Wege nach Feuerland: Fähren über die Magellanstraße

Wer die Panamericana in ihrer gesamten Länge fahren möchte, für den führt kein Weg um die Magellanstraße herum. Die Meerenge kann nur anhand zweier Fährverbindungen überquert werden

Magellanstraße
Einen Anlegekai sucht man in Punta Delgada vergeblich. So wird bei starkem Wellengang die Rampe so stark überspült, dass der Eindruck entsteht, man würde durch das Wasser fahren

Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich an Bord der Color Fantasy. Der Fähre, die in 20 Stunden die Hansestadt Kiel mit Oslo im Süden Norwegens verbindet. Einmal diese geisterhaften Farbenspiele am Nachthimmel des Polarkreises tanzen sehen! Abenteuerlich stelle ich mir die Fahrt vor in die Kälte Norwegens und die endlosen Wälder Finnlands, wo das Thermometer zu dieser Jahreszeit gern mal auf minus 30 Grad fällt. Von der Fähre aus blicke ich aufs Wasser und meine Gedanken schweifen in die Ferne ab. An Bord gibt es mehrere Restaurants, ein Casino, eine Disko, ein Schwimmbad und sogar einen Wellnessbereich. Eher ein kleines Kreuzfahrtschiff als eine Fähre. Mir kommt die Fähre an der Magellanstraße in den Sinn und ich muss schmunzeln, denn gegensätzlicher könnten die zwei Schiffe kaum sein! Die Fähren in Südamerika beschränken sich auf ihre Hauptaufgabe: den Transport von Personen und Fahrzeugen von A nach B. Ohne jeglichen unnötigen Schnickschnack. Passt auch viel besser zur rauen Landschaft dieser Ecke Südamerikas. Tierra del Fuego, Feuerland! Magellanstraße! Patagonien! Bevor ich überhaupt wusste, wo sich diese magischen Orte genau befinden, stand für mich fest, dass ich sie einmal mit eigenen Augen sehen wollte. 2005 war es dann soweit und seitdem haben wir etwa 300 Reisemobile auf dem Weg nach Feuerland begleitet.

 

Ursprung der Magellanstraße

Der portugiesische Seefahrer Fernão de Magalhães brach im Auftrag der spanischen Krone 1519 mit einer Schiffsflotte zu einer Weltumsegelung auf. Am 1. November 1520 wurden zwei seiner Schiffe bei einem schweren Sturm in eine Bucht abgetrieben. Diese vermeintliche Bucht entpuppte sich als Passage zwischen Atlantik und Pazifik. Magellan taufte die Meerenge Estreito de Todos os Santos, Allerheiligen-Meerenge, nach dem Tag ihrer Entdeckung. Später benannte der spanische König sie dann zu Ehren des Entdeckers um in Magellan- Meerenge. Von nun an gab es eine relativ schnelle Westverbindung zu den Gewürzinseln, den Molukken. Ein knappes Jahrhundert später, 1616, fanden die Niederländer Willem Cornelisz -Schouten und Jacob Le Maire die Drake-Passage um das berüchtigte Kap Horn an der Südspitze des amerikanischen Doppelkontinents. Doch aufgrund der unberechenbaren Stürme in diesen Breiten- graden, blieb die Magellanstraße die von Seefahrern bevorzugte Passage. Erst mit dem Bau des Panamakanals im Jahre 1914, verlor sie ein wenig an Bedeutung.

 

Zwei Wege nach Feuerland

Der Reisende hat zwei Möglichkeiten, nach Feuerland überzusetzen. Die schnellere und günstigere Variante ist eine der drei verkehrenden Fähren bei Punta Delgada, der schmalsten Stelle der Magellanstraße. Die Fähre kreuzt die Wasserstraße mit gerade einmal 4,5 Stundenkilometern, 20 Minuten benötigen die Schiffe nach Bahía Azul auf Feuerland. Sie nehmen morgens gegen 8:30 Uhr ihren Dienst auf und fahren, je nach Nachfrage, bis Mitternacht oder sogar noch darüber hinaus ohne Pause; sofern es die Wetterbedingungen zulassen. Einen Anlegekai oder eine Möglichkeit, das Schiff während des Be- und Entladens zu vertäuen, sucht man vergeblich. Die betonierte Straße verläuft hinunter bis ans Wasser. Die Suche nach einem Ticketschalter bleibt genauso erfolglos, bezahlt wird direkt auf der Fähre. Wenn es stürmt und die hohen Wellen das Aufladen der Fahrzeuge unmöglich machen, wird der Betrieb eingestellt.

