Salomé, Reto, Noah und Mena
Salomé und Reto sind seit 2007 immer mal wieder länger unterwegs. Zu zweit waren die beiden bereits in Südamerika und Zentralasien, zu viert hat die abenteuerfreudige Familie Australien und nun Südamerika, mit Schwerpunkt Argentinien, bereist. Dabei wurden die beiden Kinder von Salomé und Reto „on the road“ unterrichtet.
Alter: 45, 43, 12, 10 Jahre
Wohnort: Liestal, Schweiz
Reiseregion: Argentinien, Chile, Brasilien, Uruguay
Reisedauer: 9 Monate
Reisestrecke: rund 22.000 km
Bucher Duro 4 x 4
Baujahr: 1998
Motor: VM 3,8 l, 150 PS
Verbrauch: 20 l / 100 km (Diesel)
Aufbau: GFK-Kabine, Eigenausbau
Schlafplätze: 4
Februar 2020: Die Weltumrundung auf dem 47. nördlichen Breitengrad ist geplant, die Flüge von Wladiwostok via Japan und Hawaii nach Vancouver sind gebucht und die Vorfreude ist riesig! Keine zwei Wochen später legt Corona die Welt lahm und unsere Reisepläne sind Makulatur. Doch wir geben nicht auf und suchen nach Alternativen. Es soll ein großes, vielfältiges Land sein, damit wir – mit den ungeimpften Kindern – möglichst wenig Grenzübertritte vornehmen müssen. Im Herbst 2021 ist es so weit. Unsere Wahl fällt spontan auf Argentinien. Eine Wahl, die wir nicht bereuen sollten: Was wir in den knapp sieben Monaten in diesem wunderschönen Land alles erleben durften, lässt sich kaum in Worte fassen. Wir haben uns in die Herzlichkeit und Offenheit der Argentinier verliebt, und was wir an Landschaften gesehen haben, ist fast außerirdisch.
Alles ist herausgerissen und durcheinander im Fahrzeug verteilt
Im Oktober 2021 verschiffen wir unseren Duro in der Hoffnung, dass Argentinien die Grenzen dann wie angekündigt am 1. November auch wirklich für Touristen öffnet. Das klappt zum Glück planmäßig, doch es gibt eine andere Überraschung, die uns den Reisestart erschwert: Wie in Overlanderkreisen wahrscheinlich bekannt, werden Reisefahrzeuge auf den RoRo-Fähren nach Uruguay und Argentinien immer wieder aufgebrochen. Auch wir bleiben davon nicht verschont. So finden wir das Innere unseres Duros in nicht mehr reisetauglichem Zustand vor: Die Tischplatte sowie ein Großteil der Bettlatten sind zerbrochen, Diverses ist gestohlen, Reto hat beispielsweise keine Kleider mehr, und alles ist aus den Schränken herausgerissen, schmutzig und durcheinander im Fahrzeug verteilt – der Boden ist nicht mehr sichtbar …
Nach einer Woche eifrigen Reparierens können wir schließlich in unser Familienabenteuer starten. Zuerst geht es südwärts bis Ushuaia und dann durch die Anden wieder nordwärts bis an die bolivianische Grenze. Der äußerste Nordwesten Argentiniens, der geografisch gesehen mit dem bolivianischen Altiplano und der chilenischen Atacama-Wüste eine Einheit bildet, hat es uns besonders angetan. Eine Einreise in die beiden Nachbarländer ist aus Covidgründen nicht möglich, sodass wir ausführlich die argentinische Andenhochebene – die Puna – bereisen. Das Gebiet ist riesig; allein auf der argentinischen Seite erstreckt sich die Wüste über 100.000 Quadratkilometer und ist damit etwa gleich groß wie Island. Die Durchquerung und Erkundung dieser abgelegenen Gegend erfordert eine gute Vorbereitung. Die Diesel- und Wassertanks sowie die Vorratskisten sollten gefüllt sein!
Höhepunkte in großer Höhe
In Argentinien ist wildes Übernachten erlaubt, sodass wir auf rund 3.000 Metern über dem Meer mitten in der Wildnis einen Übernachtungsstopp einlegen können. Diese Übernachtung dient der Höhen-akklimatisation, denn in der Puna werden wir uns mehrheitlich in Höhen von plus/minus 4.000 Metern aufhalten, und den höchsten Pass außerhalb Asiens – auf 4.995 Metern ü. M. – wollen wir uns auch nicht entgehen lassen. Wie werden wir und unser Duro diese Höhe wohl vertragen? Werden Dieselheizung und Gaskocher auf dieser Höhe funktionieren? Bald werden wir es wissen.
