Leser unterwegs in Saudi Arabien – Ein Königreich für Abenteurer

Familie Wick berichtet von ihrer Abenteuerlichen Reise über die arabische Halbinsel, wo sie so einige Abenteuer erlebt haben

Saudi-Arabien
Wie in einer anderen Welt: mittendrin im Wadi Al-Disah

David, Larisa, Noam & Jaron Wick

Lange geplant, pandemie- und nachwuchsbedingt zweimal verschoben, doch nun haben sie (es) gepackt: Ihre Reise führte David und Larisa Wick mit den beiden Söhnen Noam und Jaron durch die Weiten der Arabischen Halbinsel – inklusive Squaredrop-Trailer. Dieser diente als Wohn-, Spiel- und Schlafzimmer und wurde für sechs Monate das Zuhause der Familie.

 

Saudi Arabien

Alter: 45, 42, 7 & 2 Jahre
Wohnort: Nussbaumen, Schweiz
Reiseregion: Arabische Halbinsel
Reisedauer: 6 Monate
Reisestrecke: rund 15.000 km
Website: diekarawane.ch

Mitsubishi Pajero mit Kuckoo Camper

 

Saudi-Arabien

Baujahr: 2015
Motor: 3,2 l
Verbrauch: 18 – 20 l (mit Trailer)
Aufbau: Kuckoo-Trailer mit iKamper-Dachzelt
Schlafplätze: 2 im Trailer, 2 – 4 im Dachzelt

 

 

Are you going to the Edge of the World?” Ein freundliches Nicken unsererseits. Wir lassen dem portugiesischen Pärchen mit im besten Falle straßentauglichem Mietwagen den Vortritt. Wir haben das gleiche Ziel: eine schroffe, bis zu 200 Meter hohe Felsklippe, welche sich über mehrere hundert ­Kilometer durch Zentralarabien zieht. Doch wie so oft in Saudi-Arabien war es das mit der Gewissheit. Führt eine Piste dorthin? Gibt es eine touristische Infrastruktur, Möglichkeiten zum Campen, Wasser? Das erste ausgetrocknete Bachbett lässt der vor uns fahrende Mietwagen stolz hinter sich, unser Pajero mit Trailer federt entspannt durch und freut sich auf mehr. Auf feste Piste folgt Schotter, folgt Wellblech, folgt Geröll. Es dauert nicht lange und wir erweitern unseren Konvoi: Ein weiterer Mietwagen stößt zu uns, diesmal mit philippinischer Crew. Wenige Kilometer später winken uns zwei Schweden zu. Sie kapitulieren zu Recht vor der Passage durch die tiefe Furche – und steigen bei uns ein.

 

Auf an das Ende der Welt

Auf feste Piste folgt Schotter, folgt Wellblech, folgt Geröll

Es ist nicht der mangelnde Versicherungsschutz der Kompaktwagen, welcher die Fahrt bald erneut unterbricht. Es ist die schiere Unüberwindbarkeit der kürzlich erst aufgeschütteten
Wälle, welche unseren Tross zu einer Konsolidierung zwingt. Die Sonne droht in Kürze vom Horizont verschluckt zu werden und die Tagesausflügler müssen im Anschluss auch noch den Weg zurück in die Hauptstadt Riad finden. In wenigen Minuten ist unser Gespann bis auf den letzten Platz gefüllt: Zu sechst sitzen wir im Auto, zwei Kräftige krallen sich auf dem Dach ans Rack, zwei Schüttelresistente finden im Trailer Platz. Und der Mutigste von allen installiert sich auf dessen Deichsel. So holpern, kraxeln und driften wir zu elft dem gefühlten Ende der Welt entgegen.

 

Saudi-Arabien
Nicht allein: Glücklicherweise sind die sehr giftigen Skorpione im UV-Licht gut zu erkennen

 

Glücklicherweise ohne Personenverlust, dafür partiell bis komplett verstaubt und durchgeschüttelt erreichen wir schließlich kurz vor Sonnenuntergang den imposanten Felsabbruch. Gelohnt haben sich die Strapazen und –wie sich später herausstellen wird – 40 Euro Versicherungsschaden allemal, da sind wir uns einig. Während wir unser Camp aufbauen, finden die Tages­touristen im Anschluss den Rückweg, ihre Autos und gegen Mitternacht die nur 100 Kilometer entfernte Hauptstadt. ­Happy End, einmal mehr.
In Saudi-Arabien kann man wunderbar auf sich selbst angewiesen sein. Es mag sein, dass sich das Land seit der Öffnung im Jahr 2019 (mit kurz darauf­folgender Schließung wegen Covid bis Mitte 2021) touristisch entwickelt hat. Zeichen dafür sind allenfalls eine sehr schnelle Online-Visum-Ausstellung (innerhalb von drei Minuten), der freundliche und gut organisierte Grenzübertritt (gar auf dem Landweg) oder ein überragender Auftritt auf der Expo. Doch in den unendlichen Weiten des Landes ist davon glücklicherweise noch wenig zu finden. Dafür umwerfende Landschaften und authentische Gastfreundschaft, wo wir uns bewegen. Wir sind begeistert von diesem viel ­gescholtenen Land.

