Roadbook Albanien: Der Kultur auf der Spur

Nachdem ihre Reise nach Norwegen 2019 von Regen begleitet wurde, war für Familie Becker aus Neuss klar: 2020 soll es in die Sonne gehen! Sabine und Michael Becker fuhren mit ihren Kindern Paul und Leonard im Geländewagen für drei Wochen nach Albanien, wo nicht nur die Sonne, sondern auch abenteuerliche Strecken auf sie warteten.

Warum ausgerechnet Albanien? Das haben uns viele gefragt. Dabei ist Albanien doch ein populäres Reiseziel, gerade unter Reisenden, die abseits der Touristenpfade und mit Geländewagen unterwegs sein wollen. Kein Wunder, es gibt dort viel zu erleben! Albanien hat mehr zu bieten als nur seine Mittelmeerstrände: Auf der einen Seite geschichtsträchtige Orte, teilweise sogar mit UNESCO-Weltkulturerbe-­Status, und andererseits abwechslungsreiche Natur mit klaren Seen und einer beeindruckenden Gebirgswelt. Während der westliche Teil des Landes nahe der Mittelmeerküste inzwischen viel besucht ist und Wohnmobile auf den Campingplätzen in der Überzahl sind, sind weite Teile des Landes noch vergleichsweise wenig touristisch erschlossen.

 

Familie Becker

Alter: 46, 39, 8 und 6 Jahre

Wohnort: Neuss

Reiseland: Albanien

Reisedauer: 3 Wochen

Reisestrecke: ca. 5.000 Kilometer

 

Mercedes G Professional

Baujahr: 2010

Motor: 3,0-l-Diesel, 184 PS

Ausstattung: 3dog Offroad-Anhänger Traildog

 

Zwischen sorglos und riskant

So hatten wir uns den Anfang unserer Reise dann doch nicht vorgestellt. Nach Anreise mit einer griechischen Fähre über Igoumenitsa, war die Grenze nach Albanien schnell erreicht. Die Einreise hatte sich ebenfalls unbürokratisch und freundlich gestaltet, wenn auch mit etwas Wartezeit. Die Nacht wollten wir in Ksamil verbringen, einem bekannten Badeort ganz im Süden Albaniens. Kurz hinter der Grenze schlägt das Naviga­tionssystem eine Abkürzung vor, der wir folgen. Nach kurzer Zeit endet der Asphalt. Kein Problem, unser Gespann ist ja für alles gerüstet! Der Weg wird immer enger, Platz für Gegenverkehr ist hier längst nicht mehr. Schließlich führt er an einigen Häusern vorbei und endet plötzlich, auch wenn das Navi da ganz anderer Meinung ist. Unter den interessierten, aber freundlichen Blicken der Anwohner beratschlagen wir: Mit dem Anhänger die ganze Strecke rückwärts fahren oder irgendwie wenden? Mithilfe der Leute und geduldigem Rangieren gelingt es, das Gespann zu wenden. Wir können nun bestätigen, was viele Albanienreisende schon erfahren und geschrieben haben: Die Straßen hier im Land sind immer für eine Über­raschung gut. Das gilt übrigens auch für die Fahrweise vieler Albaner, die irgendwo zwischen sorglos und riskant liegt, die wir aber nie als aggressiv ­empfunden haben.

„Nach kurzer Zeit endet der Asphalt. Kein Problem für unser Gespann

Am Abend erreichen wir den Ort Ksamil, der tatsächlich gut besucht ist. Die wenigen Campingplätze sind voll, aber das Meer lädt noch zum Baden ein. Am nächsten Tag besichtigen wir die Ruinen der Stadt Butrint, die den Status eines Weltkulturerbes genießt. Gegründet von den Griechen, wurde sie später römisch, aber auch die venezianische und die osmanische Zeit haben in der Stadt ihre Spuren hinterlassen. Wir sind beeindruckt von Erhaltungs­zustand und Vielfalt der Ausgrabung, auch die Kinder haben viel Spaß bei ihrer Erkundung.

