Selbstausbau – aber richtig!

Das Auto aufbauen, mit dem die große Reise starten soll – das ist für viele Teil des Abenteuers. Damit das Ganze aber nicht abenteuerlich wird, gilt es, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben

Selbstausbau
Die eigene beheizte Halle ist zum Arbeiten ein Traum, verschlingt aber auch einen guten Teil des Budgets

How hard can it be?“ Wie schwer kann es sein? Fans der legendären BBC-Autosendung Top Gear kennen die ebenso legendären Fehl­einschätzungen ihres Moderators ­Jeremy Clarkson. In einer Mischung aus grenzenloser Selbstüberschätzung und einer ordentlichen Prise Naivität endete jedes Unterfangen, das dieser Aussage folgte, publikumswirksam im Desaster. Und ­jeder lachte und grinste beim Zusehen, auch weil Clarkson damit seinen ­Zuschauern einen Spiegel vorhielt. Einen Offroad-Camper aufbauen – how hard can it be? Die Wahrheit ist: ziemlich hart, und ziemlich schwer. Wer ist schon Architekt, Statiker, Ingenieur, Mechaniker, Mechatroniker, Fahrzeugbauer, Schlosser, Schreiner, Elektriker, Flaschner, Klempner, Innenausstatter und Polsterer in einer Person?

Niemand kann alles. Aber das macht fast nix

Ein Auto zu bauen, um damit auf Reisen zu gehen, ist für viele ein erster, wichtiger Schritt zur Traumerfüllung. Es steigert die Vorfreude, denn mit jeder Schraube, mit jedem zugesägten Brett, bastelt man an einem Stück persönlicher Freiheit. Das bedeutet gleichzeitig auch, nur vor sich selbst für das Arbeitsergebnis verantwortlich zu sein. Ein zweischneidiges Schwert, aus zweierlei Gründen: Zum einen wird der Zeitpunkt kommen, an dem der Wagen den Besitzer wechselt. Bestenfalls nach vielen, erlebnisreichen Jahren, im schlechtesten Fall aber schon nach kurzer Zeit. Kann das Gebaute dann auch einen Fremden glücklich machen, kommt er mit Grundriss, Technik, Finish zurecht?

Das zweite Problem ist die Selbstzufriedenheit. Jemand, der zum ersten Mal ­eine Säge in die Hand nimmt, mag stolz sein, ein Loch gesägt zu haben. Nach fünf Jahren aber hat man sich an der unsauberen Schnittkante sattgesehen, wünscht, sich mehr Mühe gegeben zu haben. Und verliert die Freude am Auto. Wer schlau ist, schlägt diese zwei Fliegen mit einer Klappe – und baut, als würde er das Auto seinem engsten Freund verkaufen wollen. Hinterfragt zum einen die eigenen Planungen („Ist ein 1,8 Meter langes Bett wirklich gut?“, „Brauche nur ich 500 Liter Frischwasser?“), gibt sich aber auch bei der Bauausführung die Extraportion Mühe. Es gibt sogar Bauvorhaben, bei denen zwei Freunde sich gegenseitig die Autos ­gebaut haben, in konsequenter Umsetzung dieses Gedankens.

Fragen kostet nichts. Eigentlich

Die 4×4-Reiseszene ist geprägt von Selbstbauern und Bastlern, was ihr ­einen ­besonderen, liebenswerten Charakter verleiht. Das ist auch den Herstellern bewusst, die ihr Geld damit verdienen, weniger talentierten Menschen ihre Träume im Auftrag auf die Räder zu stellen. Dass DIYer hier Ideen, Rat und ­Anregungen suchen, freut den Einen, stört den Zweiten, und wird vom Dritten milde belächelt. Der Bastler, der seine Frage, sein Interesse an einem technischen Detail, offen kommuniziert und freundlich nachfragt, wird aber nur in den seltensten Fällen abgewiesen – im Gegensatz zu demjenigen, der verstohlen mit der Kamera seine Entwicklungsarbeit beim Messebesuch macht. Natürlich: Wer nicht als Kunde Geld im ­Betrieb lässt, kann keine ausführliche Gratisberatung erwarten. Einem kleinen fachlichen Austausch sind aber die meisten Hersteller nicht abgeneigt. Erst recht nicht, wenn man sich für diese Schützenhilfe mit einer netten Geste bedankt – wer ein Auto aufbaut, wird auch hierfür mit Sicherheit die passende Kreativität besitzen.