 

Saudi-Arabien
Angekommen: So also sieht „das Ende der Welt“ aus

 

Das Einweg-Ticket

Die Route unserer Reise ist lange Zeit vage mit den Worten „durch die Arabische Halbinsel” gefasst. Bewusst, weil wir mitten in der Omikronwelle Ende 2021 beschließen, die Reise durchzuführen – nachdem wir bereits 2020 und 2021 verschoben haben – und dadurch unklar ist, welche Länder und Routen überhaupt geöffnet haben. Semibewusst, weil familieninterne Routendiskussionen nicht unnötig früh befeuert werden wollen. Konsens herrscht (immerhin), dass wir nach Dubai einschiffen und auf dem Landweg nach Hause reisen.
Gar mir ist klar, dass wir als Familie mit einem knapp 2- und einem 7-jährigen Kind keine Extremrouten durch Sand und Wüste wählen und die kritischen Regionen großräumig umfahren. Doch während die Schwiegereltern den gesamten Mittleren Osten zu einem Risikogebiet zählen und uns gerne in Skandinavien oder Südeuropa sähen, ziehen wir die Grenzen regional. Am Ende führt uns die sechsmonatige Reise durch den Oman, Saudi-Arabien, Jordanien und Israel sowie durch Griechenland und Italien (jeweils mit der Fähre/RoRo) als Heimweg.

 

Saudi-Arabien
Sehenswert: traditionelle Bauweise in der lebens­frohen Hafenstadt Jeddah

 

Hallo Tier- und Campingwelt

Wir sind bereits gut eingespielt, als wir die Grenze zu Saudi-Arabien erreichen. Wassertank füllen (jede Moschee bietet kostenlos Trinkwasser an), Sandbleche setzen (weil mal wieder zu optimistisch/faul den Reifendruck zu reduzieren) und Camp aufbauen (gegen den Nachtwind, optimiert für Nachmittagsschatten) – die elementaren Aufgaben erledigen wir inzwischen souverän. Auch der Abendspaziergang mit der UV-Lampe gehört zum Ritual. Je mehr Skorpione am Boden dabei aufleuchten, desto konsequenter werden die Campregeln durchgesetzt: Schuhe vor dem Anziehen ausschütteln, Taschen hochlagern, keine geologischen Erkundungstouren für Kleinkinder. Im Umgang mit den vierbeinigen Zeit- und zuweilen Zeltgenossen haben wir ebenfalls bereits Erfahrungen sammeln können: dank einiger Kamelherden, die erpicht auf unsere Essenvorräte waren, mit Ziegen und Schafen, aber auch durch Sichtungen von Wüstenfüchsen oder -igeln. Letzteres sind rare und sehr erfreuliche Momente.

 

Saudi-Arabien
Hungrig: Immer mal wieder schauen ­Kamele auf der Suche nach einem Snack vorbei

 

Weite erfahren.

Erfreulich waren auch unsere Erfahrungen mit Grenzübertritten. Es mag am Freitag liegen (was unserem Sonntag in der muslimischen Welt entspricht), dass generell praktisch keine Autos unterwegs sind, und so haben wir die ungeteilte Aufmerksamkeit der Grenzbeamten. Was anderswo in stundenlange Verhöre münden kann, führt hier, an der Grenze vom Oman nach Saudi-Arabien, zu herzlich interessiertem Smalltalk in solidem English. Die Fahrzeugkontrolle ist Formsache, das Carnet lassen wir erst gar nicht mehr abstempeln, nur um die lokale Kfz-Versicherung kommen wir nicht herum.
Und dann haben wir sie vor und für uns: die Rub al Khali. Die größte Sandwüste der Welt. Derart unwirtlich und weitläufig, dass sie als eines der letzten unerforschten Gebiete dieser Welt gilt. Temperaturen von über 50 Grad Celsius, Sand, wohin das Auge blickt, auf einer Fläche doppelt so groß wie Deutschland, Dünen von 250 Metern Höhe, ohne natürliche Siedlungen (es gibt nur ein kleines Barackendorf bei einem Ölfeld) und nicht einmal die Beduinen, beziehungsweise ihre Kamele, queren die Wüste. Doch seit 2021 gibt es eine komfortabel asphaltierte Straße, welche durch die Ostflanke der Rub al Khali verläuft. Ab der saudischen Grenze führt sie über 550 Kilometer bis zur nächsten Kreuzung durch wunderschönes, rötlich gefärbtes, feinst­körniges Nichts. Und dann nochmals die gleiche Distanz bis nach Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens.

