Straße der Mythen – die Seidenstraße

Den alten Karawanenwegen bis nach China zu folgen, ist heute wie damals eine ganz besondere Reise durch grandiose Landschaften und einzigartige Kulturkreise
Seidenstraße
Früher wie heute begegnet man Kamelherden auf der Seidenstraße
Seidenstraße
Andreas Bläse und Ute Vogel bereisten
schon mehrfach mit ihrem Toyota Land Cruiser und Dachzelt die Seidenstraße
heart-of-silkroad.de

Für immer mehr Reisende ist es ein besonderer Reiz, von Europa aus mit dem eigenen Fahrzeug in Richtung China aufzubrechen und dabei den historischen Spuren von unzähligen Kaufleuten, Eroberern, Missionaren, Abenteurern und Expeditionsreisenden wie Marco Polo oder Sven Hedin entlang der Seidenstraße zu folgen. Vor mehr als zweitausend Jahren war die Seidenstraße aber mehr als nur ein Netz aus Handelswegen für Waren aller Art. Entlang der Seiden­straße fand auch ein Austausch von Kulturen, Ideen und Technologien statt. Sie war ein Einfallstor von Eroberern und ein Missionspfad von Weltreligionen. Nicht zuletzt war es aber das chinesische Luxusgut Seide, das diesem transkontinentalen Handelsweg seinen Namen gab. Wo früher endlose Kamel-, Yak- und Eselkarawanen durch Wüsten und über hohe ­Gebirgspässe unterwegs waren, kann man heute ausgebaute Verkehrswege befahren und abseits dieser Hauptstrecken immer wieder grandiose Landschaften erkunden. Für Wüstenfans sind in China die Taklamakan als zweitgrößte Sandwüste der Welt oder die Gobi sicher ein besonderes Highlight. Ehemalige Oasen und Handelsstädte mit ihren kulturhistorischen Schätzen laden auch heute noch zum Verweilen ein. Den ­Mythos der Seidenstraße kann man besonders auf quirligen, farbenfrohen Basaren spüren, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Wer sich mit dem eigenen Fahrzeug bis nach China auf den Weg machen möchte, sollte sich gründlich vorbereiten und für die Reise eine Zeit von mindestens drei Monaten einplanen. Etliche Ländergrenzen mit ihren bürokratischen Hürden machen die Seidenstraße nicht gerade zu einer einfachen Reiseroute. Beispielhaft ist hierfür die obligatorische Begleitung durch einen Guide in China.

 

Seidenstraße

 

Auch wenn man die Seidenstraße durchaus auf mehr oder weniger gut ausgebauten Straßen befahren kann, so liegen einige interessante Reiseziele etwas abseits der Hauptrouten. Um die Ursprünglichkeit der Seidenstraße noch zu erleben, sollte man die Reise nicht zu lange aufschieben, denn regionale Kulturen werden Zug um Zug von einem „westlichen Lebensstil“ überdeckt.

 

Seidenstraße

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1. Anreise über die Türkei

Land: Deutschland – Iran
Länge: 3.700 km
Beste Reisezeit: Ende Mai – September
Straßenbelag: Asphalt/Schotter
Höchster Punkt: 2.150 m ü. NN
Städte in der Nähe: Istanbul, Sultanhani

 

Seidenstraße

 

Wer eine möglichst kurze Strecke bis zu den Hauptrouten der Seidenstraße bevorzugt, sollte über den Balkan und die Türkei direkt in den Iran fahren. Während der Anfahrt auf bestens ausgebauten Straßen hat man schon eine sehr gute Gelegenheit, den eigenen westeuropäischen Lebensstil Zug um Zug abzulegen und sich auf das „Abenteuer Seiden­straße“ einzulassen. Spätestens auf dem Großen Basar in Istanbul mit seinem orientalischen Flair spürt man, dass hier einst eine wichtige Nebenroute der Karawanen aus Zentralasien endete. Diese Karawanen folgten in Tagesetappen ­einem Netz von Karawansereien, bei denen gerastet, gehandelt und die Vorräte aufgefüllt wurden. In der größten erhaltenen Karawanserei in Kleinasien, bei Sultanhani in Zentralanatolien, kann man diese Zeit noch sehr gut nachempfinden.

 

Seidenstraße
Während man in der turbulenten Stadt Istanbul auf Teeverkäufer und Märkte trifft, eröffnet sich deutlich weiter westlich der Blick in den Nemrut-Kraterkessel mit seiner Seenlandschaft und den vulkanischen Warmwasserquellen. Aufgrund seiner Höhe von etwa 3.000 Metern ist er jedoch nur im Sommer und Frühherbst zu befahren

 

Auf dem Weg in den Iran ist ein kleiner Umweg über Kappadokien in der Zentraltürkei sehr zu empfehlen. In einer einzigartigen, bizarren Tufflandschaft ­haben sich die von Römern und Byzantinern verfolgten Christen in unterirdische Klöster zurückgezogen. ­Weiter östlich liegt der 2.150 Meter hohe Berg Nemrut Dağı mit seinen riesigen Götterstatuen, der aber nicht mit dem Nemrut-Krater in der Nachbarschaft zu verwechseln ist. Ein Camp in diesem sieben Kilometer breiten Krater mit seiner Seenlandschaft ist ein ganz besonderes Erlebnis.

