Leserreise Oman: Durch das Land des Weihrauchs

Elke Fürpaß und Christian Binder reisen seit 13 Jahren quer über den Globus. Manchmal nur mit Rucksack und Fototasche, in den letzten fünf Jahren aber immer häufiger mit ihrem 12-Tonner-MAN. Ihre Weltumrundung mussten sie vorerst abbrechen, doch ihren Traum setzen sie nun fort.

Flussläufe in die Einsamkeit, entlang grandioser Felsformationen

Mein Tagebuch sagt mir, wir haben heute Tag 120 unserer Reise. Wir entdecken ihn gerade wieder, den Oman unserer ersten Reise, wie er uns begeistert und fasziniert hat. Ein zweites Mal in ein fremdes Land zu reisen, birgt ja immer auch das Risiko, es könnte nicht mehr so schön sein wie beim ersten Mal. Vor sieben Jahren bereisten wir dieses Land per Leihauto und Zelt. Heute bietet uns Styros jeglichen Reise- und Wohnkomfort. Unterwegs mit zwölf Tonnen, 600 Litern Diesel, 500 Litern Wasser und Platz für jede Menge Vorräte, so lässt es sich gut in ein neues Reiseabenteuer stürzen. Die Erfahrungen der vergangenen vier Monate, die uns durch Griechenland, die Türkei, in den Iran und weiter über die Emirate hierher gebracht haben, geben uns jeden Tag aufs Neue recht. „Verabschiede dich nie von deinen Träumen. Wenn sie gegangen sind wirst du weiterexistieren, aber aufgehört haben zu leben“, so sagte schon Mark Twain. 

 

Elke Fürpaß & Christian Binder

Alter: 51 & 58 Jahre

Wohnort: bei Graz, Österreich

Reiseregion: Oman

Reisedauer: zwei Monate (insgesamt acht Monate)

Reisestrecke: 5.000 Kilometer (insgesamt 23.000 km)

Website: styros-weltreisen.at

 

MAN 13.290 Styros

Baujahr: 2015

Motor: 6 Zylinder, 330 PS 

Verbrauch: 27 l/100 km 

Aufbau: 5,3 m langer Wohnaufbau von Action Mobil

Schlafplätze: 4

Gesamtgewicht: 12,5 t reisefertig 

 

Manch Omanreisender sagt nach geraumer Zeit „Nicht noch ein Wadi“ (Flussläufe, die häufig ausgetrocknet sind) und ja, derer gibt es wirklich viele in diesem Land. Aber irgendwie sind sie alle anders und es gibt immer irgendetwas Besonderes zu entdecken. Mal fährt man von der Hauptstraße ab und erlebt eine geologische Offenbarung. Die Zeitgeschichte vom Tertiär bis heute liegt dann vor einem. Für uns Nichtgeologen bedeutet das einfach ein grandioses Farbenspiel im Fels, versteinerte Lebewesen und vom Klima modellierte Gesteinsformationen, die ihresgleichen suchen. Das Wasser in den Pools ist glasklar, nur eine kurze Schrecksekunde der Abkühlung trennt uns von einem traumhaften Badeerlebnis.

Auf Tuchfühlung

Wir rollen weiter auf dieser perfekt ausgebauten Straße gen Süden, versuchen aber so oft wie möglich, die Fähigkeiten unseres Lkw auszutesten und biegen ab ins Gelände. Dies bringt uns an Orte wie die Sugar Dunes oder die Pink Lagoon. Wir überqueren immer wieder Pässe mit traumhaftem Blick in tiefe Canyons. Die Landschaft wird immer trockener und ist dementsprechend dünn besiedelt.

 

„Wir überqueren Pässe mit traumhaftem Blick in tiefe Canyons“ 

 

