Leser unterwegs in Lesotho – Das Königreich in den Bergen

Ihre Langzeitreise führt sie nach Lesotho - Michaela und Michael reisen durch eine scheinbar ganz andere Welt. Sie berichten

Lesotho
Innehalten und das Königreich ­zwischen den Wolken bestaunen

Michaela Schwarz & Michael Griebert

Michaela und Michael sind seit 2012 immer wieder auf Langzeitreisen mit dem eigenen Fahrzeug. Nach ihren ersten beiden langen Touren durch Südamerika, über die Arabische Halbinsel und entlang der Seidenstraße leben sie seit März 2021 komplett in ihrem Land Rover Defender und sind seit Juni 2021 im südlichen Afrika unterwegs. Ihr Ziel ist es, die Ostküste Afrikas so weit wie möglich nach Norden zu befahren und über den Landweg zurück nach Europa zu kommen.

Lesotho

Alter: 41 & 40 Jahre
Wohnort: im Land Rover Defender
Reiseregion: Lesotho
Reisedauer: 9 Tage
Reisestrecke: 900 Kilometer
Website: www.the-michaels.com

Land Rover Defender, Ausbau mit Kabine

Lesotho

Baujahr: 1998
Motor: 115 PS
Verbrauch: 13 l/100 km (Diesel)
Aufbau: Kabine (selbst modifiziert)
Schlafplätze: 2

 


 

Es ist der letzte Abend des Jahres 2021. Vor 285 Tagen sind wir in Deutschland zu unserer Langzeitreise 3.0 aufgebrochen. Nun befinden wir uns im kleinen ­Königreich Lesotho, einer Enklave ­innerhalb der Republik Südafrika. Seit Juni machen wir mit unserem Land ­Rover Defender samt Wohnkabine das südliche Afrika unsicher. Wahnsinn, was wir in dieser Zeit alles erlebt haben und wie schnell die Zeit doch tatsächlich vergeht. Obwohl hier in Lesotho eigentlich Sommer ist, bewegt sich das Thermometer nur auf knapp über 20 Grad. Eine willkommene Abkühlung nach den letzten Wochen und Monaten im heißen Klima von Namibia, Botswana und Südafrika.

Viele Fragezeichen: Reisen in der Pandemie

Unser Silvesterabend wird geruhsam werden. Während es sich einige Gäste der Lodge, bei der wir als einzige Camper anwesend sind, im Restaurant gemütlich machen, bevorzugen wir die Einsamkeit unseres BBQ am Landy neben dem Fluss. Der Jahreswechsel muss für uns nichts Besonderes sein, haben wir doch bereits auf unserer Reise so viel Außergewöhnliches erleben dürfen.

Am Lagerfeuer reflektieren wir das vergangene Jahr. Das Reisen in Zeiten der Pandemie ist nicht immer einfach und teils natürlich anders als auf unseren vergangenen Langzeitreisen. Die Entscheidung, mitten in dieser schwierigen Zeit wieder loszuziehen, fiel uns nicht leicht. Doch wir hatten den ursprünglichen Abfahrtstermin der lang geplanten Afrika­reise, im Herbst 2020, schon einmal wegen der Corona-Lage auf 2021 verschoben. Ihn noch einmal zu vertagen, kam für uns nicht infrage. Trotz Unsicherheiten wie: Ist es ein großes Risiko, jetzt unterwegs zu sein? Wie wird sich die pandemische Lage weiter verändern? Was, wenn einer von uns beiden krank wird?

„Sweets, sweets, some sweets“, rufen uns die Kinder von allen ­Seiten entgegen

Ein grünes Königreich in den Wolken

Doch unser Resümee zum Jahresende fiel durchweg positiv aus. Wir trafen nicht, wie befürchtet, auf Grenzschließungen und außer der notwendigen PCR-Tests merkte man unterwegs nicht viel von der veränderten Welt. Das südliche Afrika zeigte sich uns von seiner besten Seite und wir freuten uns darüber, eine solch schöne Reise unternehmen zu können.