Und damit nicht genug: Wer in so einem Austausch feststellt, dass ein Teil des Projektes doch über den eigenen Horizont hinausgeht, tut vielleicht gut daran, für eben diesen Bereich auch professionelle Hilfe in Anspruch zu ­nehmen. Das ist nicht nur gut fürs Endergebnis, sondern auch für die Zeit- und Budgetplanung, weil etwas zuvor Unkalkulierbares plötzlich einen klaren Rahmen bekommt. Aber Vorsicht: Was kein Handwerker mag, sind angefangene Baustellen, die zu Ende geführt werden sollen. Überlegen Sie also vorher, ob Sie den nächsten Bauabschnitt so beherrschen, dass er auch dem Freund zusagt.

Wo kann ich arbeiten?

Nicht jeder Globetrotter in spe hat das Glück, vor dem Haus parken zu können, oder eine Scheune in der Nähe zu wissen. Wer in der Stadt lebt und zur Autobaustelle regelmäßig eine Stunde unterwegs ist, kann davon ausgehen, dass das Projekt länger dauern wird als geplant. Deshalb gilt: Maximal 30 Minuten Fahrzeit, womöglich auch vom Arbeitsplatz gerechnet, dann ist man nach Feierabend noch produktiv. Wichtig ist auch, dass der Stellplatz mit zeitlichem Übermaß geplant wird und nicht ein halbfertiges, verzögertes Projekt eine neue Heimat finden muss. Bauplätze sind zudem selten umsonst, die monatlichen Kosten sollten in die Planung mit einbezogen werden. Dazu gehören auch Nebenkosten, an die man zunächst nicht denkt: die Zeltplane, weil es in der Scheune ständig staubt. Eine Gebläseheizung, um im Winter nicht zu erfrieren. Hohe Spritkosten, weil der Bauplatz ab vom Schuss liegt. Je größer das Fahrzeug, desto besser ist es, nicht ganz allein und verlassen zu arbeiten, denn die Wahrscheinlichkeit, mal spontan eine helfende Hand zu brauchen, ist bei einem Lkw höher als bei einem Van. Hinzukommt: Sich bei der Arbeit zu verletzen, kann passieren, ein Ersthelfer vor Ort ist dann Gold wert. Wer Platz auf dem eigenen Grundstück hat, sollte das gesparte Geld in eine Zelthalle investieren, um wetterunabhängig arbeiten zu können.

 

Im Freien

 

Selbstausbau

 

Günstig, aber risikoreich – nichts für große Projekte, bei denen an offenen Aufbauten gearbeitet wird. Arbeit nur mit Handmaschinen möglich, staubig, dreckig, hohe Diebstahlgefahr, keine Möglichkeit, Dinge zu lagern. Ein Zelt kann hier eine Lösung sein.

Im Unterstand

 

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Guter und bezahlbarer Kompromiss. Kein Diebstahlschutz, aber ein Regenschauer sorgt nicht direkt für einen verlorenen Bautag. Nicht wintertauglich, solange außen am Fahrzeug gearbeitet werden muss. Je nach Bauweise des Unterstandes auch hilfreich, um Flaschenzüge anhängen zu können, die es erleichtern, Dachträger oder Ähnliches zu montieren.

 

In der Halle

 

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Die beste Option – mit den höchsten Kosten. Gewerbe­flächen gibt es ab 10 Euro pro Quadratmeter. Hallen mit Lkw-tauglichen Toren sind häufig sehr groß, Bastlergemeinschaften eine Option. Gewerbliche (Wohnmobil-)Lagerflächen untersagen meist umfangreichere Arbeiten.

