Was haben wir uns alles angeschaut. Worüber haben wir uns den Kopf zerbrochen. Größe, Umbauideen, geplante Touren, mögliche Geschichten, Projektkosten. Ganz klar, ein Redaktionsmobil muss einige Zwecke erfüllen, da müssen Bauch und Herz mal eine Sekunde ignoriert werden. Aber am Ende hat es dann doch nicht ohne die Spur Gefühl funktioniert.
Eine Feuerwehr hätte es eigentlich werden sollen. Kurzhauber, bildhübscher, originaler Ziegler-Aufbau, guter Zustand, „vom Fachbetrieb restauriert“. Klang gut. Die Wirklichkeit war ernüchternd, die Probefahrt führte bis zur nächsten Kreuzung, da blieb der rostig-rote 1113er schon liegen. Drei Jahre stand der Wagen unbewegt auf dem Hof, so richtig gut beieinander war da nicht mehr viel. Schade – den Fotos nach war es Liebe auf den ersten Blick.
Also ging die Suche weiter, wurde das Suchraster etwas anders gesteckt. Und plötzlich ging alles ganz schnell. Eine Kleinanzeige, ein Telefonat – 24 Stunden später nahm Volontärin Yara Struve den inserierten Volvo bereits in Augenschein und auseinander. Kein Respekt vor dem Alter, schließlich ist der kleine Dreiachser 13 Jahre älter als sie. „Wunderschön“, kabelt sie in die Redaktion, ist begeistert von Zustand und Motorlauf. Nach vier Jahren Standzeit ist zwar eine Bremse fest, aber alles andere sei in Top-Verfassung. Und dass der Verkäufer sich als EXPLORER-Abonnent herausstellt, ist eine zusätzliche nette Überraschung.
Zwei Wochen später steht die Überführung an, der kleine Lkw röhrt und brummt sich ohne besondere Vorkommnisse bis in seine neue Heimat, an 20 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer muss man sich aber noch gewöhnen. Nicht so an die Existenz von „Cnut“, wie der Volvo, Modellcode C304, fortan heißen wird: jeder, der ihn sieht oder bewegt, schließt den alten Schweden direkt in sein Herz, selbst der Vermieter unserer Scheunen-Werkstatt erfreut sich am „Offroad-Lkw im Maßstab 1:2“. Bis aber aus Cnut ein echter Offroad-Camper wird, werden noch ein paar Wochen und Monate vergehen. Dämmung, Möbelbau, Elektrik, Wasserversorgung und viele Themen mehr, werden wir in seinem Kofferaufbau durchdeklinieren und für zahlreiche „Werkstatt“-Themen im Heft aufarbeiten. Und 2020, zur 22. Abenteuer & Allrad, kann Cnut dann auch bei den Messebesuchern seinen Charme spielen lassen.
Die Basis
Drei Tonnen Leergewicht, drei Meter Innenlänge, drei Liter Hubraum, drei Achsen: ein Lkw im Miniformat, der im Gelände keine Grenzen kennt
Eigentlich ist es eine schöne Kehrtwende, dass wir heute friedlich die Welt erkunden, mit Fahrzeugen, die einzig für kriegerische Auseinandersetzungen entwickelt wurden. Die Volvo C300-Serie, Militärname TGBil („Terrängbil“, Geländeauto) hat dahingehend keine andere Historie. Sie wurde in den 1970er-Jahren dafür konstruiert, an Schwedens Ostgrenze zu patrouillieren, egal ob bei Schnee und Eis oder auf schlammigem Permafrostboden. Auf drei Bauarten verteilt, entstanden annähernd 9.000 Fahrzeuge, als Zwei- und Dreiachser, mit Kabinenaufbauten oder als Kastenwagen, Pritsche oder offener „Panzerjäger“. Der C304, mit drei Achsen und einem abnehmbaren Kofferaufbau, ist unter seinen Geschwistern der wohl reisetauglichste Kompromiss, bietet eine Grundfläche von fast sechs Quadratmetern und annähernd Stehhöhe.
Dass der C304 dennoch nicht zum Standard im Offroad-Reisemobilsegment wurde, liegt vor allem an seinem Antriebstrang. Die Kraft, um sechs Räder anzutreiben, stammt aus einem drei Liter großen Sechszylinder-Benzinmotor mit Doppelvergaser, der nicht nur durstig ist, sondern auch nach Bleiersatz im Sprit verlangt. Zarte 206 Newtonmeter Drehmoment leitet dann ein Viergang-Getriebe an das hintere Achsenpaar weiter, die Vorderachse kommt auf Knopfdruck dazu. Sind dann die Achsdifferentiale gesperrt, gibt es dank Portalachsen, großer Reifenaufstandsfläche und extrem kurzem Radstand (Achse 1 bis Achse 2: 2,3 Meter) kein Halten mehr – solange man das kleine Lenkrad gut im Griff hat, Servolenkung bietet der Volvo nicht.
