Aus Berlin in die Welt: Humboldt in Südamerika

Alexander von Humboldt war nicht nur in seiner Heimat als Naturforscher aktiv, er entdeckte auch als wissbegieriger Globetrotter die Welt – und beeinflusst sie noch heute. 2019 war sein Jahr

Die Magellanpinguine sind äußerst zutraulich und lassen sich an verschiedenen Orten gut beobachten. Aber: Anfassen bitte unterlassen.

Wir steigen in unser Expeditionsmobil, gehen auf Entdeckungsreise, aber tief in unserem Inneren wissen wir: Eigentlich ist die Zeit des Entdeckens doch vorbei. Da waren andere Generationen besser dran. Wer mit offenen Augen und Ohren durch die Welt reist, erkennt das schnell. In Lateinamerika, speziell in Patagonien, laufen einem immer wieder die gleichen Namen über den Weg: Wir überqueren die Magellanstraße, bestaunen die Darwin-Kordillere, erleben den Sonnenaufgang am Fitz Roy, schippern über den Beagle-Kanal und fotografieren die putzigen Humboldtpinguine. Und irgendwann versteht man, dass diese großen Namen zusammenhängen wie in einem großen Puzzle der ersten echten Expeditionen.

Fernão de Magalhães war schon 1520 in diesen stürmischen südlichen Gefilden unterwegs. In der argentinischen Stadt Puerto San Julián kann man heute einen Nachbau eines seiner Schiffe besichtigen, die Nao Victoria. Unglaublich, dass man sich damals traute, mit diesen Nussschalen den Atlantik zu überqueren und den Naturgewalten zu trotzen. Und das ohne moderne Navigationssysteme an Bord! Was muss das für ein erhabenes Gefühl gewesen sein, wahrlich eine Reise ins Unbekannte, ohne Sicherungsseil und doppelten Boden. Kein ADAC, der einen im Notfall nach Hause befördert, kein Google Maps oder -Garmin, wo man Position und Route checken kann, kein Frühwarngerät bei drohenden Gefahren.

Damals gab es als Instrumente Dinge wie Sextant, Teleskop, Längenuhr, Inklinartorium und Barometer. Mein Onkel hatte mit 16 Jahren als Matrose angeheuert und viele Jahre die Welt umsegelt. Und auch, wenn damals die Technik viel weiter war als zu Magellans Zeiten, hatte auch das für mich noch sehr viel Abenteuercharakter. Vielleicht haben seine Geschichten, denen ich als kleines Mädchen nur allzu gerne lauschte, meine bis heute ungebrochene Reiselust geschürt.

 

Humboldt, der Naturforscher

Mehr als 300 Jahre nach Magellan segelte Alexander von Humboldt hinaus auf die Weltmeere. Geboren am 14. September 1769 in Berlin, hätte er dieses Jahr seinen 250. Geburtstag gefeiert. Dem zu Ehren hat man deshalb 2019 zum Humboldt-Jahr ausgerufen. Feiern wir also den runden Geburtstag eines Mannes, dem man in Südamerika immer wieder begegnet – kaum eine größere Gemeinde, die nicht eine Straße nach ihm benannt hat. Doch damit ist es bei weitem nicht getan: Über 100 Tiergattungen wurden nach dem Forscher benannt, zum Beispiel die niedlichen Herren im Frack, die Humboldtpinguine, die sich übrigens im Aussehen kaum vom Magellanpinguin unterscheiden.

Deutlich bekannter ist jedoch der Humboldtstrom, jene kalte Meeresströmung an der Westküste -Südamerikas. Der Naturforscher konnte damals die Huldigung gar nicht nachvollziehen. 1837 meinte er dazu: „Die Strömung war 300 Jahre vor mir bereits allen Fischerjungen von Chile bis Payata bekannt; ich habe bloß das Verdienst, die Temperatur des strömenden Wassers gemessen zu haben.“ Drei Jahre später nahm er die Ehrung dann aber doch noch an.

Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt, so sein vollständiger Name, war nicht nur sehr wissbegierig, sondern auch sehr abenteuerlustig – und der südamerikanische Kontinent hatte es ihm dabei besonders angetan. Als er im Alter von 30 Jahren eine stolze Summe von seiner Mutter erbte, verfügte er über ausreichend Kapital für seine erste  mehrjährige Expedition, nachdem er sich zuvor nur in Deutschland aufgehalten hatte – und mit zahlreichen Ideen als Oberbergmeister dem Bergbau viele neue Impulse gab. Nun war er von einem Tag auf den anderen, übertragen auf heutige Verhältnisse, Millionär.