Über Gjirokastër geht es weiter nach Përmet, wir wollen einen Rundkurs durch den Frashër-Nationalpark fahren. Die Tour ist eine wirklich lohnenswerte, schön zu fahrende Strecke. Sie scheint nicht stark frequentiert zu sein, zum Glück haben wir die Astschere dabei, die hier häufig zum Einsatz kommt. Vorsicht ist aber zu Anfang der Strecke geboten: Dort queren wir eine schmale Betonbrücke. Als ich aussteige, um zu fotografieren, sehe ich, dass es auf beiden Seiten der Brücke ganz ohne Sicherung bestimmt 25 Meter in die Tiefe geht. Der Fluss hat hier einen engen, tiefen ­Canyon gegraben. Das heißt: absolutes Aussteigeverbot für die Kinder!

Das Leben in den kleinen Dörfern, die wir passieren, ist nach unseren ­Maßstäben sicher entbehrungsreich. Was uns aber auffällt: Viele Häuser ­haben ihren eigenen kleinen Nutzgarten. Die Gärten, wie auch die Dörfer selbst, sind gepflegt. Die Menschen begegnen uns freundlich und nie aufdringlich. Zum Abschluss des Rundkurses gibt es ein Bad in den Thermalquellen am Einstiegspunkt der Route. Es herrscht ziemlicher Trubel, aber offenbar verirren sich nur wenige Touristen hierher. ­Dabei steht hier auch eine der berühmten Steinbrücken aus osmanischer Zeit.

 

Berat ist als Stadt der tausend Fenster bekannt. Seit 2008 gilt sie als UNESCO- Welterbe

 

Ein Welterbe folgt dem nächsten

Auf abgelegenen Strecken fahren wir über Çorovoda nach Berat und folgen dabei teilweise dem Verlauf des Osum-Canyons. Als wir an einer kleinen Abzweigung von einer Schotterstraße tiefer in die Berge abbiegen, hupt uns ein einheimisches Fahrzeug hinterher. Wir halten an. Haben wir etwas Verbotenes getan? Nein, haben wir nicht, statt­dessen fragt uns der Fahrer des Autos fürsorglich, ob wir denn sicher seien, auf dem richtigen Weg zu sein? Ja, sind wir, die GPS-Koordinaten sind eindeutig. Wir bedanken uns und weiter geht es steil den Berg hinauf. Tatsächlich ist der Weg wieder einsam, aber gut zu fahren. Die Kinder dürfen lenken. Nur zwei Schildkröten queren unseren Weg, die wir natürlich genauestens begutachten.

Die Stadt Berat, ebenfalls Welterbe, ist unbedingt einen Besuch wert. Wir erkunden sie wegen der großen Hitze erst am Abend. Es ist Wochenende und die Stadt ist voller Menschen, die in den Straßen flanieren und die Restaurants besuchen. Es gibt sogar einen Rummelplatz für Kinder. Die Burg, die über der Stadt thront, erleben wir im stimmungsvollen Abendlicht.

„Die Tage vergehen schnell. Es geht weiter in Richtung Meer

Weiter geht es zum Ohridsee, dem zweitgrößten See des Balkans, im Osten Albaniens. In diese Gegend finden nur wenige Touristen ihren Weg. Wir bekommen einen Stellplatz direkt am See und nach so viel Hitze und Staub freuen wir uns über ein ausgiebiges Bad im klaren Wasser. Wir machen Ausflüge in die Umgebung, der Anhänger bleibt am See stehen. Besonders hier im Osten gilt: Eine in der Karte gelb eingezeichnete Straße muss nicht asphaltiert sein und der Zustand der Brücken ist manchmal doch recht abenteuerlich.

