explorer: Die anziehende Kraft der Sahara begleitet Sie schier Ihr ganzes Leben. Können Sie sich daran erinnern, wie diese Faszination einst entstand?
Norbert Hellwig: Schon als kleines Kind habe ich die Bücher von Karl May verschlungen. Da gab es zum einen die Geschichten um Winnetou, also die Indianer, aber dann gab es auch die Geschichten um Kara Ben Nemi und Hadschi Halef Omar. Die spielten unter anderem in der Sahara. Ich habe alles gelesen und gesehen, was man früher im Fernsehen gucken konnte. Die Reportagen schaue ich mir heute noch an.
1983 — das war das Geburtsjahr des Panda Allrad — hatte ich in Hellbronn dann einen Geschäftspartner, der in relativ jungen Jahren über Südspanien nach Tanger übergesetzt ist. Der hat mir erzählt: ‚Wenn du erstmal in Nordafrika bist, ist nicht nur das Atlasgebirge vor der Tür, sondern auch die Sahara wie ein Magnet.‘ Er ist mit seinem Pinzgauer jahrelang jedes Frühjahr in die Sahara gefahren. Und dann hat er mir eben auch beschrieben, wie er das empfunden hat: ‚Du hörst nichts außer deinen eigenen Atem, wenn ein Skorpion über den Sand kriecht oder im Geröll kleine Tiere umherstreifen.‘ Anfangs hatte er richtig Angst, weil sein Gehirn auf diese Stille nicht vorbereitet war. Aber wenn man sich daran gewöhnt, macht das süchtig. ‚Weil es nachts nur selten bewölkt ist, hast du einen fantastischen Sternenhimmel! Ohne Lichtverschmutzung siehst du in andere Galaxien.‘ So hat er mir das beschrieben. Das war vor 40 Jahren und ist mir nicht aus dem Kopf gegangen.
explorer: Ihre Geschichte ist in großen Teilen die des Träumens und des Wartens. Wann wurde die Sahara für Sie das erste Mal richtig greifbar?
Norbert Hellwig: 2018 war ich um meinen Geburtstag zum ersten Mal in Nordafrika und lernte in Tunesien meine jetzige Frau kennen. In Deutschland haben wir irgendwann entschieden, dass wir uns einen Panda kaufen. Das sollte eigentlich nur ein Zweitwagen sein, und ich dachte mir: Wenn schon ein Panda, dann mit Allrad. Dass ich damit in die Wüste fahren würde, wusste ich damals noch nicht.
Wegen einer kleinen Rente arbeite ich derzeit noch in einem Autohaus. Als unser Meister dann aber mit 63 Jahren, kurz nach seinem Geburtstag und kurz vor meinem, starb, war das natürlich ein Schockmoment. Irgendwann habe ich dann gesagt: Wenn nicht jetzt, wann dann? Geh irgendwie deinen Traum an!
Den Kids der Familie meiner Frau hatte ich versprochen, dass ich das nächste Mal mit dem Auto nach Tunis kommen würde, damit ich sie durch die Stadt kutschieren kann. Als ich mich intensiv mit den Distanzen bis in die Sahara auseinandersetzte, stellte ich fest: Von Tunis bis nach Tozeur sind es rund 500 Kilometer und dann bist du eigentlich schon mittendrin. So ist im April letzten Jahres die Idee geboren: Ich fahre in die Sahara, und mein Schwager Hakim hat gesagt, er kommt mit.
explorer: Was macht den 4×4 Panda in Ihren Augen so besonders?
