Wenn es einen Zustand in Afrika nicht zu geben scheint, dann ist es „klein“. Hier gibt es nur das große Orchester, wenn nachts der Sternenhimmel aufzieht. Hier durchquert man eine Landschaftsform nicht in Stunden, sondern in Tagen. Hier leben nicht Fuchs und Hase, sondern Elefant und Löwe. In Afrika gibt es die älteste (Namib) und die größte (Trocken-)Wüste (Sahara) der Welt – nur Inseln sucht man beinahe vergebens, kein Kontinent hat weniger Eilande vor seiner Küste.
Als Reiseziel für Offroad-Camper ist Afrika Paradies und Hölle zugleich. Die Distanzen sind groß, der bürokratische Aufwand an vielen Grenzen auch, manche Strecken können abseits der Hauptrouten und außerhalb der Trockenzeit materialmordend sein. Auch mit den vielen Kulturen, auf dem ganzen Kontinent werden über 2.000 Sprachen gesprochen, muss man sich arrangieren. Nein, nicht müssen – wollen. Dies ist kein Platz für menschenscheue Einsiedler, auch wenn es viele einsame Regionen gibt, die wie für solche Menschen gemacht scheinen. Aber jede Fahrt in das nächstgelegene Dorf oder die nächste Stadt ist sozialer Vollkontaktsport: erfrischend, aufregend, lebendig, fordernd, anstrengend. Nicht jeder mag das. Wie auf keinem anderen Kontinent muss man hier als Reisender gewillt sein, sich treiben und fallen zu lassen. Zeit ist in Afrika das höchste Gut. Wer nicht mit eng geplanter Route unterwegs ist, findet zu der Ruhe, die es braucht, um diesen Kontinent zu begreifen. Planen Sie das auch ein, wenn der Erstkontakt im Mietwagen ansteht.
Die Durchquerung Afrikas lässt nicht so viele Wege zu wie man vermuten könnte, zumindest nicht in einem üblichen Zeitfenster. Politisch ist es hier weniger stabil als anderswo, da sind auch einmal Grenzen geschlossen oder Umfahrungen für Touristen ratsam. Das gilt für die populäre Ostroute genauso wie für die zurzeit weniger befahrene Westroute – mehr hierzu lesen Sie im explorer 04-2021.
1. Dreimal Atlas in Marokko
Land: Marokko
Reisedauer vor Ort: ab 10 Tagen
Beste Reisezeit: April – November
Straßenbelag: Asphalt/Schotter/Fels
Höchster Punkt: 2.600 m ü. NN
Städte in der Nähe: Fès, Marrakesch, Ouarzazate
Nicht ohne Grund ist Marokko eines der beliebtesten Reiseländer für Fans des Allrad-Campings, bietet es doch großartige, abwechslungsreiche Landschaften und einen sanften Erstkontakt mit den Ausläufern der Sahara. Auf dem Weg in den warmen Süden muss jeder, der nicht direkt an der Küstenstraße fährt, den Atlas überqueren: den Mittleren Atlas im Nordosten, den bis zu 4.167 Meter hohen Hohen Atlas in der zentralen Mitte, südlich von Marrakesch, und zuletzt den Antiatlas weiter südwestlich. Für die meisten ein Hindernis, nur für wenige sind die Berge das eigentliche Reiseziel.
Wie schade! Die Atlasregion bietet großartige Landschaften, kulturelle Besonderheiten und abwechslungsreiche Pisten in allen Schwierigkeitsgraden. Wer eine Atlastour beginnt, startet im Nordosten bei Taza und geht zunächst in die Unterwelt: Hier liegen die tiefsten Höhlen Afrikas – nichts für Klaustrophobiker! Es folgen ausgedehnte Zedernwälder, bevor man sich immer weiter in die Höhe schraubt. Auf 2.100 Metern Höhe liegen die Bergseen Lac Tislit und Lac d’Isli, zwei mit Schmelzwasser aufgefüllte Meteroitenkrater. Einige Kilometer südwestlich beginnt die gern besuchte Dadès-Schlucht. Die Transitstrecke von dort in die Todra-Schlucht ist schon etwas für erfahrene Offroader und für große Lkw nicht zu empfehlen.
