Sind es die schlechten Verkaufszahlen des neuen Modells? Hat der britische Hersteller anhand des vernichtenden Urteils aus vielen Lagern erkannt, dass der neue Defender viele Zielgruppen nicht mehr erreichen kann? Oder beunruhigt das Traditionsunternehmen die Tatsache, dass Ineos mit seinem Grenadier der Marktreife immer näher kommt – schließlich ist der nicht nur optisch ein Frontalangriff. Fakt ist, dank eines smarten Schachzuges wird noch in diesem Jahr der Traum vieler Globetrotter wahr: der Defender kehrt zurück nach Europa – als Landmaschine.
Rückkehr dank LOF-Zulassung
Es scheint so, als habe man in England im Zuge des Brexit sämtliche EU-Gesetze sehr genau studiert, denn der Trick, mit dem der Defender nun wiedergeboren wird, ist in dieser Form vermutlich nur in Europa denkbar. Machte dem Pkw das Abgas- und Crashverhalten im Straßenverkehr den Garaus, spielen diese Punkte als landwirtschaftliches Fahrzeug keine Rolle. Zwar müssen auch diese seit 2020 strenge Abgaswerte einhalten, derzeit gilt hier die sogenannte Stufe “5”. Die dort vorgeschriebenen Werte erreicht der Defender in seiner letzten Diesel-Entwicklungsstufe jedoch problemlos. Da sich Jaguar Land Rover jedoch nicht als Agrarfahrzeug-Hersteller positionieren will, ist die Kooperation mit der deutschen Traditionsmarke Fendt nur folgerichtig. Mehr noch: das Unternehmen aus Marktoberdorf gehört zur AGCO-Gruppe, einem der größten Agrar-Industriekonzerne weltweit. Mit 2.700 Händlern in 140 Ländern ist AGCO der weltweit drittgrößte Hersteller von Landmaschinen.
Service über AGCO-Händler
Diese Außenstellen sollen künftig auch Ansprechpartner für Kauf, Service und Reparatur des Defender sein. Ein verständlicher Schritt, blickt man auf die Bemühungen der Briten, sich bis 2025 als Elektro-Marke neu zu etablieren. Da passt ein alter Diesel nicht mehr ins Bild. Globetrotter wird das freuen, denn die AGCO-Partnerbetriebe liegen immer im ländlichen Raum, vorwiegend in Ländern Südamerikas (Iochpe-Maxion), Italien (Gallignani), Skandinavien (Valtra, Sisu) und Nordamerika (Massey Fergusson).
Kaum Modifikationen am Fahrzeug nötig – außer bei Sitzen, Fensterflächen und Tempo
Den bisherigen Informationen nach wird die Zulassung in der sogenannten Kategorie T5 erfolgen (Zugmaschinen auf Rädern mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit über 40 km/h). Ähnlich wie bei der Differenzierung bei Pickups, wo das Verhältnis von Ladefläche zu Sitzplätzen über die zulassungsrelevante Nutzungsform entscheidet, muss auch der T5-Defender fortan mit zwei Sitzplätzen auskommen, der rückwärtige Teil muss als Nutzfläche verfügbar sein. Es wird vorerst nur die lange 110er-Variante angeboten, beim kurzen 90er sei dieses Verhältnis zwischen Laderaum und Fahrgastbereich nicht normgerecht umsetzbar, heißt es unternehmensseitig. Konsequenterweise gibt es auch keine hinteren Seitenfenster mehr, beides dürfte Camper kaum stören. Eine andere Sache hingegen schon: Maximal 60 Stundenkilometer sind künftig drin, der 122 PS-Diesel wird dann elektronisch abgeregelt. Auf Nachfrage in einigen Werkstätten sei es aber “vermutlich problemlos möglich”, diese Blockade für Reisen außerhalb der EU abschalten zu können. Sowohl Land Rover als auch Fendt trafen dahingehend auf Rückfrage keine Aussage.
Ungewohnt ist die Tatsache, dass der Wagen nicht mehr konfigurierbar ist, sondern nur in einer einzigen Variante ausgeliefert wird. Konkrete Angaben zum Austattungsumfang gibt es bislang noch nicht, vermutlich wird sich das aber an Agrarstandards orientieren: Stoff- oder Kunstledersitze, keine Audioanlage oder Infotainment, Stahlfelgen. Die Fahrzeuge werden direkt ab Händler gekauft, eine Auslieferung der ersten Modelle an erste Partner ist für November geplant. Eine Website ist schon öffentlich (best4x4xfendt.com), enthält aber derzeit noch keine weiterführenden Infos.
Marktstart zur Agritechnika, Preise noch nicht veröffentlicht
Die Premiere des Defenders in seiner neuen Rolle als Landwirtschafts-Maschine ist für den 14. November 2021 geplant, dann öffnet in Hannover mit der Agritechnika die weltgrößte Fachmesse zum Thema Landwirtschaft. Das ist eine gute Nachricht für alle Ungeduldigen, auch wenn unklar ist, wieviele Fahrzeuge in der ersten Charge verfügbar sein werden – mit diesem Zeitplan würde Land Rover den Ineos Grenadier noch auf der Zielgeraden rechts überholen. “Wir sind sehr gespannt auf die Resonanz aus der Globetrotter-Szene und denken, mit der neuen Nutzungsform auch für die Menschen aus Jagd und Forst ein gutes Angebot machen zu können, weiterhin einen Land Rover zu fahren” ist Unternehmenssprecherin Fealla dhà Giblean im Gespräch mit dem explorer überzeugt. Sobald die ersten LOF-Fahrzeuge verfügbar sind, wird der explorer sich das einmal genauer anschauen. Ob der Wagen weiterhin als Defender verkauft werden wird, ist offenbar noch unklar – wir hätten da eine Idee: DeFendt.