Hans Vollmeyer lebt in Graz und betreibt eine Tierarztpraxis. Doch statt in seiner Freizeit einem Hobby nachzugehen, sammelt er Hilfsgüter, die er jährlich zur Weihnachtszeit mit einer Gruppe Ehrenamtlicher in Reisemobilen nach Albanien, in die Gemeinde Poroçan, fährt. Im Interview erklärt er dem EXPLORER, was ihn dazu motiviert und warum Allradantrieb für diese Aktion notwendig ist.
Sie sind gerade von der Hilfstour aus Albanien zurückgekehrt. Fahren Sie häufig dorthin?
Vollmeyer: Normalerweise fahren wir einmal jährlich Ende November in die Gemeinde Poroçan. Dieses Jahr sind so viele Hilfsgüter zusammengekommen, dass wir sie aufgeteilt haben: Ende Oktober brachten wir Familienpakete mit Kleidung und Ausstattung für die Schule wie Computer, Drucker, Overheadprojektor und auch Musikinstrumente dorthin. Solche Dinge haben die Schulen dort nicht, weil schlicht das Budget fehlt. Für die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ fahren wir in diesem Jahr ausnahmsweise ein zweites Mal, denn die Aktion ist enorm gewachsen. Diese Tour fahren wir dann aber nur mit drei Fahrzeugen, zwei Pinzgauern und einem Steyr 12M18.
An der Hilfstour nehmen Sie schon einige Jahre Teil. Was war damals der Auslöser?
Angefangen hat es für mich 2010, damals noch über den Christlichen Hilfsverein Wismar (CHW). Über einen befreundeten Offroad-Fahrer bin ich das erste Mal mit runtergefahren, zu dem Zeitpunkt noch mit einem Pinzgauer, mit dem wir Schulmöbel, Kleidung und Lebensmittel transportierten.
Nun laufen die Hilfsaktionen des CHW und von Hans Vollmeyer parallel. Der CHW übernimmt das Gebiet östlich des Mokra-Gebirges, Hans Vollmeyer verteilt die Spenden mit seinem Team im kleineren westlichen Teil. Dem CHW fehlten die Ressourcen, weshalb sich Hans Vollmeyer nach vier Jahren dazu entschied, die Verteilung in Poroçan zu übernehmen.
Also sind Sie damals über das Offroad-Fahren auf die Idee gekommen?
Genau. Dort kann man nur mit Fahrzeugen hinkommen, die wirklich hochgeländegängig sind. Die -unterste Grenze für die Bodenfreiheit liegt bei 30 Zentimetern. Die Zufahrt zum nahegelegenen Holtas verläuft zwei Kilometer durchs Flussbett, dort gibt es keine Straßen. Danach führt über einen Berg aber wieder ein besser befahrbarer Weg.
„Das Spendenaufkommen war dieses Jahr so hoch, dass wir 1.620 Bananenschachteln mit Kleidung nach Poroçan brachten“
Natürlich sind wir ganz stolz, wenn wir mit unseren Allradfahrzeugen eine unbekannte, schwierige Piste bezwingen – sei es dort, in Rumänien, oder der Ukraine. Doch kaum erreicht man die Spitze des Berges, steht dort oben schon der Schäfer mit seinem alten Golf. Der Golf müsste eigentlich zehnmal auseinandergefallen sein, bis er dort angekommen ist! Doch ich denke, das Geheimnis liegt darin, dass die Schäfer wissen, wie der Weg aussieht und sie können sich nach dem Wetter richten. Wenn es längere Zeit trocken war, dann fahren sie. Aber das größte Geheimnis ist wohl, dass sie diese Strecken gewohnt sind und sehr gut fahren können. Das bremst natürlich etwas den eigenen Stolz, wenn man sich eben noch mit größter Mühe und eingeschalteten Sperren hinaufgekämpft hat.
Was motiviert Sie, die Aktion jedes Jahr zu organisieren und durchzuführen?
In einem Jahr war es bereits sehr kalt, es lag sogar Schnee. Wir kamen in Poroçan an, warm eingepackt in dicke Jacken, und sahen, wie Kinder dünn bekleidet in Pantoffeln über die Straße liefen. Hier werden die Spenden benötigt. Bei dieser Hilfstour weiß ich, an wen sie gehen, weil man mit den Leuten in Kontakt kommt. Für uns macht gerade das den Charme dieser Aktion aus, da wir selbst verteilen – die Freude der Albaner motiviert.