Um die Magellanstraße kommt man nicht herum, wenn man nach Ushuaia möchte

Ich erinnere mich an einen skurrilen Moment im Jahr 2008. An der Magellanstraße stauten sich die Lkw und Autos, die Fähren fuhren nicht, die Bedingungen waren einfach zu rau. Nachdem wir gerade einmal eine gute Stunde gewartet hatten, fragte mich ein Teilnehmer nach meinem Plan B. Ich schaute ihn verdutzt an, sah aber, dass er es ernst meinte. Ich überlegte kurz, wagte es dann aber doch: „Wenn die Fähre in einer Stunde den Betrieb nicht wieder aufnimmt, beginnen wir mit dem Bau einer Brücke, einverstanden?!“. Er fing an zu lachen. Glück gehabt, meine Mitfahrer verstehen Spaß. Nach kurzer Zeit lud die Fähre einige Lkw und vier unserer Wohnmobile auf. Das Unterfangen sah höchst abenteuerlich aus. Der Kapitän hatte große Mühe, mit voller Motorkraft gegen die Strömung zu kämpfen, um die Fähre einigermaßen in Position zu halten. Die Rampe wurde von den Wellen so überspült, dass der Eindruck entstand, man fahre durchs Wasser.

Ein Fahrzeug stand mit den Vorderrädern bereits auf der Fähre, als diese plötzlich abdriftete. Nun aber Vollgas, auch wenn man riskiert, hinten aufzusetzen! Immer noch besser, als im Wasser zu landen. In solchen Momenten freut man sich über möglichst viel Bodenfreiheit und einen kurzen Überhang am Fahrzeug. Alle anderen haben das Nachsehen und schnell einen Schaden am Heck. Die Fähre konnte sich nicht mehr halten und legte mit höchstens einem Viertel der möglichen Kapazität Richtung Feuerland ab. Die Wellen waren teilweise so hoch, dass sie über dem Schiff zusammenbrachen. Da die Fähren nach oben hin offen sind, erhielten die Fahrzeuge eine unfreiwillige Salzwasserdusche. Ich verfolgte das Spektakel vom Land aus mit einem mulmigem Gefühl im Bauch. Erleichtert vernahm ich die Meldung durchs Walkie-Talkie, dass alle heil am anderen Ufer angekommen waren.

Erst in den frühen Morgenstunden ließ der Wind nach. Die Fähren nahmen ihren Betrieb wieder auf. Zum Bezahlen geht man durch eine kleine, unscheinbare Tür an der Seite des Schiffes. Die Preise sind sowohl in Chilenischen und Argentinischen Pesos als auch in US-Dollar angeschrieben. Schwankt der Preis in Argentinischen Pesos von Jahr zu Jahr enorm, bleibt er in Dollar einigermaßen stabil bei rund 40 USD für ein Fahrzeug unter 3,5 Tonnen. Besitzer größerer Fahrzeuge zahlen etwa das Doppelte. Kredit- oder EC-Karten werden nicht akzeptiert. Als Quittung bekommt man einen handgeschriebenen Fetzen Papier, den man in die Windschutzscheibe legt. Über eine schmale Treppe gelangt man eine Etage höher, um die Aussicht zu genießen. Wer Glück hat, kann von dort im schäumenden Fahrwasser der offenen Fähre schwarz-weiße Toninas entdecken, die kleinste Delphinart der Welt.

 

Gefährliche Alternative

Wir bevorzugen mit unseren Reisegruppen seit eh und je diese kurze Passage, auf dem Hin-, wie auf dem Rückweg. Aus gutem Grund: Bei der Erkundungstour nahmen wir auch mal die Fähre zwischen Tres Puentes bei Punta Arenas und Bahía Chilota, der vergessenen Siedlung Porvenir auf Feuerland. Zweimal täglich, jeweils um neun und 16 Uhr, verkehrt hier eine Fähre. Damals wurden die Lkw so dicht aneinander gestellt, dass sie bei starkem Seegang oben zusammenschlugen. Mittlerweile sind zwar größere Schiffe im Einsatz, die bis zu 70 Fahrzeuge fassen, doch ist es kein Zuckerschlecken bei schlechtem Wetter die 20 Seemeilen in etwa 2,5 Stunden zurückzulegen.

Egal, mit welcher Fähre, um die Magellanstraße kommt man nicht herum, wenn man ans südliche Ende der Panamericana möchte. Feuerland ist nicht einfach nur eine von vielen Stationen, sondern für viele Overlander das Ziel schlechthin. Südlicher kommt man mit einem Fahrzeug nicht. Im Tierra-del-Fuego Nationalpark, unweit von Ushuaia, ist nicht nur die Ruta 3, sondern auch die Panamericana definitiv zu Ende. Und für alle, die gen Norden unterwegs sind, beginnt die lange Fahrt Richtung Alaska. Wem die Fähren im tiefen Süden nicht abenteuerlich genug erscheinen, dem empfehle ich die Fähren auf der bolivianischen Seite des Titicacasees. Diese zusammengeschusterten Holzkähne verdienen den Namen „Fähre“ im Grunde kaum und es grenzt an ein Wunder, dass sie das andere Ufer heil erreichen. In diesem Sinne, allzeit gute Fahrt und Schiff ahoi, egal, ob auf der Panamericana, in Skandinavien oder sonst wo auf unserem schönen Planeten.

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