Bei dem Versuch, unsere Vorräte an frischem Obst und Gemüse aufzufüllen, scheitern wir vorerst kläglich. Eine richtig große, neue Siedlung, ganz typisch für einen Wüstenstaat, zieht uns hoffnungsvoll an. Aber außer indischen und pakistanischen Arbeitern treffen wir dort niemanden an. Noch ist es eine Geisterstadt, deren Geschäfte nur Tütenchips und Limonaden hergeben. Auf der Straße kaum ein Auto, der einzige Gegenverkehr sind Horden von Kamelen. Stoisch traben sie entlang der Straße, queren die Fahrbahn, ernähren sich vom spärlichen Gras am Rande des Asphalts. Kein Wunder, dass sie über unser altes Brot hocherfreut sind. Ich wage mich ganz nah heran. So distanziert die Omanis sonst so sind, Meister Dromedar ist dies ganz und gar nicht und kommt mir unangenehm nahe. Nicht wegen mir, ich weiß schon – es liegt am Brot! Ansonsten begegnet uns nur eine Tierart immer wieder – fliegend und in beängstigend großer Zahl: Ganze Scharen von Heuschrecken, groß wie Handteller, steigen vor uns vom heißen Boden auf und stürzen sich todesmutig gegen unsere Windschutzscheibe. Die meisten von ihnen verlieren (den Kopf), manche prallen ab und taumeln weiter. Die Spuren überall am Auto sind nicht zu übersehen: klebrige Leichenteile oder noch im Ganzen im Rost unseres Kühlergitters. Kurz motiviert uns der Gedanke an ein proteinreiches Abendessen.

 

Tierische Begegnung mit einem freundlichen, aber in erster Linie hungrigen, Wüstenbewohner

 

Glückliches Arabien

Irgendwann befinden wir uns ganz im Süden Omans, im Dhofar. In der Antike erlangte diese Region als Arabia Felix, als Glückliches Arabien große Berühmtheit. Die Araber hatten großes Geschick darin, Waren aus allen Teilen Asiens und Ostafrikas mithilfe der Monsunwinde heranschaffen zu lassen und dann an die Transportwege der Seidenstraße zu binden. Somit glaubte man lange, diese Güter kämen alle aus Arabien. Einige antike Weihrauchhäfen geben Zeugnis von diesen frühen Handels-wegen und vom Reichtum der Region.

Und eben diese günstigen Monsunwinde machen den Süden rund um die Hauptstadt Salalah auch zu einer fruchtbaren, zu einer grünen Region. Besonders während der Sommermonate fällt hier viel Regen. Das prägt die Landschaft und zeigt ein völlig anderes Bild als der Norden des Landes. Längst nicht so grün wie bei uns, aber für einen Wüstenstaat dennoch besonders. Sogar jetzt, im Winter, mutet der Dhofar fast karibisch an. Es gedeihen Bananen, Kokospalmen, Papaya, wir sehen Gemüseplantagen und es gibt Rinderhaltung, weil auch genügend Weideland vorhanden ist. Ja, und hier finden wir auch die „Tränen der Götter“, jenes kostbare Harz, das den Weihrauchbäumen abgerungen wird.

 

Eine Mischung aus Einsamkeit und Gesellschaft: oben in unberührter Natur in Wadi Abyad, unten auf einem Markt in Ibra

 

Durch den Weihrauchbasar zu schlendern, kommt einer Generalreinigung gleich. Überall raucht und duftet es, man reicht uns die kostbaren Kügelchen zum Lutschen – also Desinfektion von innen und außen. Offen gestanden, Weihrauch zählt nicht zu meinen Lieblingsdüften, lieber halte ich mich an Amber und Sandelholz. Auf jeden Fall umgibt seit dem letzten Einkauf auch unser mobiles Zuhause eine wohlriechende Wolke dieses duftenden Goldharzes. 

Wüste, Berge & Meer

Es ist immer wieder beschämend, wie nahe Freude und Unglück beieinander liegen. Nur wenige Kilometer von uns entfernt herrscht immer noch ein verabscheuungswürdiger Krieg im Jemen und hier, jenseits der Grenze, ist nichts davon zu spüren. Auf einer spektakulären Bergstrecke über den Jebel Al-Qamar in Richtung Jemen passieren wir gerade mal einen einzigen Kontrollposten. Sonst ist nichts von militärischen Aktivitäten sichtbar. Die Straße führt durch freigesprengte Felsschluchten und bietet imposante Ausblicke in tiefe Täler und bis weit über das Meer hinaus.

 

„Als Gott die Menschen und die Natur schuf, hat er die Rub al-Khali ausgelasssen“

 

Weiter nach Nordwesten ändert sich das Bild vollkommen. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, der Jemen und der Oman teilen sich einen riesigen Sandkasten, die Rub al-Khali, die größte Sandwüste der Welt. Sie macht ihrem Namen, Leeres Viertel, alle Ehre, denn dort lebt tatsächlich kaum eine Menschenseele. „Als Gott die Menschen und die Natur schuf, hat er die Rub al-Khali ausgelassen“, sagt ein Sprichwort. Das Gebiet ist auch heute noch weitgehend unerforscht, nur wenige Expeditionen wagten sich weit hinein. Und auch die Beduinen halten sich mit ihren Kamelen nur an den Wüstenrändern auf. Immer dort, wo Unklarheit herrscht, bleibt Platz für Sagen und Geschichten. 