115 PS sind für einen Viertonner nicht üppig, reichen aber für Reisen aus
Es knacken und knallen die Blattfedern, es rumpelt und poltert, jenseits der 60 Stundenkilometer ist Gehörschutz ratsam. So ist das mit der Liebe, manchmal muss man eben Kompromisse eingehen. An einem Sommertag mit aufgeklappter Frontscheibe durchs Land zu rollen, ist dagegen ein Spaß, den einem keiner nehmen kann – und sorgt in heißen Ländern für perfekte Klimatisierung.
Halboptimal ist auch der Aufbau: Die Kombination aus Stahl-Fachwerk, Alu-Beplankung und einem aufgenieteten Komposit-Dach aus Sperrholz und Aluminium sorgt dafür, dass heute kaum noch ein Kofferaufbau wirklich dicht ist. Gerade im unteren Bereich des Fachwerkes gibt es immer wieder Rostschäden, da ist auch Cnut keine Ausnahme. Hätte der Wagen nicht die vergangenen Jahre immer trocken in Hallen gestanden – die Substanz wäre nun deutlich schlechter, auch trotz dem schon ab Werk literweise vergossenen Wachs und Fett.
Überraschend kommod ist es auf Fahrer- und Beifahrersitz. Könnte man denken, dass der Wagen aufgrund seiner geringen Breite kein unverkrampftes Reisen erlaubt, wird man schnell eines Besseren belehrt – sogar die simplen Sitze erweisen sich als überraschend bequem, selbst auf längeren Fahrten. Der Stauraum im Cockpit reicht, um noch ein bisschen Proviant zu bunkern und eine Landkarte auszubreiten, die Kopffreiheit genügt, der Rundumblick ist top.
2,9 Tonnen wiegt das entkernte Terrängbil mit Rettungswagen-Aufbau, wer sich einen 3,5-Tonner erhofft, sollte das Träumen einstellen. Immerhin: Dank der drei Achsen verteilt sich die Last auf sechs Räder, während andere Fünftonner oft an der Belastbarkeitsgrenze ihrer Reifen fahren. Schade nur, dass die originale 16-Zoll-Felge nur eine Maulweite von 6,5 Zoll bietet, und damit für die meisten modernen Reifen zu schmal ist. Umrüsten ist angesagt.
Überraschend positiv: die Ersatzteilversorgung. Auch wenn die Fahrzeuge mittlerweile nicht mehr im aktiven Dienst sind, haben sie jedoch europaweit eine große Fangemeinde und einen funktionierenden Teilepool in Skandinavien. Für einen 40 Jahre alten Exoten ist es keine Selbstverständlichkeit, mit wenigen Mausklicks Ersatz- und Verschleißteile zu fairen Preisen bestellen zu können. Mit der Zulassung als Oldtimer entpuppt sich der Dreiachser als überraschend günstiges Mobil im Unterhalt. Außer an der Tankstelle.
Volvo TGB 1314, „Cnut“
Baujahr: 1979
Motor: 3 Liter Benzin, 115 PS
Allrad: zuschaltbar, untersetzt
Kabine: Stahl-Skelett-Bauweise
Außenmaß: 5,35 x 1,90 x 2,70 Meter
Innenmaß: 3,43 x 1,75 x 1,65 Meter
Schlafplätze: 2, geplant
Leergewicht: 2.980 kg, leer
Gesamtgewicht: 4.500 kg
Der Plan
Längsbett, Dinette und Duschtasse im Eingang – der alte Koffer bekommt einen praktischen Grundriss für zwei Personen, mit viel Stauraum im Heck. Und Kaminofen an der Front
Will man in ein bestehendes Korsett einen Ausbau implantieren, ist es die schwerste Aufgabe, einen passenden Grundriss zu entwickeln. Einen Kompromiss zu finden aus den eigenen Wünschen und den Grenzen, die der Shelter einem auferlegt, kombiniert mit konstruktionellen Besonderheiten und unerwarteten Vorteilen – das war auch bei Cnut kein leichter Prozess.