 

Seidenstraße

 

Nördlich des Vansees in Ostanatolien kann man in dem kleinen Ort Ulupamir schon einmal einen sehr guten Eindruck von den Menschen und deren Kultur im hohen Pamir in Zentralasien bekommen. Hier leben seit 1982 über 4.000 aus dem Wakhan-Korridor in ­Afghanistan geflüchtete Pamir-Kirgisen. Sie haben ­ihren traditionellen Lebensstil bewahrt und ihre weidenden Yak-Herden wirken an dieser Stelle etwas ­ungewöhnlich. Von hier passiert man die sehr eindrucksvolle Bergkulisse des Ararat (5.137 m) bis zum Grenzübergang hinter Doğubeyazıt.

 

2. Liebenswerter Iran

Land: Iran – Turkmenistan
Länge: 1.800 km
Beste Reisezeit: Mai – Oktober, Wüsten nicht im Sommer
Straßenbelag: Asphalt/Schotter/Sand/Salzpfannen
Höchster Punkt: 4.000 m ü. NN
Städte in der Nähe: Tabriz, Shiraz, Isfahan

Seidenstraße
Orientalischen Bauwerke und Basare in Stadt Isfahan

 

Über das iranische Hochplateau verliefen die Hauptrouten der Seidenstraße vom Mittelmeer kommend über Palmyra in Syrien und durch den heutigen Irak in nördlicher Richtung weiter nach Zentralasien. Persien war über Jahrhunderte hinweg eine wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Weltmacht. Ein Netz aus Karawanenwegen durchzog das Land und an wichtigen Knotenpunkten entstanden Handelszentren, die auch heute noch ein Spiegel der damaligen Zeit sind. Neben Städten wie Tabriz, Yasd und Shiraz ist die Oasenstadt Isfahan mit dem riesigen Meidan-e-Imam-Platz, den Basaren, Moscheen, Medressen und Gärten ein besonderes Zeugnis der Seidenstraße. Außerhalb dieser Oasenstädte bieten die vielfältigen Landschaften wie das Elburs-Gebirge am Kaspischen Meer mit dem 5.671 Meter hohen Damavand oder die Salz- und Sandwüsten eine ausgezeichnete Gelegenheit für Offroad-Touren. Hierbei sollte man aber unbedingt auf die Sicherheit achten und nicht in militärische Sperrgebiete fahren.

Ein Beispiel für kriegerische Eroberungszüge auf den Routen der Seidenstraße ist sehr gut an den Ruinen der einstigen Hauptstadt Persepolis zu sehen. Von hier aus wurde bis zur Zerstörung durch die Griechen das persische Weltreich von Indien im Osten bis nach Griechenland im Westen regiert. Die Ruinen von Persepolis sind auch heute noch ein bedeutendes Zeugnis der persischen Kultur und sollten unbedingt in die Reiseplanung einbezogen werden. Legendär sind im Iran die Hilfsbereitschaft, Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die von Reisenden sehr geschätzt werden.

 

3. Im Herzen der Seidenstraße

Land: Turkmenistan – Kirgistan (Torugart-Pass)
Länge: 5.301 km
Beste Reisezeit: Juni – September
Straßenbelag: schlechter Asphalt / Schotter / Sand in der Wüste
Höchster Punkt: 4.655 m ü. NN
Städte in der Nähe: Merv, Samarkand, Buchara, Chiva

 

Seidenstraße
Samarkand war einst eine der schönsten Metropolen zur Blütezeit der Seidenstraße

 

Der weitere Weg führt vom Iran über Turkmenistan durch die Karakum-­Wüste. Ein wichtiger Zwischenstopp der Karawanen war hier die Oasenstadt Merv. Bis zur Zerstörung durch die Mongolen (1218) war die Stadt ein Zen­trum von Wissenschaft und Kultur. Heute ist Merv eine riesige archäologische Ausgrabungsstätte, deren Besuch sehr lohnenswert ist. Highlights sind außerdem der brennende Darvaza-Krater nahe der westlichen Route durch die Karakum-­Wüste und die tausenden versteinerten Dinosaurierspuren im Kugitang-­Nationalpark. Leider ist Turkmenistan wegen der Guidepflicht bei einem Aufenthalt von mehr als fünf Tagen und einiger bürokratischer Restriktionen ein nicht ganz einfach zu bereisendes Land.

