prozent als Wildtier-Schutzgebiete ausgewiesen. Plötzlich hüpfen zwei große weiße Affen über die Straße und verschwinden im Gebüsch. Wir entdecken sie in den Baumkronen wieder, bei ihrer Familie genüsslich Blätter verzehrend. Es sind Languren.

Glücklich & entschleunigt: Danke, Bhutan

Viel zu schnell sind die zehn Tage um und wir bewegen uns wieder Richtung Indien. Überall im Land sahen wir Klöster, Schreine, Gebetsfahnen und wasserbetriebene Gebetsmühlen. Wir spürten, wie tief der Buddhismus in der Gesellschaft verwurzelt ist. Gefahren sind wir auf den wenigen Straßen, die für wenig Verkehr gebaut worden sind. Fast nur Kurven, kaum einmal ein gerades Stück, immer rauf und runter. Die sehr vielen Baustellen, notwendig wegen der Schäden durch Erd- und Felsrutsche, ließen nur langsames Fahren zu. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug nicht mehr als 20 Stundenkilometer. Kein Problem, denn man reist durch herrliche Natur und begegnet herzlichen Menschen.

Ist Bhutan das glücklichste Land der Welt? Nein, sagte uns Herr Namgyel, dazu sei man zu arm. Aber man strebe danach. Wir verlassen Bhutan mit ein wenig Wehmut und ein kleines bisschen glücklicher.

 

Buddhistische Mönche auf dem Weg zur Gebetsstunde im Kloster

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