ON TOUR. OFF ROAD: REISEN. AUTOS. TECHNIK.

ON TOUR. OFF ROAD: REISEN. AUTOS. TECHNIK.

Leser unterwegs in Rumänien – Transalpina

Der Berg ruft!

 

Mercedes Unimog U1550/L37

Baujahr 1995

Motor OM 366 LA

Verbrauch 22 l/100 km

Aufbau Wohnkabine

Schlafplätze 2

 

 

Brigitte & Markus Kraus

Brigitte und Markus haben bereits in zehn Ländern dieser Welt gearbeitet und gelebt. Aktuell reisen sie als Projekt Frame Adventure Vollzeit, wobei sie ihre Touren möglichst mit einem wohltätigen Zweck verbinden, denn, so sagen sie: „Inspiriert von den vielen herzerwärmenden und unvergesslichen Begegnungen mit
Menschen aller Ethnien, Kulturen und Religionen möchten wir uns dafür einsetzen, Bedürftigen zu helfen.“

Alter 61 & 58 Jahre

Wohnort Zürich

Reiseregion Ungarn/Rumänien

Reisedauer Ende Juni bis Mitte Oktober 2022

Reisestrecke 6.732 km

 

Es ist Sommer 2022. Der erste Sommer seit zwei Jahren, in dem unbeschwertes Reisen wieder möglich ist. Wir sind auf dem Weg in die Karpaten, wollen unbedingt nochmals die Faszination Transsylvanien genießen. Diesmal im soeben fertiggestellten Reisemobil, das wir Frame getauft haben. Wir wollen in den Südkarpaten auf einer ausgewiesenen Offroadstrecke bis auf 2.000 Meter über den Meeresspiegel kommen und dort in kühler Umgebung phänomenale Weitsichten genießen. Auf zu einer der imposantesten Gebirgsstraßen Rumäniens, auf zur Transalpina. Wenn der Berg uns ruft, dann kommen wir Schweizer!

Unser Weg führt uns einmal mehr über sehr gute Straßen von Hateg nach Petrosani, wo wir unsere Vorräte nochmals richtig aufstocken. Schon der erste Versuch ist erfolgreich, wir können bei einer Tankstelle Frischwasser bunkern. Mit vollem Kühlschrank, Wasser- und Sprittank sind wir gerüstet für unser Abenteuer, das direkt nach Petrosani beginnt. Auf Straßen, die grenzwertig für Fahrzeuge unserer Größe sind, schlängeln wir uns auf den Groapa-Seaca-Pass hinauf. Die Autofahrer auf dieser Strecke sind erstaunlich verständnisvoll und beim Passieren zuvorkommend. Vielleicht auch aus Rücksicht, weil sich hinter dem nächsten Felsvorsprung plötzlich unser Frame mit 3,45 Metern Höhe und breiten Schultern zeigt. Neben den spitzen Kurven und engen Straßen sind es vor allem die Felsvorsprünge, die es für uns hier zu beachten gibt. Die große Verschränkung des Unimogs bringt es mit sich, dass der Wohnaufbau auch mächtig mitschwingt. So können wir gut und gerne quasi plötzlich einen halben Meter breiter werden, als wir sonst schon sind. Beim regelmäßigen Zur-Seite-fahren, um schnellere Verkehrsteilnehmer vorbeizulassen, wird uns jedenfalls freundlich mit den Warnblinkern gedankt.

 

Kaum Camper sind auf den Bergstraßen unterwegs, dafür gibt es Schafe, so weit das Auge reicht

 

Die letzten Kehren vor dem Pass

Der Unimog schnauft mit erstaunlicher Leichtigkeit den Berg hinauf. Schon bald biegen wir auf die Transalpina-Strecke ein, die sich im Vergleich wie eine Autobahn anfühlt. Es geht nun in südlicher Richtung bergauf, Spitzkehre um Spitzkehre. Ein Personenwagen schaltet hier mindestens in den zweiten Gang hinunter. Unser Frame macht es im fünften im Splitgetriebe. Kurz vor dem Pass biegen wir links auf einen Naturpfad ein. Hier beginnt die Offroadstrecke. Schon jetzt ist das Panorama umwerfend und wir könnten eigentlich auf jeder Kuppe Nachtlager beziehen. Doch wir wollen noch etwas Distanz zur Hauptverkehrsstraße gewinnen und ganz unentdeckt stehen können. Wir tuckern auf dem sehr steinigen, aber festen Untergrund der Bergkuppe entlang. Immer wieder rückt Brigitte etwas näher zu mir, denn auf ihrer Seite ist es steil abfallend.