 

Der Ohridsee ist der zweitgrößte See des Balkans. Er zählt zu den weltweit ältesten Seen

Die Tage vergehen schnell, weiter geht es zurück Richtung Westen, ans Meer. In der Bucht von Durrës bei Kavaja bekommen wir auf einem Campingplatz noch einen Stellplatz direkt am Strand, obwohl der Platz schon fast voll besetzt ist. Aber so heiß und schwül haben wir es direkt an der Küste noch selten erlebt. Als wir dann auch noch mit Quallen in Berührung kommen, beschließen wir, nach nur einer Nacht weiter­zufahren.

 

Die Festung von Kruja ist von steilen Felsen umgeben und hat aus diesem Grund nur zwei Eingänge

 

Auf dem Weg zur Stadt Kruja erkunden wir noch die Festung Bashtova, die auf der Kandidatenliste steht, Weltkultur­erbe zu werden. Die Festungsmauer ist fast vollständig erhalten. Schade, dass die Anlage nicht besser gepflegt wird. Dafür sind wir die einzigen Besucher. Die Stadt Kruja in den Skanderbeg-­Bergen ist touristisch bereits sehr erschlossen, in den Straßen um die Burg drängen sich die üblichen Geschäfte aneinander. Aber die Burganlage mit dem Skanderbeg-Museum und insbesondere das Museum für Völkerkunde ist wirklich sehenswert. Dort bekommen wir einen sehr guten Eindruck davon, wie die Menschen in Albanien in vergangener Zeit gelebt haben.

 

Albanische Alpen

In Shkodra, unserem nächsten Ziel, darf eine Besichtigung der Burganlage natürlich wieder nicht fehlen. In dem belebten Ort kaufen wir das Nötigste ein. Übrigens ist Einkaufen in Albanien generell nicht einfach: Zwar hat jeder Ort seine Supermärkte, doch sind sie oft klein und die Auswahl ist vergleichsweise bescheiden. Ab und zu standen wir vor teilweise leeren Regalen. Frisches Obst und Gemüse bekommt man aber häufig an Verkaufsständen an der Straße angeboten.

„Es wird Zeit für die Berge, auf in die Albanischen Alpen!

Es wird wieder Zeit für die Berge, auf in die Albanischen Alpen! In Boga schlagen wir unser Lager auf und erkunden ohne den Anhänger die Umgebung, was sich als eine gute Entscheidung herausstellt. Denn der schmale Weg nach Theth ist recht stark befahren, offenbar kommen viele Touristen mit organisierten Touren in Geländewagen hierher, vielleicht, um dort zu wandern. Es gibt nicht viel Platz, um entgegenkommenden Autos auszuweichen. Erst ab Theth wird die Strecke einsam, die Furt in Theth ist für normale Pkw kaum passierbar. Eine wunderschöne Berglandschaft erwartet uns, die so ganz anders ist als das Albanien, das wir bisher erlebt haben. Die Natur ist deutlich grüner, glasklare Gebirgsflüsse durchziehen die Landschaft. Wir erleben sogar ein Gewitter, davon abgesehen ist das Klima hier oben sehr angenehm.

 

Der Zustand der Brücken in Albanien lässt oftmals zu wünschen übrig

 

Zum Abschluss verbringen wir noch zwei Tage am Skadar-See, um zu baden und ausgiebig mit unseren Kajaks zu paddeln. Dann geht es über Montenegro, Kroatien und Slowenien zurück Richtung Heimat. Als wir die Grenze von Albanien nach Montenegro passieren, trifft uns ein Kulturschock. Breite Straßen mit ruhigem Verkehr, volle Supermärkte und riesige Baumärkte erinnern uns daran, dass Albanien seine Ursprünglichkeit noch nicht verloren hat und der Weg nach Europa noch weit ist. Wir haben uns wohlgefühlt und werden auf jeden Fall wiederkommen!

 

In den Albanischen Alpen ist die Natur deutlich grüner als in anderen Teilen des Landes

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