Vom argentinisch-bolivianischen Grenzort La Quiaca stechen wir auf der Ruta 40 in den nördlichsten Teil der Puna. Die Piste führt uns durch eine Quebrada (Schlucht) nach Santa Catalina auf 3.800 Metern. Es ist nicht nur das nördlichste Dorf Argentiniens, sondern auch Sitz der höchstgelegenen Bibliothek Argentiniens. Auf der ausgestorbenen zentralen Plaza mit Blick auf Kolonialkirche, Bibliothek und Obelisk in den Nationalfarben picknicken wir, unterhalten von den Aktualitäten aus dem Dorfleben, die uns über Lautsprecher entgegenschallen. Es geht nicht nur um die nächsten Veranstaltungen, sondern auch um korrektes Recycling, und dies in Endlosschleife. Je weiter wir kommen, desto wilder wird die Gegend. Autos begegnen wir fast keinen mehr, nur eine Motorradgruppe ist unterwegs. Von der Hochebene geht es über verschiedene Pässe, die Landschaft präsentiert sich uns wie aus der Vogelperspektive. Lamas, Vicuñas und wilde Esel sorgen für weitere Abwechslung. Später verläuft die Piste in einem ausgetrockneten Bachbett durch eine farbige Felsenschlucht, ein Abschnitt, der nur während der Trockenzeit (zwischen März/April und November) befahren werden kann. Aber auch in dieser Zeit müssen immer wieder wasserführende Rillen, Bäche und Flüsse gequert werden. Für uns ein besonderer Spaß!
Wie auf einem anderen Planeten
Den südlicheren Teil der Puna nehmen wir von Salta aus in Angriff. Stetig steigt die Straße an und die Landschaft ist geprägt von vielfarbigen, kargen Felslandschaften mit riesigen Kandelaberkakteen im Vordergrund. Auf der Hochebene wechselt das Panorama ständig. Zuerst wird die Piste von einem Flüsschen gesäumt, an dessen gelbgrün bewachsenen Ufern Lamas weiden. Im Hintergrund erheben sich die Andengipfel in den verschiedensten Farben. Eine Kurve weiter erreichen wir die Desierto del Diablo mit roten Felsendomen, und wieder einige Kilometer weiter befinden wir uns in einer Salzseenlandschaft mit türkisblauen Wasserlöchern, sogenannten Ojos. Die Vielfalt und die Kontraste in dieser endlosen, abgelegenen Vulkanlandschaft mit ihren Lagunen und Salzseen, umgeben von schneebedeckten 6.000er-Gipfeln, sind absolut faszinierend. Es ist aber auch eine lebensfeindliche Gegend, nur wenige Tiere vermögen die extremen Temperaturunterschiede, die große Höhe sowie die knappe Wasser- und Nahrungsversorgung auszuhalten. Die Vicuñas und Suris (Andenstrauße) trotzen diesen Widrigkeiten und sind unsere gern gesehenen Begleiter. In den Lagunen können wir Flamingos aus nächster Nähe beobachten. Immer wieder halten wir an und lassen die Eindrücke auf uns wirken, sammeln Steine und staunen über die enorme Formen- und Farbenvielfalt.
Und schließlich ist es geschafft: In weiten Kurven schlängeln wir uns weiter durch das Hochland und erreichen den höchsten Punkt unserer Reise: den Pass Abra del Acay auf 4.995 m ü. M. Wir lassen es uns natürlich nicht nehmen, noch ein Stück hoch zu kraxeln, um die 5.000er-Marke zu knacken!

Das Land der Indígenas
In großen Abständen gibt es in der Puna immer mal wieder kleine Siedlungen, die von Indígenas bewohnt werden. Eine Kirche, eine Schule, eine Polizeistation, ein Sanitätsposten und ein Fußballplatz dürfen nie fehlen; Letzterer ist in Tolar Grande weiß, er liegt auf Salz. Die Häuser dieser Andendörfchen sind aus Adobe, also aus Lehmziegeln, gebaut und fügen sich harmonisch in die Umgebung ein. Die Moderne ist auch hier angekommen, zahlreiche Häuser verfügen über ein Solarpanel und die Bewohner damit über Strom und manchmal sogar über Wi-Fi. Dies erleben wir gut 200 Kilometer von Tolar Grande entfernt bei den Freiluftthermen Botijuela. Die Piste dorthin ist sehr abenteuerlich, führt zuerst über holprige Salzkruste und steigt dann kurvig und steil immer weiter an. Schließlich erreichen wir die Thermen auf 4.200 Metern Höhe und treffen dort auf Simón, einen Inka-Nachfahren, der hier schon seit seiner Kindheit in großer Abgeschiedenheit lebt. Er hat ein paar Hühner, einen Hund, einige Lamas und versorgt sich selbst. Er hat kein Auto, und selbst wenn er eines hätte, würde die Fahrt in den nächsten größeren Ort mehr als sechs Stunden dauern. Diesen Weg nimmt Simón nur zweimal im Jahr auf sich. Ansonsten lässt er sich einmal pro Jahr für den Winter Holz für seinen Ofen liefern. In der Zwischenzeit freut er sich über essbare Mitbringsel der Thermenbesuchenden. Aber auch er verfügt über eine Internetverbindung und aktualisiert seinen WhatsApp-Status gleich mit einem Bild von uns. Wir sind beeindruckt von Simóns Zufriedenheit, seiner Ausstrahlung und seiner Lebensart. Ein unvergessliches Erlebnis!