Wie bekommen Sie die Hilfsgüter?
Das ist relativ einfach. Bei mir in der Praxis werden laufend Spenden vorbeigebracht, die Leute wissen bereits über die Aktion Bescheid. Außerdem bekommen wir von der Diözese in Linz die Dinge, die auf Flohmärkten übrig bleiben – ansonsten werden sie entsorgt. In unserer Überflussgesellschaft bleibt sehr viel übrig, meist ist es Kleidung, was natürlich für die -Aktion gut passt. Für uns muss es auch nicht topmodisch sein, im Gegenteil – je strapazierfähiger, desto besser.

Bei so vielen Spenden fangen Sie sicherlich auch schon wieder früh an zu organisieren. Erfordert das eine lange Vorlaufzeit?
Mittlerweile habe ich so viele Sachen, damit könnte ich locker zwei Dörfer beliefern. Die Spenden kann ich zum Glück im ersten Stock der Scheune meines Nachbarn lagern. Das Spendenaufkommen war dieses Jahr sehr hoch, weshalb wir 1.620 Bananenschachteln mit Kleidung nach Poroçan bringen konnten. Das entspricht drei Schachteln für jede Familie. Im Normalfall habe ich mit der Organisation nach Silvester wieder angefangen. Nun muss ich schauen, wie wir den Ablauf beim Zoll auf eine Ebene bringen, die funktioniert. Wenn das geklärt ist, fangen wir ab März an, die ersten Schachteln mit Bekleidung zu packen.
Nach Poroçan fahren Sie immer in Begleitung, zumal mehrere Fahrzeuge natürlich mehr transportieren können. Wie viele Ehrenamtliche kommen mit?
Vor drei Jahren waren wir noch mit sechs Autos unterwegs, in diesem Jahr sogar mit 16, darunter einige Pinzgauer und Steyr sowie ein Kat A1A. Die meisten Teilnehmer lerne ich über Allradfahrzeug-Foren kennen. Die Fahrzeuge laden wir so voll, dass man immer noch darin schlafen kann – die Erfahrung zeigte, dass eine Nacht in der Fahrerkabine doch recht frisch werden kann. Manche der Fahrzeuge erreichen voll beladen sogar 15 Tonnen, mit dabei hatten wir dieses Jahr sieben Anhänger. Ich selbst fahre beispielsweise mit einem Anhänger, in dem ich 140 Päckchen transpor tiere und im Steyr weitere 60 bis 80. Manch anderer spannt zusätzlich eine Plane über das Fahrzeug und nimmt 150 bis 200 Pakete mit. Nächstes Mal werden wir aber nicht mehr drei Schachteln pro Familie abgeben – das ist einfach zu viel. Auch mit 16 Fahrzeugen nach Albanien zu fahren, ist ein zu großer organisatorischer Aufwand.

Die Diakonie und die Caritas in Albanien dürfen die Spenden annehmen. Sie stellen Hans Vollmeyer und seinem Team eine Schenkungsurkunde aus, was bisher bei der Einfuhr kein Problem war. Doch in diesem Jahr gab es beim Zoll große Schwierigkeiten, die Gruppe sollte über die Lkw-Abfertigung ins Land gelassen
werden, was sie insgesamt zweieinhalb Tage kostete.
Sicherlich sind Sie einige Tage unterwegs. Wie sieht die zeitliche Gestaltung aus?
Die ersten Tage sind immer recht hektisch. Wir starten von Graz aus, manche haben eine noch längere Anreise. Für den Hinweg berechnen wir immer etwa 30 Stunden Fahrzeit, dabei versuchen wir, möglichst viel Strecke zu schaffen und mit möglichst wenig Schlaf auszukommen. Auf der Strecke haben wir bereits zwei sehr gute Restaurants für uns ausmachen können. Die Tage darauf werden etwas entspannter. Wir beliefern vier Dörfer der Gemeinde Poroçan und verteilen dort jeweils zwei bis drei Tage lang die Spenden. In den Ortschaften übernachten wir in unseren Wohnkabinen auf den Schulhöfen.