1799 brach er mit seinem französischen Begleiter, dem Arzt Bonpland vom spanischen Hafen La Coruña zu der Expedition auf, auf die er sich jahrelang akribisch vorbereitet hatte. Den Weg bis nach Madrid liefen Humboldt und Bonpland übrigens die meiste Zeit neben dem Wagen her, der ihre Ausrüstung trug – sie nutzten die Reise zur Erhebung von Daten und kartografierten so en passant erstmals einen Teil der innerspanischen Hochebene.

 

Humboldt, der Wissbegierige

Auf seiner Reise an Bord der „Pizarro“, die ihn zu drei eigenständigen Expeditionen ins Landesinnere führte, interessierte sich Humboldt für so gut wie alles. Er erstellte neue Karten, sammelte exotische Pflanzen, beschrieb bis dato völlig unbekannte Tierarten, betrieb Gesteinskunde und Vulkanologie und nahm auf Schritt und Tritt Messungen vor. Er notierte Luftdruck, Temperatur, Höhe, Luftfeuchtigkeit. Er bestieg den Vulkan Chimborazo, der damals als höchster Berg der Welt galt. Noch nie war jemand so weit oben wie Humboldt. Nicht mal Ballonfahrer! Steine von diesem Vulkan waren damals genauso eine Sensation wie Teilchen vom Mond. Übrigens ist der Chimborazo tatsächlich der höchste Berg der Welt – wenn man vom Erdmittel- punkt aus misst. Denn die Erde ist nicht kreisrund, sondern eher, nun ja, sagen wir mal kartoffelförmig… und in Äquatornähe eben deutlich breiter als im Himalaya-Gebiet. Vom Erdzentrum aus gerechnet, ist der Chimborazo 2.000 Meter höher als der Mount Everest!

Humboldt war in einem gewissen Sinn der erste Umweltschützer

Während der Vulkanbesteigung skizzierte Humboldt die Vegetation und war erstaunt darüber, wie sehr sie in bestimmten Höhenlagen der der Alpen ähnelte. So kam er zu der Erkenntnis, dass es auf der Erde verschiedene -Klima- und Vegetationszonen gibt. In fünf Jahren sammelte er so viel Material, dass seine Niederschrift mit dem etwas umständlichen Namen „-Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents“ in sage und schreibe 29 Bänden erschien.

Auch heute sind seine Erkenntnisse wieder aktueller denn je, war er doch in gewissem Sinne der erste Umweltschützer und der Erste, der begriffen hat, dass der Mensch Einfluss auf das Klima hat. Er wusste, dass in der Natur alles mit allem zusammenhängt, dass wir nicht die Schöpfer, sondern Teil eines komplexen Systems sind. Seine Reise muss mit unglaublichen Entbehrungen einhergegangen sein. Im Dschungel des Amazonas wurde er von den Mückenschwärmen schier aufgefressen und in den Anden erfror er fast. Bei dem Komfort, den wir heute auf Reisen genießen, kann man sich die Umstände seiner Unternehmungen kaum vorstellen.

 

Humboldt, der Inspirierende

Im Jahr 1831 brach Charles Darwin zu seiner fünfjährigen Weltumsegelung auf der Beagle auf, mit Robert FitzRoy als Kapitän. Aus seinen Notizen geht hervor, dass Darwin derart von Humboldt inspiriert war, dass ohne ihn seine eigene Reise wohl nie stattgefunden hätte. 1842 trafen sich die beiden Forscher. Darwin war damals gerade erst 32, Humboldt bereits 72 Jahre alt. Leider starb Humboldt fünf Monate bevor das Werk Darwins über die Entstehung der Arten erschien, in der er erstmals ausführlich seine Evolutionstheorie beschrieb.

Dieses Jahr wäre Humboldt 250 Jahre alt geworden. Er hielt den Menschen schon damals für eine parasitäre Spezies und wäre heute sicherlich außer Rand und Band. Was würde er von den Handlungen und politischen Entscheidungen halten, die die von ihm mit so viel Hingabe erforschte Erde immer weiter in Gefahr bringen? Sicherlich wäre er angesichts von so viel Ignoranz schockiert.

Abschließend sei noch erwähnt, dass Humboldt es auf ein stattliches Alter von 89 Jahren brachte, was für die damalige Zeit wirklich erstaunlich war. Ich nehme das gern als Indiz dafür, dass eine gewisse Neugierde auf die Welt und Reisen Geist und Körper jung halten! Vorausgesetzt, man passt bei allem Abenteuergeist auch ein wenig auf sich auf. In diesem Sinne, viel Spaß bei euren persönlichen Expeditionen!

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