Nach circa zehn Kilometern Ruckelpiste und im zweiten Versuch glauben wir, unseren Standplatz für die Nacht gefunden zu haben. Wir positionieren uns etwas unterhalb des Weges auf einer kleinen Plattform im Gras und genießen erst mal den unglaublichen Blick ins vor uns liegende Tal und auf die Berge dahinter. Erst beim Anschauen des Videomaterials unseres allabendlichen Drohnenfluges entdecke ich, dass wir etwas knapp über einer felsigen Kante stehen.

„Schon kurz vor dem Pass ist das Panorama einfach umwerfend“

Sollte es Regen geben und ich aus irgendwelchen Gründen beim Hinauffahren zur Straße auf der nassen Wiese ins Rutschen kommen, dann könnte das im schlimmsten Fall zum Problem werden. Am kommenden Morgen sind wir entsprechend schnell in Aufbruchstimmung. Etwas Regen ist erst für den späteren Verlauf des Tages angesagt, aber in den Bergen weiß man ja nie. Kaum ein paar Kilometer weiter eröffnet sich uns eine Möglichkeit zum Stehen mit Panorama-Rundumsicht und Blick auf den traumhaften Vidra-See. Auf der Strecke dorthin sind wir froh, ein allradangetriebenes Fahrzeug zu haben.

Wir stehen im Sattel zwischen dem Gipfel des Puru im Nordosten, der uns noch um 150 Meter überragt, und einem kleineren Hügel im Westen. Der Puru befindet sich auf der Wetterseite und schützt uns gut vor starkem Wind. Im Norden haben wir freien Blick auf den Vidra-See, dahinter erstreckt sich der nördliche Teil der Südkarpaten. Der Nordwesten bietet allabendlich ein wunderbares Naturschauspiel bei untergehender Sonne. Gen Süden sehen wir in circa sieben Kilometern Entfernung Galbenul, Musetoaia und Micaia. Alle ragen höher als 2.000 Meter und zählen damit zu den höchsten Gipfeln hier in den zentralen Südkarpaten.

 

Fischen, baden, rudern oder einfach den Blick genießen am Vidra-See

 

Freiluftshopping auf dem Transalpina-Pass: Von Pantoffeln bis Gebäck gibt es hier alles

 

Ein bisschen alpine Romantik gefällig? Bitte sehr: einsames Lagerfeuer vor umwerfendem Bergpanorama

 

Regen, Nebel, Sonnenschein

Wo wir hier wirklich gelandet sind, realisieren wir erst in den kommenden Tagen. Denn, ja, so lange bleiben wir an diesem wundervollen Ort. Wir sind zwar knapp über der Baumgrenze und somit wirkt unsere Umgebung etwas weniger verträumt, der Weitblick in alle Richtungen ist aber einmalig. Unsere Terrasse mit Blick auf den etwa 600 Höhenmeter unter uns liegenden Vidra-See ist ein kurz geschorener Heidelbeerhain. Selbstverständlich gibt es für uns deshalb zweimal täglich frische Heidelbeeren: zum Frühstück im Müsli und sonst mal zwischendurch, bevorzugt mit griechischem Joghurt. Heidelbeerjäger, ein paar Schafhirten und Offroader mit Motorrad oder Geländewagen sind die einzigen Menschen, die sich hier hinaufverirren. Aber Letztere sind fast nur am Wochenende anzutreffen.

Als wir uns vom Unterland nahe Hunedoara verabschiedet haben, stand das Thermometer knapp vor 40 Grad Celsius. Jetzt, auf 1.900 Höhenmetern und nach dem ersten Regen, sind es frühmorgens noch knappe sieben Grad. Tut der Romantik hier oben aber keinen Abbruch. Der Regen ist ein Naturschauspiel für sich. Und hier in den Bergen verschwindet er so rasch, wie er gekommen ist. In den kommenden Tagen wechseln sich Regen, Nebel und Sonnenschein ab. Wir schmeißen des Öfteren mal unsere Fußbodenheizung an, für ein Lagerfeuer am Abend ist es meiner Frau aber nun zu nass und zu kalt. Trotzdem steige ich ein paarmal in den rund 50 Höhenmeter unter uns liegenden Wald ab, um ein paar tote Bäume heranzuschleppen und eine Feuerstelle aufzuschichten. Über die durften sich aber schlussendlich andere freuen, wir reisten unverrichteter Dinge weiter. Nächstes Ziel: Sibiu. Vorher wollen wir aber unbedingt noch eine Nacht am von dichten Wäldern umgebenen Vidra-See verbringen, auf den wir seit Tagen heruntergeschaut haben.

