Stefan Kabelke
Als Surflehrer hat Stefan Kabelke schon von Berufs wegen eine Affinität zur Küste und zum Meer. Die Möglichkeit, in der Vorsaison durch Teneriffa reisen zu können, nahm er deshalb gerne wahr, auch wenn er den Wohnkomfort seines privaten Allrad-Sprinters mit Wohnkabine auf dem Festland zurücklassen musste. Doch nun ist Kabelke schlauer: Es gibt eine Fähre auf die Kanaren, der kommende Winter ist bereits verplant.
Alter: 34
Wohnort: Wyk auf Föhr
Reiseländer: Hawaii, Europa
Reisedauer: fünf Wochen
Reisestrecke: zirka 1.000 Kilometer
Land Rover Serie II
Basis: Land Rover Serie II
Baujahr: 1959
Motor: 2.286 cm3, 68 PS
Verbauch: 15 l/100 km, Benzin
Aufbau: leer
Schlafplätze: Pritsche
Zugegeben, als ich meinen Freunden erzählte, meinen nächsten Urlaub auf Teneriffa zu verbringen, erntete ich schon einige verzweifelte Blicke. Kein Wunder, denkt doch jeder an Badeurlaub und All-inclusive-Hotels, zu knappe Badehosen und zu roten Teint auf zu dicken Bierbäuchen am All-inclusive-Büfett.
Als mir aber ein Arbeitskollege mit kanarischen Wurzeln erzählte, was es auf der Insel rund um den Vulkan Teide noch so alles zu sehen geben würde, war meine Neugierde geweckt. Und als er mir dann auch noch seine alte Serie anbot, um für ein paar Wochen auf Entdeckungsfahrt zu gehen, konnte ich nicht nein sagen. Also wurde im vergangenen Mai die Tasche gepackt und ab ging es, raus auf den Atlantik.
Da auf Teneriffa wildes Campen nicht erlaubt ist – und der Landy auch keine Campingausstattung besaß – hatte ich mich auf Tagesausflüge, kombiniert mit Hotelübernachtungen, eingestellt, war aber letztendlich doch überrascht, immer wieder Campingplätze gefunden zu haben, schlussendlich beinahe zwei Dutzend. Und manchmal hatte ich sogar noch mehr Glück. Auf den sogenannten áreas recreativas, einfachen Rastplätzen, erhielt ich hin und wieder die Erlaubnis, die Nacht dort im Auto verbringen zu dürfen – vielleicht lag das auch an dem Local-Bonus, den ich versprühte, schließlich hatte der Wagen ja ein einheimisches Kennzeichen.
„Ich fuhr wilde Schlangenlinien, aber nicht, weil ich zu viel Tropical trank“
Los ging meine Tour in Puerto de la Cruz, einer Kleinstadt an der Nordküste der Insel. Dort hat mein spendabler Kollege eine kleine Wohnung mit Meerblick und in der Garage seinen hellblauen Oldtimer geparkt. Ich bin eigentlich immer mit einem Allrad-Sprinter unterwegs und so brauchte ich auf den kurvigen, steilen Straßen erst einmal eine gute Zeit, um mit dem raubeinigen Gesellen eine Sprache zu sprechen. Die Geräusche aus dem Getriebe während der Eingewöhnungszeit seien mir verziehen, ab dem zweiten Tag rollten wir schon sehr viel harmonischer durch die Gegend. Aus diesem Grund hielt ich mich zunächst auch an die befestigten Straßen und steuerte erst einmal ganz in den Westen, an die Punta de Teno. Es heißt, man könne von dort mit etwas Glück Wale sehen, doch auch wenn ich mich den ganzen Tag unterhalb des Leuchtturmes ans Ufer setzte – mehr als ein paar Schaumkronen hatte das Meer nicht zu bieten. Also zurück ins Landesinnere. Wie ein Magnet zog natürlich der mächtige Vulkan, der die gesamte Insel beherrscht. Aber da die Serie nur dann wirklich Spaß machte, wenn man im Bummeltempo fuhr, suchte ich mir Wege auf direkter Luftlinie und mäanderte daraufhin in wilden Schlangenlinien nach Osten. Nicht, weil ich zu viel vom Tropical getrunken hatte, einer lokalen Biersorte, sondern weil es nur in zahllosen Serpentinen über Berg und Tal ging. Beifahrer möchte ich hier ganz bestimmt nicht sein.
An der Flanke des Teide angekommen, könnte man auf den gut ausgebauten Hauptrouten TF38 und TF21 problemlos bis rauf auf den Berg und die angrenzende Hochebene fahren. Doch für etwas Allrad-Spaß sind die kleinen Tracks, die immer wieder neben der Straße verlaufen, doch spannender. Auch, wenn sie immer wieder in Sackgassen enden. Dort allerdings kann man dann schön eine Nacht im Auto verbringen, ohne dass man entdeckt wird. Aber: Die Küche bleibt dann kalt, ein Lagerfeuer ist auf dem ausgetrockneten Boden eine ganz schlechte Idee, immer wieder kämpft man auf der Insel gegen große Waldbrände.
