Wilde Idee

Eigentlich wollte der Unternehmer Thomas Wilde nur einen Camper für sich bauen. Jetzt entstehen bei ihm komplett ausgestattete Langfahrtmobile zum Discountpreis - in Serie

Der Fuso Canter zeigte sich im ersten Test nicht nur preislich attraktiv

Es klingt verrückt, ist verrückt und sieht auch verrückt aus. Auf dem Betriebsgelände in Goslar, einem ehemaligen Autohaus, stehen polierte Oldtimer im Schaufenster und unzählige Allradfahrgestelle auf dem Hof. Hier DeTomaso Pantera, dort Daily 4×4 und Fuso Canter. Dutzende. Wenige Meter weiter stapeln sich Hilfsrahmen und in den knallgrünen Hallen bricht der Wahnsinn endgültig los: hier ist aus dem Nichts eine Reisemobil-Serienproduktion aus dem Boden gestampft worden, wie sie die 4×4-Szene noch nicht gesehen hat.

„Skalieren – das kann ich“, erklärt Thomas Wilde, der 2022 das explorer Ostseecamp mit der Idee besucht, sich einmal einen eigenen Camper zu bauen. Skalierung bedeutet für Wilde, 20 Mitarbeiter einzustellen, 150 Kilowatt Solar auf das Hallendach zu schrauben („wir produzieren 10 Monate im Jahr unsere Autos mit Plus-Energie“), bei Iveco und Fuso im großen Stil Fahrgestelle zu kaufen und die ersten 70 Kabinen zu ordern. Man könnte sagen, da ist jemand völlig verrückt geworden.

Ohne Vorwissen in die Vollen

Grund genug für den explorer, diese wilde Aktion einmal genauer anzuschauen. Thomas Wilde führt nicht nur mit großem Stolz durch das junge Unternehmen, im Anschluss geht es mit dem ersten fertiggestellten Camper auch direkt zur Testfahrt – zu lesen im Frühjahr 2024.

Was beim Ortsbesuch sofort klar wird: Die verrückte Idee geht hier jemand mit völlig klarem Verstand und ebenso klarer Idee an. Das beginnt bei der Produktidee: „Wir wollen uns auf den Fuso Canter spezialisieren, mit derzeit einem einzigen Kabinenaufbau“, erklärt Wilde. Dass der mit leichten Anpassungen (zusätzlicher Alkoven) auch auf den Iveco Daily mit langem Radstand passt, ist klug gedacht, denn der Canter hat es bislang (zu Unrecht) schwer in der deutschen Allradreiseszene. Die 30 Daily-Fahrgestelle auf dem Hof sind also so etwas wie eine Anschubfinanzierung des Wilde-Fahrzeugbaus. Und kann Wilde die aktuell kalkulierten Preise halten, sollten diese nicht all zu lange auf dem Hof in Goslar parken: 165.000 Euro soll ein reisefertiger Fuso kosten, 210.000 ein identischer Aufbau mit dem Iveco Daily als Basis. Lieferzeit? „Wer will, kann direkt einen mitnehmen“ erklärt der Unternehmer. Dafür gibt es eine 4,5 Meter lange Wohnkabine mit bewährtem Grundriss (Querbett im Heck, Raumbad, U-Sitzgruppe in der Front), gasfreier Küche, weltreisetauglichem Möbelbau und ebensolcher Ausstattung. Eine Kampfansage an Woelcke und Bimobil, gerade auch deshalb, weil hier nicht mit halben Sachen hantiert wird. Die Mitarbeiter sind qualifiziert und motiviert, die Arbeitsplätze mit Maschinen der Premiumklasse ausgestattet, das ganze Projekt stark fokussiert. „Wir werden keine Einzelbauten anbieten. Ich will ein Modell machen und das richtig“, betont Thomas Wilde und verweist auf die Idee von Claus Burow, der mit dem Pickupcamper Oman mit großem Erfolg eine ähnliche Strategie verfolgte.

Ein Weltreisemobil der Vernunft

Das ist eine weise Idee – wenn das gebotene Produkt den Massengeschmack trifft. Mit dem Fuso Canter als Basis ist das mutig, denn dem kleinen Frontlenker aus Japan fällt es schwer, hier in Deutschland die Herzen zu öffnen. Das ist traurig und schade, denn wie die Testfahrt wieder einmal beweist: Es könnte für eine große Zahl an Reisenden ein enorm attraktives Auto sein. Trotz Vollausstattung der Testkabine und randvollen Tanks wiegt der Wagen nur 5,3 Tonnen bei 3,18 Meter Höhe – jeder andere Neu-Lkw läge bei derselben Aufbaugröße bei 3,7 Meter Höhe und weit jenseits der acht Tonnen, Aufbauten auf Transporterfahrgestellen wären überladen und unfahrbar, weil unendlich lang. Vielleicht also gelingt dem Fuso nun, kombiniert mit den preiswert kalkulierten Wilde-Mobilen, noch ein später aber verdienter Durchbruch.

Was bleibt, ist die Frage, warum und wie diese Mobile so deutlich günstiger sein können, als der etablierte Wettbewerb. Die Antwort darauf ist schnell gegeben (eine ausführliche Analyse folgt im Test, der im Frühjahr 2024 erscheint): Man lässt weg, was weggelassen werden kann. Keine Echtglasfenster, keine 40-Euro-Klappenverschlüsse, keine Spielereien. Keine Ausstattung, die nur auf Messen gut aussehen muss. Die Aufbauten sind die entscheidende funktionale wie qualitative Stufe oberhalb von Großserien-Reisemobilen, ohne direkt in Manufaktur-Sphären zu entschwinden. Kombiniert mit den Ersparnissen standardisierter Serienfertigung und der Wahl für ein preisgünstiges Basisfahrzeug ohne kostspielige Umrüstungen geht die Rechnung auf: Wilde unterbietet beispielsweise Woelcke und Bimobil preislich deutlich.

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