Zuerst steigen wir aber noch ganz hoch auf den Transalpina-Pass, wo es eine Art Freiluftshopping für Touristen gibt. Wir kaufen Schaffellpantoffeln, ein transsylvanisches Holzbrett und Heidelbeerschnaps. Für den Gaumen gibt es Hefekuchen, hier Cozonac genannt. Und weil wir beim Abwandern der Kuchenkalorien auf dem Pass erneut einen Spot entdecken, der fantastisch schön ist, beschließen wir, dort für die Nacht zu bleiben, obwohl es gerade einmal 15 Uhr ist. Wir stehen inmitten von verwurzelten Sträuchern und es ist überraschend sauber hier, auch wenn wir unweit der Hauptverkehrsachse über die Transalpina sind. Wir genießen einmal mehr die Abendstimmung und der einsetzende Regen vermiest mir zwar schon wieder mein Lagerfeuer, aber nicht unser Glück, auf über 2.000 Metern über dem Meeresspiegel ganz nah an den Wolken zu sein.

„Die Transalpina hat uns von A bis Z begeistert!“

Am nächsten Tag geht es die letzten Spitzkehren zum zweiten südlichen und höheren Übergang der Transalpina. Es jagen sich unzählige Touristen mit Auto und Motorrad die Passstraßen rauf und runter, dabei sehen wir nur äußerst selten andere Reisemobile. Mit etwas Rückstand zum ursprünglichen Reisefahrplan machen wir uns an den Abstieg. Wieder Richtung Norden und in der Hoffnung, am Vidra-See ein neues interessantes Fotosujet zu finden. Die Motorbremse kommt stark zum Einsatz, um die Bremsen zu schonen. Oft werden wir von am Straßenrand rastenden Touristen nett begrüßt, während unser Schwergewicht im Schneckentempo den Berg hinunterschleicht. 

Die Baumgrenze ist schon bald erreicht und der transsylvanische Wald wird immer dichter. Ein wunderbarer, tiefgrüner Tannenwald mit, wie uns scheint, gesunden Bäumen. Umso schockierender ist es, zu wissen, dass dieser Wald gerodet wird wie kein zweiter in Europa. Der Zugang zum Vidra-See gestaltet sich zum Schluss noch etwas schwierig. Einer steilen Rampe folgen etwa 150 Meter dichter Wald, der sich in unserer Lackierung verewigt. Es sind schon Dutzende andere Camper mit relativ großen Wagen am See. Wie immer suchen wir uns einen Platz mit etwas Privatsphäre und stellen uns schließlich einfach runter zum See. Warum hier wohl keiner steht, sondern alle am Waldrand kleben? Vielleicht suchen sie Schatten, vermuten wir. Wir aber wollen Sonne, denn zurzeit ist es hier immer noch ziemlich kühl.

 

Galbenul, Musetoaia und Micaia zählen mit je über 2.000 Metern zu den höchsten Gipfeln der zentralen Südkarpaten

 

Gemeinsames Rettungsmanöver: Mit dem Bergegurt des Unimogs wird ein festgefahrenes Reisemobil befreit

 

Matschabenteuer statt Seeblick

Wir richten uns auf einen ruhigen, gemütlichen Abend mit Seeblick ein. Doch es kommt anders. Beim abendlichen Spaziergang sehen wir einen Van, der genau in dem Creek steckt, den wir mit dem Unimog gemieden haben. Zwei Fahrzeuge sind schon auf die andere Seite gelangt, es geht also, für den Van war es aber zu viel. Wir offerieren unsere Hilfe, bald wuseln knapp zwei Dutzend Menschen umher. Helfer, Gaffer, Autobesitzer, Autofahrer und deren Cousins und Bekannte. Endlich haben einen geeigneten Anschlagpunkt für den Bergegurt gefunden. Ab jetzt werden gut gemeinte Hinweise in der Euphorie eines unmittelbar bevorstehenden Erfolges ignoriert. Das kann man später in Ruhe noch bei einem Bier besprechen.

Rausgezogen mit Unimog-Bergegurt

Es ist schon stockdunkel, als das Rettungsmanöver endlich beendet ist. Die Einladung zum selbst hergestellten Wein schlagen wir aufgrund der vorgerückten Stunde aus. Unser verliehenes Seil bekommen wir zusammen mit einem großen Dankeschön wieder sauber zusammengerollt zurückgereicht. Für uns war dieser Einsatz eine lehrreiche Erfahrung. Wenn wir auch noch nicht selbst geborgen haben, waren zumindest schon mal unsere Gurte im Einsatz. Aber nicht nur deshalb ist uns die Transalpina in guter Erinnerung geblieben. Sie hat uns von A bis Z begeistert.