Norbert Hellwig: Ich sage immer, das ist der am meisten unterschätzte kleine Offroader, den wir in Europa haben. Viele Leute wissen gar nicht, was das Auto kann. Er ist leicht im Gelände, er ist komfortabel auf der Straße — wenn man bei so einem kleinen Auto mit dem Radstand von Komfort reden kann. Der kleine Zweizylinder-Turbo-Motor hört sich zwar ein bisschen eigentümlich an, ist aber trotzdem richtig gut unterwegs — wenn es sein muss auch in der Beschleunigung. Ich brauche das Auto, um ein bisschen Spaß zu haben. Insofern ist das eine tolle Sache: Der Twin Air ist wartungsarm, hat kein großes Gewicht und die Differenzialsperre ist elektronisch. Wenn man es nicht provoziert, kann nicht viel kaputt gehen.
explorer: Sie begannen schon während der Reisevorbereitung, ihre Erlebnisse in den sozialen Medien zu teilen. Wie waren die Reaktionen?
Norbert Hellwig: Auf Instagram meinten Leute oftmals, ich sei irgendwie ein Abenteurer. Nee, das war ich nie, ich bin eben nur neugierig. Aufgrund meines Zeitplans haben viele gesagt: ‚Das schaffst du nie!‘ Aber die kennen mich halt nicht. Andere haben gefragt, ‚Wie willst du das schaffen?‘ Oder: ‚Ich hätte ja auch Interesse gehabt, aber mich nicht getraut.‘ Viele von uns sind so getaktet, dass sie Dinge, die sie nicht kennen, nicht gerne angehen. Bei mir war das immer so: Wenn ich etwas nicht wusste, habe ich nachfragt. Das war für mich gerade interessant.
explorer: Wie viel Vorbereitungszeit hatten Sie und welche Anpassungen waren derweil am Auto nötig, um den Panda wüstenbereit zu machen?
Norbert Hellwig: Die Entscheidung für die Reise war im April 2023 getroffen, am 10. September fuhr ich in Deutschland los. Ich arbeite prinzipiell noch 70 Prozent, von Mittwoch bis Samstag, das heißt zwischen Samstagmittag und Mittwoch früh konnte ich Dinge am Auto machen. Durch Kontakte zu Frontrunner, fuhr ich irgendwann nach Hannover, um den Dachgepäckträger montieren zu lassen. Auch die Beleuchtung von Osram wurde dorthin geschickt. Für die Höherlegung, den Unterbodenschutz und den Schnorchel bin ich in die Toskana gefahren. Ich habe immer gewitzelt, dass mein Auto, bis es reisebereit ist, mehr gefahren ist als auf der eigentlichen Reise. So war es am Ende dann auch fast.
Endlich: Die Reise beginnt
explorer: Am 10. September starteten Sie von Deutschland Richtung Fährhafen in Genua. Wie fühlt sich das an, nach all den Jahren des Träumens?
Norbert Hellwig: Das ist eigentlich unbeschreiblich. Für mich begann das Abenteuer letztlich schon mit der Entscheidung für die Reise. Die Erlebnisse, die Leute, die mich mit ehrlicher Meinung und ihrer Arbeit unterstützt haben – das alles sind Dinge, die mich fasziniert und positiv bestimmt haben.
Die Aufregung stieg, als ich nach Genua fuhr, weil ich immer noch diese Bedenken hatte: Findest du das richtige Terminal im Hafen? Dann auf das Schiff… Das war aber im Prinzip alles gut zu machen. Unter Offroadern und Campern hilft man sich, das hat man auch da gemerkt.
explorer: Starteten Sie Ihre Reise mit Offroad-Erfahrung?
Norbert Hellwig: Ich hatte keinerlei Offroad-Erfahrung im praktischen Sinne. In jungen Jahren fuhr ich einen Suzuki LJ80, mit dem ich im Süden von Sardinien war. Da konnte man damals noch nett durch die Gegend fahren, aber man kann nicht von Offroad-Erfahrung sprechen. Ich habe viele Zeitschriften gelesen und mich mit vielen Leuten unterhalten: Was musst du machen, wenn dies und das passiert? Für meine Tunesien-Tour hatte ich ein Motto: Was kann ich dem Auto und mir zumuten? Das wollte ich austesten.
explorer: Ging der Plan auf? Was haben Sie vor Ort erlebt?