Mit zwölf Tonnen entlang des Abgrunds

Wieder völlig anders erleben wir das Landesinnere, vielleicht sogar „omanischer“ als die Küstenregion. Die Hauptorte der Region waren stets das geistig-religiöse Zentrum des Landes, von dem aus die Imame regierten. Viele Festungen und Wachtürme zeugen auch heute noch von der strategisch bedeutsamen Vergangenheit. Die sehr wasserreichen Berge haben tiefe Schluchten, beeindruckende Wadis, geschaffen. Ein Ort, wo sich der alte Oman noch ganz deutlich zeigt, ist das kleine Bergdorf Balad Seet. Vor sieben Jahren kamen wir aus dem Süden, diesmal nähern wir uns von Norden an. Drei Tage lang bedeutet diese Strecke einen echten Höllenritt. Wir überqueren das „Rückgrat des Oman“ – das Al-Hajar-Gebirge – und müssen viel Nervenstärke bewahren. Nach einem ganz kurzen Einstieg verläuft nur noch eine Piste durch das Wadi Bani Awf. Das grob geschobene Schotterband ist zum Teil so steil, dass man sich einfach keinen Fehler erlauben darf. Steigungen von sicher 70 Prozent bringen die Reifen trotz reduziertem Luftdruck knapp an die Haftungsgrenze. Es ist abenteuerlich, zwölf Tonnen mit dem ersten Gang und Untersetzung nach oben zu bringen. Und ebenso fühlt es sich an, wenn diese Masse dann später unbändig nach unten schiebt. Es gibt unzählige Stellen, wo wir inständig hoffen, niemandem zu begegnen. Vor jeder engen Kurve bläst Styros kräftig aus seinem Horn, um alle Entgegen-kommenden abzuschrecken. Ja, die Strecke ist gut machbar, aber sehr anspruchsvoll. Steile Felswände begleiten uns. Mal bietet das Gestein ein beeindruckendes Farbenspiel, mal ist es nur rötlicher Schotter, über den wir uns emporschieben. Und spätestens dann, wenn wir aus der Frontscheibe hinaus nur noch Himmel sehen, oder der Boden im vermeintlichen 90-Grad-Winkel auf uns zukommt, dann wissen wir: Es ist verdammt steil! Ich empfinde die Landschaft vor allem als sehr rau, ja, größtenteils auch karg und hart. Die Lieblichkeit fehlt über weite Strecken. Die Menschen leben von der Bewirtschaftung ihrer Oasenfelder und von ihren Ziegenherden. Das Leben hier, tief in den Bergen, mutet schon wirklich mühsam an. Menschen sieht man wieder wenige, auch hier scheint sich das Leben innerhalb der Hausmauern abzuspielen. 

 

Balcony Walk am Jebel Shams

 

Wenn auch schon etwas müde vom Geholper auf der Piste, vom Rütteln und Quietschen der Achsgelenke, lassen wir es uns dennoch nicht nehmen und fahren noch auf den Berg der Sonne, den Jebel Shams. Weil er halt schon mal da ist. Zuerst wieder Asphalt und dann nur mehr steile Schotterpiste bis auf knapp 2.500 Meter Höhe. Mit 3.009 Metern ist er der höchste Berg im Oman. Sogar hier, in dieser ausgesetzten Gegend, findet man immer wieder kleine Ansiedlungen und entdeckt Terrassenfelder irgendwo an den Berghang geschmiegt. Eine Nacht in dieser Höhe, direkt am Steilabfall der beeindruckenden Felswände, ist nichts für schwache Nerven. Uns aber gefällt es richtig gut. Der Balcony Walk an der Innenseite des „Grand Canyon“ des Oman lässt uns nochmals unsere Trittsicherheit und unseren Respekt vor der Höhe spüren. 

Unsere Entscheidung, noch einmal hierherzukommen, war also genau richtig – der Oman ist ein fantastisches Land für Selbstfahrer! Aber weil doch auch der Rest dieser Welt so schön ist, wollen wir unsere Reise „Round the globe“ gern fortsetzen.

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