Werkzeug & Maschinen: Was brauche ich in der Werkstatt?

Einen Camper aufzubauen, bedeutet für Einsteiger meist: einen Transporter oder eine fertige Wohnkabine möblieren und technisch ausrüsten. Eine übliche Ausstattung an Holzbearbeitungsmaschinen ist die Basis, eine stationäre Kreissäge hilft beim Zuschneiden größerer Platten. Universal­gehilfe ist ein kräftiger Staubsauger mit Langzeitbeutel, auch Winkel, Schmiege und eine Sammlung an Schraubzwingen dürfen nicht fehlen. Sinnvoll: eine Oberfräse zum Kopieren von Bauteilen oder zur sauberen Kantenbearbeitung. Wer sich an die Bordelektrik wagt, sollte hierfür noch einmal etwas Geld für passendes Werkzeug einplanen.

 

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Den Überblick behalten: Wie lang ist mein Atem?

Egal wie umfangreich die Vor­planung ausfällt – gehen Sie davon aus, dass auf der ersten Arbeitsliste allenfalls die Hälfte von dem steht, was Sie letztendlich in Angriff nehmen werden. Das ist manchmal beglückend, weil einem neue, tolle, kreative Ideen kommen, immer wieder aber auch ermüdend und demotivierend, weil man sich einen Arbeitsschritt leichter vorstellte, eine Hürde übersehen hat oder mit dem Ergebnis aus dem ersten Anlauf nicht zufrieden war. Ein Tipp: Wenn besseres Werkzeug einen Prozess erleichtert und verkürzt, wagen Sie diesen Schritt. Ein zweiter Tipp: Seien Sie auch mit 80 % zufrieden. Und gehen lieber auf Tour.

 

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Was sagt der Nachbar?

Wer ein Auto umbaut, kann damit Beziehungen an Grenzen führen. Die mit dem Partner, den Kindern, dem Ordnungsamt – aber auch den Nachbarn. Nach Feierabend und am Wochenende schrauben, schleifen, flexen, sägen, das kann ziemlich auf die Nerven fallen, selbst wenn man sich an die allseits üblichen Arbeits- und Ruhezeiten hält. Das Problem aber ist: Wer nach Feierabend noch etwas schaffen möchte, dehnt diese Zeiten immer wieder bis an die Schmerzgrenze. Soll also der Fahrzeugbau auf dem eigenen Grundstück stattfinden, gehen Sie in die Offensive. Laden Sie die Nachbarn ein, suchen Sie das Gespräch, binden Sie sie mit ein. Zeigen Sie: Das hier ist eine endliche Belastungsprobe, und wenn ich mal wieder die Zeit vergesse, bitte klopfe kurz an. In den meisten Fällen nehmen die Nachbarn gern Anteil an solchen verrückten Projekten.

 

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Wer kann mir mal helfen?

 

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Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man sich beim Ausbau nach einer helfenden Hand sehnt. Oder nach einem Gabelstapler. Oder einem Mann mit Schweißgerät. Wer sich irgendwo auf dem Land einigelt, weil die Halle günstig zu mieten war, muss lange suchen, um eben diesen Helfer zu finden. Schlosserei, Schreinerei und schlaue Nachbarn sind aber manchmal genauso unbezahlbar wie der Landwirt und sein Radlader. Sich auf einem Hof einzurichten, hat dabei noch einen weiteren Vorteil: Hier wird sieben Tage die Woche gearbeitet, nicht selten rund um die Uhr. Da kann man auch am Samstagabend noch die Kreissäge schwingen. Helfer gibt es aber nicht nur rund um die Werkstatt, sondern bestenfalls auch unter Freunden und Verwandten – auch wenn man deren Unterstützung nicht überstrapazieren sollte. Wer einmal in einem Motivationsloch steckt, kommt am schnellsten wieder heraus, wenn er seine besten Freunde zu einem Basteltag einlädt. Da schafft man zwar meist nicht viel, hat aber umso mehr Spaß.

 

Versteckte Kosten: Wie dehnbar ist mein Budget?