Ganz schön eilig – bleibt dann noch Zeit für Erholung?
Für die letzte Reise waren wir 16 Tage unterwegs, was unter anderem an dem langen Aufenthalt beim Zoll lag. Nachdem wir alle Pakete in den Dörfern abgegeben haben, fahren wir meist noch ins Gelände, die Landschaft ist traumhaft. Dann suchen wir uns auch bereits 45 Minuten bevor es dunkel wird einen Schlafplatz. Meist kocht dann jeder für sich und abends sitzen wir alle zusammen. Manche fahren im Anschluss weiter nach Griechenland, die meisten zieht es wieder nach Hause – schließlich nehmen sie sich für die zwei Wochen Urlaub, die Arbeit ruft. Zu der freien Zeit kommen auch noch die Kosten für den Kraftstoff, schließlich zahlt die jeder selbst. Ohne die Geländefahrten komme ich auf 750 Liter Kraftstoff, im Gelände verbraucht mein Steyr allein schon einen Liter pro Kilometer. Insgesamt kommen so für die 3.000 Kilometer Strecke etwa 1.000 Euro zusammen. Doch der Fahrer des Kat musste noch einmal 600 Euro drauflegen.
Hans Vollmeyer reist seit Anfang 2016 mit einem Steyr 12M18. Zuvor fuhr er jahrelang mit einem Steyr 680, doch nun schätzt er den Komfort einer größeren Kabine. Neben Albanien möchte Vollmeyer zukünftig Rumänien, die Ukraine und Marokko bereisen.
Läuft denn während der Tour alles nach Plan?
Nicht immer – einmal ist ein Pinzgauer umgefallen. Die Straße war an dieser Stelle zum Glück doppelt so breit, sodass wir ihn wieder aufrichten konnten. Er hat wahrscheinlich eine Spurrille ungünstig getroffen. Hinzu kann die Müdigkeit gekommen sein – auf dieser Strecke muss man sich von Anfang bis Ende konzentrieren. Es sieht dort aus wie in einem riesigen Schotterwerk.
„In Montenegro verlor mein Anhänger ein Rad und die Bremstrommel zerbrach – natürlich bei strömendem Regen“
Dieses Jahr hatten wir auch ein kleines Malheur in Montenegro. Mein Anhänger verlor ein Rad und die Bremstrommel zerbrach – natürlich nicht bei Sonnenschein, sondern nachts, bei strömendem Regen auf einer Bergstraße.
Sie erwähnten bereits, dass Sie Poroçan einmal im Schnee erreichten. Wie sind die Bedingungen zum Fahren generell zu der Jahreszeit?
Dieses Jahr war es extrem trocken, dadurch war es relativ einfach zu fahren – wir waren allerdings auch schon Ende Oktober dort. Es gab aber auch Jahre, in denen es eine ganze Woche lang regnete. Schnee hatten wir teilweise, wenn wir im Dezember gefahren sind. Dann achte ich sehr darauf, dass wirklich jeder aus der Gruppe Schneeketten auf seine Reifen zieht. Wenn man dort abrutscht, hat man sehr geringe Chancen zu überleben.
Wie sieht die Zukunft der Hilfsaktion aus?
Wenn mit dem Zoll die nächsten Male wieder alles gut funktioniert, werden wir die Aktion weiter fortführen. Zweieinhalb Tage im Regen an der Grenze zu warten – das kann ich niemandem zumuten. Albanien verändert sich, gerade in den Großstädten. Doch dort, wo wir hinfahren, arbeiten 80 Prozent als Bauern, die Getreide und Gemüse anpflanzen. Ein paar von ihnen haben vielleicht einige Ziegen oder Kühe, doch sie sind auf unsere Hilfe angewiesen. Der nächstgrößere Ort ist Gramsh, doch viel mehr Arbeitsplätze gibt es dort auch nicht. Zudem benötigt der Shuttlebus für die 24 Kilometer lange Strecke rund zwei Stunden. Dort braucht man wirklich noch Starrachse, Blattfedern und einen alten Dieselmotor. Der private Linienbus, ein etwas modernerer Bus, muss beispielsweise auf der Hälfte der Strecke anhalten. Dann steigen alle in einen älteren Bus um, der den holprigen Weg bezwingen kann.
Das Interview führte Astrid Nissen