 

Willkommen in Saudi-Morgana

Die Millionenmetropole vermag uns jedoch nicht zu überzeugen. Sei es, weil ein Sandsturm seit Tagen alles in eine Staubwolke hüllt. Oder weil wir in der weitläufigen Stadt kein organisches Zentrum erkennen können. Sogar die überschaubare moderne Innenstadt scheint nur lieblos zwischen zwei vielspurigen Schnellstraßen eingeklemmt.
Vielleicht aber auch deshalb nicht, weil wir auf den unwiderstehlichen Geschmack der arabischen Weitläufigkeit gekommen sind. Und deren Abgeschiedenheit. Weil wir kaum genug kriegen können von den fantastischen, nur scheinbar immer gleichen Landschaften und Sand- und Gesteinsformationen. Wir glauben, in diesen kargen Regionen die Schönheit der Natur unverfälscht aufnehmen zu können.
Wir übernachten in kilometergroßen Vulkankratern. Allein. Kriegen nur ab und an Besuch von einigen Kamelen. Wir schlagen unser Camp in der Wüste neben 300 und mehr Meter hohen Granitmonolithen auf, geschliffen durch Jahrmillionen Einwirkung von Sonne, Wind und Sand. Jeder für sich eine Sehenswürdigkeit höchster Güte. Wir verweilen auf und unterhalb von Felskanten und Gesteinsformationen, welche den Vergleich mit den berühmten Nationalparks in den USA nicht zu fürchten brauchen. Und wir schätzen die mehrere hundert Meter tief eingeschnittenen Wadis, welche uns zumindest teilweise vor der Sonne schützen und mit ihren Rinnsalen für kühle Füße sorgen. Zuweilen wähnen wir uns im Traumland, einer Fata Morgana gleich – nicht der Hitze, sondern der unfassbaren Pracht wegen.

Die Rub al Khali: wunderschönes, feinkörniges Nichts

 

Mehr als nur Beduinenzelte

Als wäre dies nicht genug: Zunehmend werden in Saudi-Arabien auch die kulturellen Schätze des Landes erkannt und gebührend zur Schau gestellt. Die ehemalige Haupt-, Lehm- und Heimatstadt der Königsfamilie Al-Saud namens Diriyah (heute ein Vorort von Riad) wird für Abermillionen Dollar in ein immenses Freiluftmuseum und einen Touristenmagnet verwandelt. Die wunderschönen Holz- und Lehmbauten der alten Handelsstadt Jeddah werden aufwendig renoviert und bieten einen angenehmen Kontrast zu der stetig wachsenden, multikulturellen und für saudische Verhältnisse sehr lebensfreudigen Metropole. Das Asir-Gebirge, eine bis zu 3.000 Meter hohe Gebirgskette, welche sich parallel entlang des Roten Meers zieht, bietet aufgrund der relativ häufigen Niederschläge fruchtbare Böden und eine erfrischend grüne Flora. Dies hinterlässt auch kulturelle Spuren, von aufwendig angelegten Terrassen bis hin zu jemenitisch beeinflusster Architektur. Wir besuchen die riesigen Sandsteingräber der Nabatäer in der unwirklichen Kulisse von Al-Ula (Hegra). Denn hier liegen sie, die vermögenden Erbauerinnen und Erbauer der weltberühmten Felsenstadt Petra (Jordanien).

 

Saudi-Arabien
Für die Ewigkeit gebaut: rund 2.000 Jahre altes Nabatäer-Grab in Al-Ula (Hegra)

 

Auch die Religion ist reizvoll fremdartig, wenn auch zumindest streitbar aus westlicher Sicht – speziell in dieser sehr strikten Auslegung, die in Saudi-Arabien praktiziert und propagiert wird (Wahabismus). Doch mit jedem Tag dort, mit jeder Begegnung, wächst unser Verständnis. Erfassen wir den kulturellen Rahmen, die sozialen Gefüge, die geografischen und klimatischen Herausforderungen besser. Für uns relativiert sich das durch die Medien geprägte Bild dieses Landes. Wir wissen einmal mehr, wieso wir so gern reisen: Nicht um zu urteilen, sondern um im Kontext verstehen und so andere Perspektiven einnehmen zu können. Und auch davon sind wir überzeugt: Wo ein Schatten, da auch Licht. Im Falle Saudi-Arabiens: viel Licht.

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