Selbst wenn es für einen neuen Besucherrekord in diesem Jahr nicht gereicht haben mag – die Gluthitze des Wochenendes war allemal einmalig und lähmte spätestens ab dem frühen Nachmittag Aussteller und Besucher gleichermaßen. Kurz vor der Sommersonnenwende zeigte der Sommer schon einmal, was er drauf hat, und nicht wenige sprangen nach dem Tag zwischen Reisemobilen und Zubehör direkt ins Freibadbecken oder in die Saale, um sich zu erfrischen.
Heiße Luft überall
Nicht nur der Körper freute sich über diese Abkühlung, auch der Kopf vieler Besucher dankte – schließlich trumpften die Aussteller wieder groß auf. Zunehmend leider, so klagten die Gäste, mit großen Preisschildern. Grills für 800 Euro, Radsätze für 16.000 Euro, ausgebaute Kastenwagen für eine Viertelmillion Euro – da zogen es doch viele vor, einzig über die wieder einmal prall gefüllten Campingflächen zu schlendern, weil die Exponate doch das eigene Budget sprengten. Rekordverdächtig: die Menge an ausgestellten Dreiachsern. Nie zuvor waren so viele extragroße Lkw auf der Abenteuer & Allrad zu sehen, durchweg berichten die großen Aufbauhersteller von anhaltend stabiler Nachfrage nach großen und immer größeren Fahrzeugen. Ließe sich über den Bedarf einer dritten Achse noch lange und emotional am abendlichen Lagerfeuer philosophieren oder streiten, ist eine Motivation der wachsend vertretenen Start-up-Vanlife-Szene nur mit einem Kopfschütteln zu bedenken: die offen ausgetragene Marketingtaktik, anhand vollkommen überzogener Kaufpreise eine besonders hochwertige Herstellungsweise und Produktqualität zu suggerieren. Das 4×4-Mobil als Mittel zum (Reise-)Zweck geht hier bereits vollständig unter, was zählt, ist das Erscheinungsbild als Statussymbol.
Das Angebot am unteren Ende der Preisskala hatte es in diesem Kontext schwer, sich sichtbar zu behaupten, dabei fehlte es nicht an Herstellern, Händlern und Zubehör, die sich an Selbstausbauer oder Globetrotter mit weniger hohem Anspruch richteten. Aber auch hier drängen Anbieter auf den Markt, deren Produkte schon auf den ersten Blick als Showstopper entlarvt sind: Vollständig schwarze Dachzelte waren darunter, Produkte ohne Zulassungen, Ideen ohne Praxiswert.
Heiße Neuheiten auf den zweiten Blick
Während die Sonne unbarmherzig vom Himmel stach, fiel es umso schwerer, sich auf die Suche nach interessanten, attraktiven und funktionalen Neuerscheinungen zu machen – die Ausdauer wurde jedoch belohnt. Es ist nämlich ein großes Geschenk der Szene, dass sie durchzogen ist von vielen engagierten Tüftlern, Entrepreneuren und Fahrzeugschmieden, die selbst auf Reisen gehen und die Bedürfnisse ihrer Kunden kennen. So präsentierte der Technikspezialist Tigerexped mit der Stromverteilung TEX-U200 und einer eigenen, besonders kompakten Batterie passende Komponenten für kleine Reisefahrzeuge, Laske Expedition zeigte erstmals seine besonders flache Pickup-Hubdachkabine, Alu Cab schrumpfte seine beliebte 270-Grad-Markise auf minigeländewagentaugliche 2 Meter Armlänge und gleich eine Handvoll neuer Anbieter interpretierte das Thema Teardrop-Trailer in verschiedensten Weisen neu und zu fairen Preisen ab 19.000 Euro. Ähnlich spannend: die für Doppelkabiner-Pickup eingekürzte Wohnkabine von Sewert, das Hartschalendachzelt Cumaru von Vickywood, dessen Wohnraum sich mit einem Handgriff clever vergrößern lässt, oder die Idee des bislang auf extraschwere Lkw gebuchten Herstellers Füss Mobile, mit einer neuen Modellreihe, besonders leichten Materialien und standardisierten Grundrissen bewährte Bauqualität in Kleinserie auf eine neue Gewichtsklasse unterhalb von 7,5 Tonnen zu übertragen.
Eine ausführliche Neuheitentour über die Messe finden Sie in diesem Video.
Heiße Preise heute und morgen
Beherrschendes Thema der Messe waren die Materialengpässe und Preissteigerungen, die Kunden wie Hersteller derzeit erleben. Fast ohne Ausnahme berichteten die Aufbauhersteller gegenüber dem explorer, dass es derzeit außergewöhnlich schwierig sei, interessierten Kunden verbindliche Angebote zu machen. Die langen Lieferzeiten von zwei, mitunter auch drei Jahren, verbunden mit der derzeitigen Teuerungsrate, mache ernsthafte Kalkulationen zurzeit nahezu unmöglich.Während einige Betriebe sich dafür entschieden, keine Aufträge mehr anzunehmen, bis die Vorlaufzeit wieder auf ein vertretbares Maß schrumpft, vergeben andere nur noch Bauplätze – Kalkulation und Ausgestaltung des Angebotes kommen dann erst deutlich später. Den Ausbau von Kapazitäten, um die Nachfrage auch kurzfristig bedienen zu können, nimmt sich nur eine sehr überschaubare Zahl von Herstellern vor. Zubehöranbieter haben es noch einmal deutlich schwerer, sie kämpfen weiterhin mit unterbrochenen Lieferketten und hohen Transportkosten, gleichzeitig spüren die Händler hier eine – im Vergleich zu den Vorjahren – wachsende Zurückhaltung beim Kauf.
Heiße Zeiten? Nicht bei den Globetrottern
Sorgen oder Ängste, dass sich Branche und Szene aufgrund der weltpolitisch angespannten Situation konsolidieren würden, lassen sich bei einem Blick auf die Stimmungslage in Bad Kissingen (zumindest vorerst) wegwischen. Es wird geplant, geträumt und gereist wie eh und je. Mag es sein, dass der Blick ins Portemonnaie nicht mehr jeden Traum als umsetzbar deklariert, das Unterwegssein an sich will so schnell aber keiner aufgeben. Egal wie heiß es noch wird.