 

Lesotho
Vier Beine statt 4×4-Antrieb: In Lesotho transportieren Esel Lasten – und mitunter auch Menschen

 

Nun also Lesotho. Vor einem Tag erst angekommen, gefiel uns das, was wir in den wenigen Stunden hier gesehen hatten, bereits richtig gut. Lesotho ist grün, bergig und liegt buchstäblich ein bisschen in den Wolken. Das Bild ist geprägt von Hirten, die mit Wolldecken behangen und auf Pferden reitend ihre Tiere vorantreiben. Die saftig grünen Berge und Hügel sind teils terrassenartig mit Mais und anderen Getreidesorten bebaut. Kinder spielen auf den Straßen, manche winken. Werden wir als Touristen erkannt, gibt es für sie kein Halten mehr: „Sweets, sweets, some sweets“-Rufe erschallen von allen Seiten. Nur die einheimischen Erwachsenen können wir noch nicht ganz einschätzen. Sie werfen uns, neben der Straße laufend, eher skeptische Blicke zu.

Am nächsten Tag verlassen wir unseren Stellplatz am Fluss und fahren weiter. Zu aufgeregt sind wir, das Land zu erkunden. Nach sechs Monaten in Südafrika, Namibia und Botswana bin ich neugierig, ob Lesotho wohl ein Teil des „richtigen“ Afrika ist, von dem uns immer wieder eingefleischte Afrika-Overlander berichteten. „Südafrika und Namibia – das ist nicht Afrika“, hatte uns zum Beispiel ein Reisender mit Lkw gesagt, den wir vor einigen Monaten unterwegs getroffen hatten. „Diese Länder spiegeln den Kontinent nicht, wie er wirklich ist.“

Durch Schlamm & über Buckelpisten

Wir machen uns gespannt auf zu einer der Top-Sehenswürdigkeiten des Landes: dem Maletsunyane-Wasserfall. Doch dazu müssen wir von der Lodge aus erst einen Hügel hinauf ins Dorf. Die Regenfälle der letzten Nacht haben die Erdstraßen in Schlammfelder verwandelt. Überall waten Menschen durch den Dreck, um Besorgungen in den kleinen Geschäften zu machen oder in ein Kollektivtaxi zu steigen. Wie schon in der Hauptstadt Maseru, an deren Grenze wir das Land betreten haben, reihen sich die in Blechbuden errichteten Geschäfte wie Perlen auf einer Kette aneinander. Nur langsam geht es zurück zur geteerten Straße, die uns ein Stück näher zum Wasserfall bringen wird. Doch die Freude über die ebene Straße währt nicht lange. Hinter der nächsten Abbiegung wartet schon die nächste Buckelpiste auf uns. Im Kriechgang geht es über Schlaglöcher und durch Pfützen, vorbei an einem im Matsch stecken gebliebenen Lastwagen, an kleinen Orten und Weidevieh. Uns fällt auf, dass die Orte hier, von den vorher genannten Geschäften abgesehen, vor­wiegend aus kleinen Rundhütten mit Strohdächern bestehen. In den vor allem aus den Townships in Südafrika bekannten Blechhäuschen wohnt hier so gut wie niemand.

 

Lesotho
In Lesotho leben die Menschen vorwiegend in kleinen Rundhütten. Die für Südafrika typischen Blechhäuschen gibt es kaum

 

Am Wasserfall angekommen sind wir die einzigen ausländischen Touristen. Wir sind beeindruckt, dass die wenigen einheimischen Besucher aus der Hauptstadt die holprige Strecke dorthin mit ihren 4×2-Gefährten ebenfalls gemeistert haben – und haben gleichzeitig ein wenig Mitleid mit den geschundenen Fahrzeugen. Noch ein paar Meter zu Fuß bergab, dann liegt der beeindruckende Wasserfall in seiner vollen Pracht vor uns. Ursprünglich nicht auf unserer geplanten Route gelegen, hat sich der Abstecher dorthin vollends gelohnt.