Das Wander- und Bergsteigerparadies zu Fuß zu erkunden, führt vielerorts zu oft versteckten Sehenswürdigkeiten, die einsam in den Bergen liegen: Felsmalereien, versteinerte Meerestiere und Mineralien. Vorsicht im Frühjahr, wenn die Schneeschmelze Flussbetten flutet und Wege beschädigt!
2. Südafrikas Garten
Land: Südafrika
Reisedauer vor Ort: ab zwei Wochen
Beste Reisezeit: Januar – Dezember
Straßenbelag: Teer/Schotter
Höchster Punkt: 263 m ü. NN
Städte in der Nähe: Kapstadt, Port Elizabeth, Mossel Bay
Dort, wo Afrika geografisch am weitesten von Europa entfernt ist, fühlt sich das Leben auf den Straßen am wenigsten afrikanisch an und ist die Natur viel grüner und frischer, als sich mancher das für diesen Kontinent vorstellt. Anders gesagt:
Einen leichteren Start in das Abenteuer Afrika findet man nirgendwo als auf einer Runde über die Garden Route in Südafrika in einem immerwährenden Frühling. Mit einem extrem konstanten, milden Klima – die Durchschnittstemperatur schwankt im Laufe der Jahre zwischen 20 und 26 Grad Celsius – hat die Küste östlich von Mossel Bay beste Voraussetzungen, um zu einem sattgrünen Garten Eden zu werden. Für viele Reisende beginnt hier das Abenteuer Afrika, wenn der Frachter mit dem eigenen Auto in Port Elizabeth anlegt, wer mit einem Mietwagen reisen will, findet in Kapstadt und Johannesburg eine große Auswahl an Campern. Die perfekt ausgebaute Küstenstraße N2 ist die Hauptverbindungsstraße in der Region. Von ihr zweigen viele attraktive Wege ab – die Garden Route ist für jeden Reisenden etwas anders, auf die N2 als Kernstrecke kommt man immer wieder zurück. Etwa auf der Hälfte der Strecke liegt der Garden-Route-Nationalpark. Die bis ans Ufer reichenden Wälder sind Teil der letzten südafrikanischen Urwälder und zeichnen ein ganz anderes, grünes Bild von Afrika, wo die Probleme des Landes, die Metropolen Kapstadt und Johannesburg, weit weg scheinen. Nicht ohne Grund gehört die Garden Route zu den beliebtesten Reisezielen in Südafrika. Overlander haben die Möglichkeit, die Region auf eigene Faust zu erkunden, durch den Dschungel in Knysna führen zum Beispiel markierte Offroad-Tracks.
3. Wüstentraum Tunesien
Land: Tunesien
Reisedauer vor Ort: ab zwei Wochen
Beste Reisezeit: November – März (Wüste), April – Oktober (Küste)
Straßenbelag: Sand/Schotter
Höchster Punkt: 255 m ü. NN
Städte in der Nähe: Tunis, Douz
Sanddünen, so weit das Auge reicht. Hitze, Einsamkeit und fahrtechnisch eine große Herausforderung kommen auf den zu, der sich in die Sahara verirrt, die größte Trockenwüste der Welt. Tunesien ist nicht unbedingt das Ziel, das bei Afrikareisenden an oberster Stelle steht. Es ist der kleinste nordafrikanische Staat und grenzt im Norden an das Mittelmeer. Dort ist die Landschaft noch von den Ausläufern des Atlasgebirges geprägt und es herrscht Mittelmeerklima. Erst weiter in Richtung Süden trifft man mit der Oase Douz auf das Tor zur Sahara. Tunesien ist etwa zur Hälfte von Wüste bedeckt. Wer es wagen will, zu dem bekannten Verlorenen See zu fahren, sollte das keinesfalls im Alleingang tun. Dieser See ist eine Quelle inmitten der Dünen und das Highlight einer Offroad-Tour durch Tunesien. Doch diese Route ist auch gefährlich: Tagelang bewegt man sich abseits der Zivilisation, Festfahren in dem zum Teil tiefen Wüstensand gehört zur Tagesordnung. Auf fremde Hilfe kann man im Notfall vergebens warten. Deshalb ist es unbedingt ratsam, diese Tour nur mit einer geführten Gruppe und erfahrenem Guide durchzuführen. Dazu gehören auch ein geeignetes, allradbetriebenes Fahrzeug und im besten Fall bereits Vorkenntnisse im Fahren durch tiefen Sand. Wer sich diese Tour zutraut, wird tagsüber mit einem fesselnden Panorama und nachts mit einem klaren Sternenhimmel belohnt.