Der Bedarf ist schnell formuliert: bequeme Sitzgelegenheiten für zwei Personen, ein Bett mit zwei Metern Länge, Küche mit fest montiertem Gaskocher, die Möglichkeit, im Innenraum zu duschen, Stehhöhe, Wintertauglichkeit, Staukapazität für eine zweimonatige Reise, auf dem Dach Platz für ein Kanu. Schließlich soll der im Volksmund auch als Lappländer bekannte Volvo eines Tages auch wieder durch seine skandinavische Heimat rollen.
Die Umsetzung dieser Wünsche wird nicht ganz so leicht: Der Stahlrohrrahmen provoziert Kältebrücken, Stehhöhe ist nur mit einem Aufstelldach machbar, was wiederum mit der Wintertauglichkeit und dem Kanuträger über Kreuz liegt, das Zwei-Meter-Bett würde, längs verbaut, mehr als 50 Prozent des Innenraumes schlucken. Und eine abgeschlossene Nasszelle ist in diesem Format ohnehin nicht sinnvoll umsetzbar.
Holzdach ab, Klappdach drauf – das größte Projekt im Umbauplan von „Cnut“
Wichtige Grundregel bei kleinen Fahrzeugen: keine Experimente! So basiert die Innenaufteilung auf einem Konzept, das sich schon länger in verschiedenen Mobilen bewährt hat, angepasst auf die Maße und Vorgaben des Volvo-Koffers. Allen voran das Bett: Erst ausgezogen streckt es sich auf zwei Meter, tagsüber nimmt es nur einen Meter Tiefe ein. Will noch jemand wach bleiben: Tisch und vordere Sitzbank bleiben zugänglich, genauso der Weg zur Tür. Nur die Küche, sie liegt auf der Beifahrerseite unter einer Klappe, ist dann geschlossen und trägt die Bettplatte.
Eine Warmwasserheizung mit Konvektoren an allen vier Wänden soll für eine gleichmäßige und stabile Wärme sorgen, der Koffer wird in zwei Lagen rundum gedämmt, das elektrisch klappbare Aufstelldach erhält einen Sturm- und Wintermodus, bei dem die Klappe nur 30 Zentimeter angehoben wird, um aufrecht am Herd stehen zu können. Für ein Plus an Behaglichkeit soll dann auch ein kleiner Holzofen sorgen, der an der Stirnwand des Aufbaus einen Platz findet – die im Eingangsbereich platzierte Edelstahl-Duschtasse erfüllt, neben ihrer Funktion als Wanne und Dreckschleuse, gleichzeitig auch die Funktion als Funkenfänger, sollte beim Nachlegen einmal Asche aus dem Ofen fallen.
Eine Crux: der Stauraum. Durch die Radkästen und Einschnürungen rund um den Motor bietet der Koffer nur wenig Platz, je eine Sitztruhe mit 160 Litern Volumen muss pro Mitreisendem genügen, im Heck gibt es noch ein paar offene Ablagen für Kleinigkeiten. Küchenutensilien und Vorräte müssen auf 180 Litern Schrankraum unterkommen, dazu ist ein Kühlschrank mit 80 Litern geplant.
Die Tatsache, dass die Technik gesammelt im Heck unterkommt, Batterien stehen unterhalb der Sitzgruppe, im von außen zugänglichen Staukasten, erlaubt zum einen, dass der gesamte Innenraum verfügbar ist, zum anderen, dass Kabel und Leitungswege sehr kurz gehalten werden können. Über die Hecktür erreicht man zukünftig den Technik- und Außenstauraum, der Platz für übliche Campingausrüstung bietet. Der Frischwassertank (direkt oberhalb der Achsen platziert) liegt innen und kann entweder per Druckwasserpumpe angezapft werden oder über eine Fußpumpe, die gefiltertes Trinkwasser bereitstellt.
Klingt alles gut – in der Theorie. In den kommenden Wochen und Monaten gilt es nun, aus diesen Plänen ein echtes Mobil entstehen zu lassen. Wie bei DIY-Projekten üblich, werden Überraschungen nicht auf sich warten lassen, aber wir schauen gespannt in die Zukunft. Packen wir es an!
Bei diesem Bauprojekt wird der EXPLORER in Teilbereichen materiell unterstützt, wir freuen uns, dass wir die Firmen Reimo und Outbound für „Cnut“ begeistern konnten. Durch das Bereitstellen von Komponenten ist es uns als Redaktion möglich, Projekte dieser Größenordnung umzusetzen, Arbeitsschritte kennenzulernen und zu dokumentieren, um sie Ihnen näherbringen zu können. Die Auswahl der eingesetzten Produkte liegt dabei in den Händen der Redaktion und ist an keine produktbezogene Berichterstattung gebunden. Werkstatt-Beiträge, bei denen wir auf diese Materialien zurückgreifen, werden wir kennzeichnen.