 

Seidenstraße

 

In Usbekistan ist Samarkand neben Buchara und Chiva der Ort in Zentralasien, wo sehr schnell bei jedem Reisenden das romantische Gefühl von Tausend­undeine Nacht aufkommt. In den Altstädten herrscht lebhaftes orientalisches Treiben. Prächtig restaurierte und mit stilvollen Ornamenten reich verzierte ­Moscheen und Medressen überragen die verwinkelten Altstädte mit ihren Lehmbauten und Basaren. Wer nicht durch das sehr fruchtbare, aber politisch etwas unruhige, Ferganatal weiter nach Kirgisien fahren möchte, kann die traumhafte Route durch Tadschikistan über das Pamir-Plateau und den 4.655 Meter hohen Ak-Baital-Pass wählen. Abseits des Pamir-Highways liegen sanfte Hochtäler, kristallklare Gebirgsseen und weite Graslandschaften mit einer sehr dünnen Besiedelung.

 

4. Grüne Oasenstädte

Land: China (Torugart-Pass bis Dunhuang)
Länge: 2.400 km
Beste Reisezeit: Mai – September
Straßenbelag: Asphalt / Schotter / Sand in der Wüste
Höchster Punkt: 4.693 m ü. NN
Städte in der Nähe: Kashgar, Dunhuang

 

Seidenstraße
Reges Markttreiben in den Oasenstädten von Xinjiang in Westchina

 

Von Kirgisien aus erreicht man über den 3.752 Meter hohen Torugart-Pass die westchinesische autonome Region Xinjiang. Hier liegt das muslimisch geprägte Gebiet der Uiguren, die es als Minderheit seit einiger Zeit sehr schwer haben, ihre Kultur in China zu bewahren. Die Oasenstadt Kashgar ist einer der wichtigsten Knotenpunkte der alten Karawanenwege und eines der touristischen Highlights. Hier verzweigen sich die nördliche und die südliche Seiden­straße rund um die Taklamakan-Wüste sowie der bei Reisenden zunehmend beliebte 1.300 Kilometer lange Karakorum Highway über den 4.693 Meter ­hohen Khunjerab-Pass bis nach Pakistan und dann weiter nach Indien.

Die Taklamakan-Wüste war für Karawanen kaum zu durchqueren. Man ­bevorzugte ab Kashgar die nördliche Umrundung der Wüstenlandschaft zwischen dem teilweise ausgetrockneten Tarim-Fluss und der bis zu 7.439 Meter hohen, schneebedeckten Gebirgskette des Tian-Shan. Inzwischen folgt eine gut ausgebaute Straße diesen ursprünglichen Wegen bis nach Dunhuang. Unterwegs passiert man eine Reihe von Oasen, die sich in den letzten Jahrzehnten zu großen Städten entwickelt haben. Dabei ist besonders die Turfan-Oase als zweitiefster Punkt der Erde einen Besuch wert.

 

5. Entlang der großen Mauer

Land: China (Dunhuang – Xi’an)
Länge: ca. 1.700 km
Beste Reisezeit: Mai – Oktober
Straßenbelag: Asphalt / Schotter / Sand
Höchster Punkt: 1.450 m ü. NN
Städte in der Nähe: Dunhuang, Xi’an

 

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Die Festung Jiayuguan war der wichtigste Kontrollposten für Reisende auf der Seidenstraße am westlichen Ende der großen Mauer. Auch in den Bergen schützte einst die große Mauer die Karawanenwege gegen Angriffe aus dem Norden

Seidenstraße

 

Eingebettet in den riesigen Wanderdünen der ­Gobi-Wüste liegt östlich der Taklamakan die Oasenstadt Dunhuang als einer der wichtigsten Handels­knotenpunkte für die Karawanen entlang der östlichen Seidenstraße. Die Mogau-Grotten mit den über 500 erhaltenen Kulthöhlen beherbergen tausende buddhistische Heiligenbildnisse. Reisende und Pilger haben hier in der Hoffnung auf eine erfolgreiche Wüstendurchquerung diese einmaligen Kunstschätze gestiftet. Bei Dunhuang endete für die damaligen Karawanen auch das „zivilisierte“ China. Eine Wüstentour rund um den Jadetor-Pass zu den Resten der großen Mauer und den Wachtürmen ist hier sehr zu empfehlen.

Zwischen der Gobi-Wüste im Norden und der Qilian-Shan-­Gebirgskette verläuft die Handelsroute weiter bis zur alten Kaiserstadt Xi’an durch den sogenannten Hexikorridor – gut geschützt gegen Angriffe der nördlichen Nomadenvölker durch die große Mauer und die Festung Jiayuguan. Der „offizielle“ Endpunkt der Seiden­straße liegt in der alten Kaiserstadt Xi’an, wo ein Denkmal zu Ehren einer der ersten Karawanen Richtung Westen errichtet wurde. Hier liegen auch die berühmte 20.000 Quadratmeter große Ausgrabungsstätte der ­Terrakotta-Armee und die große Grabpyramide des ersten chinesischen Kaisers. Für den Fernreisenden mit dem eigenen Fahrzeug ist es von hier aus möglich, nördlich in die Mongolei oder südlich in Richtung Laos zu fahren. Eine Option wäre auch die weltweite Fahrzeugverschiffung.

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