4. Auf Safari in Kenia
Land: Kenia
Reisedauer vor Ort: ab zwei Wochen
Beste Reisezeit: Dezember – März & Juni – Oktober
Straßenbelag: Asphalt (gelegentlich Schlaglöcher)/Schotter
Höchster Punkt: 3.300 m ü. NN
Städte in der Nähe: Nairobi, Nakuru
Wer an Afrika denkt, denkt an Safaris. Wilde Tiere wie Elefanten, Zebras und Löwen gehören doch irgendwie zu einer Afrikareise dazu. Und dieses Bild, das viele vor Augen haben, findet man in Kenia. Wer nur zwei Wochen Zeit hat, der fährt im Mietwagen den Central Circuit und beginnt seine Tour in der Hauptstadt Nairobi. Auf dieser Tour kann man aber nicht nur Tiere vom Auto aus beobachten und fotografieren, sondern selbst aktiv werden. Wie wäre es mit einer Wanderung auf den Mount Kenya, den mit 5.199 Metern zweithöchsten Berg des Kontinents? Oder, wenn es nicht ganz so hoch sein soll, auf den Kraterrand des Mount Longonot? Dieser erloschene Vulkan liegt im gleichnamigen Nationalpark, nicht allzu weit von Nairobi entfernt. Der Central Circuit ist mit einem Mietwagen auch für 4×4-Neulinge gut zu fahren.
5. Verrücktes Namibia
Land: Namibia
Reisedauer vor Ort: ab drei Wochen
Beste Reisezeit: ganzjährig möglich
Straßenbelag: Teer/Schotter/Sand
Höchster Punkt: 980 m ü. NN
Städte in der Nähe: –
Es gibt nur wenige Plätze auf der Welt, wo ein Meer, das vor Leben nur so strotzt, auf eine Wüste trifft, die jedes Leben erstickt. Und da Namibia so kompromisslos, weit und einsam ist, braucht es einige Zeit, um eben diese Besonderheit zu verstehen, in der Härte auch das Faszinierende zu sehen. Die Welwitschia mirabilis beispielsweise. Diese unscheinbare, immer verdörrt aussehende Pflanze, wird über 1.000 Jahre alt, hat nur zwei Blätter, aber einen Wurzelradius von gut 15 Metern in bis zu drei Metern Tiefe. Ein Überlebenskünstler. Der Nordwesten Namibias ist eine Region, in der sich der Gedanke des Overlanding voll entfaltet. Wer die Sehenswürdigkeiten erkunden will, muss für Tage, ja Wochen, vollständig autark sein und sich über Pisten und Tracks in unterschiedlichsten Zuständen bewegen. Die sind zum Teil technisch fordernd, verlangen jedoch vor allem nach Ausdauer von Fahrer und Fahrzeug. Belohnt wird dies mit Begegnungen mit Elefanten und anderen Wildtieren im Hoanib und Hoarusib, Feenkreisen im Marienflusstal, Krokodilen am Kunene und einem Clash der Kulturen beim Einkaufen in Opuwo. Dank guter Miet- und Camping-Infrastruktur und durchgängig dokumentierter Pisten ist Nordnamibia das richtige Reiseziel, um sich als Einsteiger auszutesten und kennenzulernen, wie hart Offroad-Reisen sein kann. Wer sich in die ganz entlegenen Regionen vortasten will, sollte entweder erste Reiseerfahrung mitbringen oder sich mit Fahrern eines zweiten Autos zusammentun. Mehr zu dieser Gegend im explorer 02-2022.