Norbert Hellwig: Ein Ortskundiger hat uns schon zu Beginn der Reise in Tamagzah in ein Flussbett zwischen zwei Wasserfällen geführt. An der Verfärbung konnte man sehen, dass der Boden weich und feucht war. Eigentlich wollte der Mann uns bis zum zweiten Wasserfall führen, bis er an einer Stelle sagte: ‚Stopp, hier kannst du nicht weiterfahren. Du musst einen kleinen Umweg nehmen, fahr rechts vom Flussbett lang.‘ Da war eine Erhöhung, die aber problematisch für meinen Panda war — trotz der Höherlegung. Zwischen zwei Felsen habe ich mich nicht getraut, mit Vollgas durchzufahren. Beim dritten Anlauf steckte ich dann bis zur Radnabe im Sand. Wir haben das trotzdem hingekriegt, das schließlich der große Vorteil vom Panda: Er wiegt ja nichts!
Auf dieser ersten Reise war ich im Atlasgebirge, an den Salzseen Chott el Gharsa und Chott el Djerid, in Eng Jamal, den berühmten Drehorten von Star Wars, und in der Wüstenoase Ksar Ghilane. Für die meisten Leute ist die Sahara der Inbegriff von Sand, aber das ist ja nur ein kleiner Teil. Um die Sandwüste zu durchfahren, muss man relativ weit in den Süden Tunesiens fahren.
Immer wieder war ich in der Nähe der algerischen Grenze. Noch vor drei, vier Jahren haben die Leute gesagt: ‚Bloß nicht, fahr da nicht hin!‘ Ich hatte keine Probleme, egal wo ich war, sondern tolle Erlebnisse mit den Menschen.
explorer: Ist Ihnen eine Begegnung in besonderer Erinnerung geblieben?
Norbert Hellwig: In der Nähe von Ksar Ghilane war ein kleines Café — wir würden fast sagen eine Baracke aus Ton, davor ein Kamel, das ganze natürlich sehr alt. Bei der ersten Durchfahrt sah ich nur ein paar Kinder und Hunde. Auf der Rückfahrt tranken Hakim und ich dort einen Kaffee. Irgendwann kam die Mutter dazu und brachte uns ein selbst gebackenes Brot. Obwohl wir eigentlich genügend Wasser dabei hatten, haben wir noch extra Wasser gekauft — einfach um noch ein bisschen Rechnung zu machen. Wir wollten uns bedanken. Dann kam die Frau auch noch an und brachte mir einen Glücksbringer und meinem Beifahrer einen Schlüsselanhänger mit einem Kamel dran. Die Leute leben unter ärmlichsten Voraussetzungen. Sie haben nichts und geben alles — und das war herzlich.
explorer: Hat etwas nicht funktioniert, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Norbert Hellwig: Ich wollte unbedingt in ein Wüstencamp. In zwei von drei ist wohl relativ viel los, mit Musikfestivals und Showeinlagen. Und dann gibt es das Camp Zmela. Das sind eigentlich nur Zelte und da geht es wirklich um das Übernachten unter Berbern. Das heißt, du isst, du machst dein Lagerfeuer, du genießt die Stille und siehst nachts den gigantischen Sternenhimmel. Wir sind in Ksar Ghilane relativ spät losgefahren, weil es hieß, es sind nur 20 Kilometer. Jetzt darf man 20 Kilometer in der Wüste natürlich nicht unterschätzen, das haben wir dann auch relativ schnell gemerkt. Anfangs fuhren wir noch auf einer Straße, dann war es noch ein Weg und dann war es nur noch eine Piste. Und nach 90 Minuten hatten wir noch nicht ganz die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Dann war die Piste nicht mehr eine, sondern dann waren da zehn! Selbst wenn der Sand weich aussieht, ist er manchmal steinhart. Du fährst wie über eine Buckelpiste. Das war natürlich anstrengend. Es gab Passagen, die wir mehr oder weniger im ersten Gang gefahren sind. Gott sei dank ist der erste Gang des Pandas recht kurz übersetzt, also konnten wir relativ langsam fahren, ohne die Kupplung schleifen zu lassen. Das war natürlich ein großer Vorteil, man kam aber trotzdem nicht voran.