 

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Wenn man etwas zum ersten Mal macht, kann der Wissens­horizont keine 360 Grad abdecken. Erst recht nicht bei einem Automobil. Gehen Sie also fest davon aus, dass der Moment eintritt, der nicht im Bauplan notiert ist. Weil etwas nicht passt, nicht funktioniert, umgeplant, repariert, getauscht, verworfen werden muss. Und das zieht Kreise, wird immer auch weitere Bereiche am Fahrzeug tangieren. Solch ungeplante, unerwartete Dinge kosten Geld. Ob nun die Durchrostung am Rahmen oder das falsch gesägte Loch in der Aufbauwand, planen Sie Zeit und Geld für solche Extrabaustellen ein.

 

Was traue ich mir handwerklich zu?

 

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Das Schöne am Basteln ist ja, sich selbst neue Grenzen zu stecken und mit der Aufgabe zu wachsen. Das Schlechte an dieser Denkweise ist, dass man auch ordentlich Geld versenken kann, um dann mittelmäßigen Schrott vor der Tür stehen zu haben. Denken Sie daran: Der Verkauf muss immer ein Schlupfloch sein, wenn es einmal wirtschaftlich knapp ist. Und das geht nicht mit C-Ware. Die Frage „Was traue ich mir zu?“ kommt selten von Hobbyhandwerkern, die wachsen mit ihren Aufgaben, können ihre Fähigkeiten einschätzen. Gefährlich ist es, wird der Selbstbau zu einer Alternative, weil es entweder finanziell anders nicht möglich ist oder Unternehmen zu lange Wartezeiten haben. In beiden Fällen gilt es, hart und ökonomisch zu rechnen: Wo ist meine Freizeit gut investiert, wofür gebe ich lieber Geld bei Firmen aus? Muss ich Werkzeuge anschaffen, die ich nicht habe? Woher kommt das Wissen, das ich brauche? Lasse ich mich verführen, weil es „andere ja auch hinbekommen haben“? Eine Lösung kann es sein, sich Arbeiten so weit vorbereiten zu lassen, dass sie schaffbar werden. Oder einen Handwerker zu bitten, als Backup-Lösung zur Verfügung zu stehen.

 

Wo ist die nächste Waage?

Zahlreiche Projekte geraten in technische Schieflage, weil man sich beim Gewicht verschätzt hat. Plötzlich ist die Reserve aufgebraucht, schrumpft die Zuladung auf minimales Niveau. Anders, aber ähnlich schlimm: einseitige Gewichtsverteilung, egal ob rechts/links oder zwischen Vorder- und Hinterachse. Die einzige Lösung für dieses Problem ist: wiegen, und zwar regelmäßig. ­Besitzer leichter Fahrzeuge bis 4,5 Tonnen greifen zur Radlast­wage (ab 160 Euro) und können vor Ort checken, alle anderen müssen die rollende (und zugelassene) Baustelle hin und wieder zur nächstgelegenen ­öffentlichen Waage fahren. Die findet sich oft bei Landhändlern oder Recyclinghöfen. Wichtig ist, auch wenn dort oft offiziell nicht erlaubt, das achsweise Wiegen, nach Möglichkeit auch eine getrännte Wägung für die rechte und linke Seite.

 

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Zeitplanung: Wann soll die Reise losgehen?

Ein zu enger Zeitplan schafft Stress. Stress lässt einen pfuschen, Pfusch sorgt für Mängel und Mängel machen Ärger. Wer also Ärger und Arbeit vermeiden will, plant die Fertigstellung nicht zu Urlaubsbeginn, und bucht erst recht keine Verschiffung, bevor sich das fertige Auto nicht auf ersten Probefahrten bewährt hat. Gehen Sie nicht davon aus, dass alles nach Plan verläuft – das wird nicht passieren! Ein Allrad-Reisemobil aufzubauen, ist so komplex, dass es unmöglich ist, alles auf den Tag, nicht einmal auf die Woche und den Monat, genau zu planen. Wer auf Nummer sicher gehen will, plant mindestens drei Monate Puffer ein.

 

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