Klavierstunde am Ende der Welt
Und das Wi-Fi im Nichts ermöglicht auch andere spezielle Erlebnisse. Mena hat während der gesamten Reise im Zwei-Wochen-Rhythmus Online-Klavierstunde mit ihrer Klavierlehrerin an der heimischen Musikschule. So kann es schon mal vorkommen, dass wir fern jeglicher Zivilisation in einem Nationalpark beim Ranger stehen, dort Wi-Fi-Empfang haben und Mena an ihrem Faltklavier Unterricht bekommt, während einige Meter neben dem Duro eine Vicuñaherde vorbeispaziert oder Kondore über uns ihre Runden drehen.
Alltag in Extremen
Wir sind im März und April in der Puna unterwegs, das heißt im Norden Argentiniens ist Trockenzeit und Herbst. Das Hochlandwüstenklima zeigt sich von seiner extremen Variante. Nachts fällt das Thermometer regelmäßig unter null Grad, unser Minimum waren minus 11°C. In der Nacht heizen wir nicht, sodass wir am Morgen in der Wohnkabine im Extremfall nur noch null Grad haben. Unsere Dieselheizung hat zum Glück keine Probleme mit der Höhe und ermöglicht uns jeweils ein gewärmtes Aufstehen. Und auch wir vier kommen mit der Höhe erfreulicherweise alle gut klar. Sobald die Sonne aufgeht, wird es wieder warm und wir kommen bei über 20 °C sogar ins Schwitzen. Während unserer knapp drei Wochen in der Puna (in zwei Etappen) haben wir enormes Wetterglück. Welch ein Glücksgefühl, am Morgen aus dem Duro zu steigen und alleine mitten in atemberaubender Natur den Sonnenaufgang zu bewundern. Und wie schön, am Abend nach einem leckeren Essen aus dem Omnia-Ofen (der Gaskocher funktioniert bestens) noch einmal in die kalte Nachtluft hinauszugehen und den wunderbaren Sternenhimmel zu bestaunen. Für solche Momente sind wir enorm dankbar und greifen mit den Kindern ein Ritual der Pachamama-Kultur auf, bei dem man zum Dank Steine zu Steinhaufen (Apacheta) auftürmt.
Wo immer wir hinkommen, treffen wir auf enorme Freundlichkeit
Argentinien – ein Reiseparadies
Was sich für uns in ganz Argentinien wiederholt: Von Süd bis Nord und von West bis Ost – wo immer wir mit den Menschen in Kontakt kommen, treffen wir auf eine enorme Wärme, Freundlichkeit und Zufriedenheit. Die Menschen, und nicht irgendwelche Automaten, prägen unseren Tagesablauf: sei es beim Tanken, wo uns das Personal bei Wind und Wetter freundlich empfängt, sich für unsere Pläne interessiert und immer mit guten Ratschlägen und Tipps zur Seite steht, oder in Museen, wo wir meist in den Genuss einer Privatführung kommen. Oder sei es im Kontakt mit anderen Reisenden. Daraus entstehen interessante Gespräche und sogar Freundschaften. Spanischkenntnisse sind für Argentinien sehr zu empfehlen, denn die meisten Menschen sprechen keine Fremdsprachen. Die Hilfsbereitschaft ist aber sehr groß: Einmal mussten wir unsere Gasflasche füllen lassen und fanden keinen Laden, der dies machte. Als wir an einer Tankstelle fragten, war gerade ein mit Gasflaschen beladener Lieferwagen am Tanken. Ein Wort gab das andere. Der Lieferwagenfahrer nahm unsere Gasflasche mit und gab sie am nächsten Tag gefüllt wieder an der Tankstelle ab, ohne dass wir etwas vorausbezahlt hätten. Es sind solche Geschichten, die unsere Reise so unvergesslich und wunderbar gemacht haben, und von denen wir noch viele erzählen könnten …