Jetzt war es mittlerweile nach 16 Uhr — und um 18:15 geht die Sonne unter. Wir hatten auf der gesamten Fahrt kein anderes Fahrzeug gesehen, weder in die eine Richtung noch in die andere. Wenn jetzt etwas passiert wäre, hätten wir mittendrin gehangen. Ohne Vorerfahrung siegte dann doch die Vernunft über die Neugierde. Wir sind also umgedreht.
explorer: Hat der Panda die Reise insgesamt gut überstanden?
Norbert Hellwig: Das einzige, was Giorgio nach der Reise brauchte, waren neue Wischerblätter. Ich muss aber dazu sagen, dass ich das Auto natürlich entsprechend vorbereitet habe. Im Rahmen einer kompletten Inspektion ließ ich auch die Klimaanlage kontrollieren, die trotz der hohen Temperaturen perfekt funktioniert hat. Wir hatten auch ein paar Ersatzteile dabei, wobei mir die Profis immer gesagt haben: ‚Wenn etwas kaputt geht, dann ist es sowieso das, womit du nicht rechnest.‘ Gott sei dank sind wir gut durchgekommen.
Zukunftspläne
explorer: Schon für diesen Herbst planen Sie die nächste Tour. Was steht noch aus?
Norbert Hellwig: Ich wollte auf dieser ersten Reise nicht nur in die Ksar Ghilane, sondern wirklich in die Sanddünen des Jebil-Nationalparks. Jetzt nicht in die 50-Meter-Dünen, das ist Quatsch, aber ins Dünenland, das ist der Plan. Das ist auf dieser Tour gescheitert, nachdem ich in Douz einen Offroad-Guide kennenlernte, der mir sagte: ‚Norbert, zu dieser Jahreszeit macht das keinen Sinn! Selbst wenn du Luft ablässt auf unter ein Bar, dann versinkst du im Sand, weil der so weich ist.‘ Ich habe ja keine 250er-Reifen drauf, sondern 185er. Der Guide sagte mir: ‚Wenn du das machen willst, dann fahr die Strecke zwischen November und März.‘ Der Sand wäre mineralisch, erklärte er mir, und durch Feuchtigkeit, leichte Regenfälle, Hitze und Kälte verbinde sich der Staub auf der Sandoberfläche und werde fest. ‚Dann kannst du eher fahren.‘
explorer: Mittlerweile inspirieren Sie andere Menschen, wie Sie einst inspiriert wurden. Was möchten Sie denen, die vielleicht noch an ihrem eigenen Traum hadern, mit auf den Weg geben?
Norbert Hellwig: Ich hoffe, anderen Mut machen zu können. Hey, wenn du sowas vor hast, komm — egal ob du 30, 50 oder 70 bist. Wenn die Gesundheit es erlaubt, versuch das zu tun. Du brauchst nicht das Budget von 50 oder gar 100 Tausend, es geht auch mit relativ kleinem Budget. Immer wieder erreichen mich Kommentare oder direkte Nachrichten. Gerade hat mir jemand geschrieben: ‚Du rufst Erinnerungen in mir wach — ich war schon als junger Kerl mit dem Motorrad in Marokko und Libyen.‘ Es gibt sogar Leute, die fragen: ‚Könnte ich das nächste Mal vielleicht sogar mitkommen?‘ Da ist jemand mit einem VW-Bus dabei, ein anderer mit einem Motorrad. Vielleicht werde ich sogar offiziell sagen: Wenn ihr wollt, dann kommt doch mit! Dann machen wir die Fahrt gemeinsam. Ich könnte mir vorstellen, dass so eine Tour unter Gleichgesinnten auch wieder inspirierend ist für die nächsten.
explorer: Werden Sie wieder mit Ihrem Panda aufbrechen?
Norbert Hellwig: Unbedingt!
Das Porträt zu Norbert Hellwig und seinem Allrad-Panda Giorgio lesen Sie im explorer 03-2024.