 

Lesotho
Der Maletsunyane-Wasserfall ist beeindruckend – und für Reisende einen Abstecher wert

 

Tourismus gibt es kaum. Stehplätze auch nicht

Die kommenden Tage verbringen wir damit, das Land zu erkunden. Reisende treffen wir dabei fast keine. Wie immer wieder auf unserer Reise bemerken wir auch hier die Auswirkungen der Pandemie auf den Tourismus. Vor allem seit dem Auftreten der Omikron-Variante waren die ohnehin nur langsam wieder steigenden Touristenzahlen schlagartig erneut abgesackt und nun fast bei null. Wir sind trotzdem unterwegs. Was sollen wir auch anderes tun? Für uns ist Reisen ein Lebensmodell: in der Welt unterwegs sein, tagsüber draußen leben, nachts drinnen auf vier Quadratmetern schlafen.

Ein paar Meter zu Fuß und der Wasserfall liegt vor uns

Apropos schlafen: Einen Schlafplatz zu finden, war in Lesotho nicht immer ganz einfach. Campingplätze gibt es nicht. Viele Lodges waren geschlossen, wurden renoviert oder verboten das Campen auf ihrem Parkplatz. In den Bergen lassen sich nur schwer abgelegene Orte zum Wildcampen finden. Auf der Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz steuern wir einige Tage später ein Guesthouse mit angeschlossener Klinik, oder besser: Missionarsstation an, vor dem auch schon andere Reisende auf dem Parkplatz stehen durften. Ich weiß nicht genau warum, aber mich beschlich ein ungutes Gefühl. Wir passieren die Schranke auf das Gelände des Guesthouses, auf dem Parkplatz eine weinende Frau, ein offener Krankentransporter und darin – ein lebloser Körper, eingehüllt in durchsichtiges Plastik. ­„Meiky!!! Da liegt eine Leiche drin“, rufe ich geschockt und dränge ihn dazu, zu wenden. Hier kann ich nicht bleiben!

 

Lesotho
Der Sanipass ist die höchste Passstraße Südafrikas

 

Während der wenigen Sekunden Fahrtzeit zurück zur Schranke schießen mir Tausend Gedanken durch den Kopf. Was ist der Person passiert? Wieso konnte ihr nicht geholfen werden? Ich denke an die traurige Frau auf dem Parkplatz vor der Klinik, der eine andere liebevoll über den Rücken gestrichen hatte. War es ihr Angehöriger, der da lag? Meinen das die eingefleischten Afrikareisenden mit dem „echten Afrika“? Ich schaudere, obwohl mir bewusst war, dass der Tod hier ein viel gegenwärtigeres Thema ist als in Europa. Overlanding kann manchmal auch grausam sein. Wir bewegen uns nicht in der Scheinwelt eines Urlaubs mit Schirmchendrink im Resort, denke ich. Doch, weiß Gott, sind wir auch noch weit entfernt von der tatsächlichen Realität der teils sehr armen Menschen vor Ort.

 

Lesotho
Sattes Grün und atemberaubende Landschaften erwarten Reisende in Lesotho

 

Wenn Reisen zum Hoffnungsträger wird

Ein paar Tage später sitzen wir im höchsten Pub Afrikas, kurz vor dem Abstieg über den spektakulären Sanipass hinunter nach Südafrika. Unsere Zeit in Lesotho war schön, aber auch anstrengend. Ich denke darüber nach, dass man auf Reisen nicht immer das erlebt, womit man rechnet, oder was man vielleicht gerne erleben möchte. Dennoch zeigt uns die Reise in vielerlei Hinsicht, dass wir das Richtige tun.

„Wir bewegen uns nicht in einer Scheinwelt, aber weit entfernt von der Realität“

So freuen sich die Menschen im südlichen Afrika, Touristen und Reisende zu sehen. Wir geben ihnen Hoffnung, sagen sie. Hoffnung auf weitere Reisende und Touristen. Der Tourismus ist vielerorts durch die Pandemie am Boden. Menschen, die von ihm leben und auf Reisende angewiesen sind, müssen starke Umsatzeinbußen verkraften. Viele Vorteile, von denen wir unterwegs profitieren, wie menschenleere Touristenattraktionen und einsame Campingplätze, sind für sie eine Katastrophe. Vielen ist das Einkommen ganz weggebrochen. Ob der Staat dies in dem Maße abfängt wie in Deutschland ist mehr als fraglich. Nachdenklich fahren wir den Sanipass hinunter. Unten angekommen wartet Südafrika auf uns – und ein Corona-Schnelltest.

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