„Die Nacht in den Bergen hatte ich mir lauschiger vorgestellt!“
Um ehrlich zu sein, dauerte es jedoch nicht lange, bis ich mir auf der Liegefläche unter der Plane des Oldies ein wärmendes Feuer wünschte. Unter sternenklarem Himmel, locker 2.000 Meter über dem Meeresspiegel und in Sichtweite der letzten Schneereste auf dem Gipfel des Pico del Teide, hatte ich mir eine Nacht in den Bergen Teneriffas irgendwie lauschiger vorgestellt. Doch als am nächsten Morgen die Sonne wieder herauskam, wärmte sie das dunkle, scharfkantige Lavagestein – mit mir obendrauf – zügig wieder auf.
Das mag auch ein Grund dafür sein, dass mich die Seilbahnfahrt auf den Gipfel an diesem Tag nicht sehr lockte, auch wenn man aus 3.700 Meter Höhe sicherlich einen großartigen Blick über die Kanarischen Inseln haben dürfte. Beeindruckend ist auch der Gedanke, dass es, vom Meeresboden aus gemessen, sogar 7.500 Meter sein würden. Das der Vulkan noch aktiv ist, zeigt auch das Inselwappen, dort spuckt er kräftig Feuer – auch, wenn der Vulkan auf dem Emblem nur wie ein trauriger Steinhaufen aussieht.
Dass die Insel auch anders kann als felsig, lässt sich anhand des Wappens ebenfalls erahnen, denn der feurige Steinhaufen steht dort auf einer sattgrünen, lustigerweise topfebenen Scheibe. Letzteres passt nicht in die Realität, aber die dichten Wälder im Norden Teneriffas lenken von diesem Detail leicht ab. Und was das für Wälder sind!
Die Anaga-Wälder im Nordosten bieten eine Vielzahl an Wanderrouten, vom Einsteiger bis zum erfahrenen Langstrecken-Wanderer ist vermutlich für jeden etwas dabei. Der Sendero El Bosque Encantado gehört dabei sicherlich zu den beliebtesten Pfaden, der überwucherte und farnbestandene Weg strahlt allerdings auch eine ganz besondere Magie aus – erst recht, wenn hin und wieder einige Sonnenstrahlen bis auf den Boden durchbrechen. Allerdings: War früher der Weg noch öffentlich zugänglich, muss man sich nun zuvor eine Genehmigung einholen (und auch dabei haben), andernfalls kostet es Strafe. Dies ist auf Teneriffa kein Einzelfall, an immer mehr Plätzen ist die Menge der Gäste pro Tag reglementiert, entweder über Permits oder vor Ort erhobenen Eintritt. Hierfür tragen sicherlich die vielen Kreuzfahrtschiffe einen Teil der Verantwortung, die solche sehenswerten Plätze in kurzer Zeit mit einer großen Menge an Gästen überfluten. Umso besser, besucht man die Kanaren außerhalb der Saison. Dann ist es auch nicht besonders kompliziert, eine Erlaubnis zu ergattern, die Website webtenerife.de ist hierfür eine gute Anlaufstelle. Sie hält für alle wichtigen Plätze passende Infos und Kontakte bereit.
So auch für den Lorbeerwald von El Pijaral, ganz auf der äußersten Landspitze gelegen. Es ist verblüffend, wie unterschiedlich das Erscheinungsbild ein und derselben Insel sein kann – eben noch staubig trocken, dann saftig grün. Das einzig verbindende Element scheinen die endlosen Serpentinenstraßen zu sein, die sich der alte Rover wacker erkämpft. Mehrfach durchquere ich in den folgenden Wochen immer wieder die Insel von Nord nach Süd, Ost nach West. Das ist nicht schwer, denn auch wenn es die größte Insel der Kanaren ist, sind 80 Kilometer längste Ausdehnung keine wirkliche Distanz. Zumal hinzukommt, dass der Küstenstreifen im Südosten kaum einen Besuch wert ist. Hier staune ich allenfalls über die großen Solarparks und die Tatsache, mit welchem Aufwand man in der wüsten Landschaft direkt neben dem Inselflughafen den gigantischen königlichen Golfplatz unterhält. Er ist so sattgrün, dass er wie eine Fata Morgana wirkt.
Statt das Neuner-Eisen zu schwingen, schalte ich jedoch lieber einen Gang zurück und kraxle über kleine Schotterwege kreuz und quer durch die Hänge. Das ist natürlich auf einer kleinen Insel nicht wirklich zielführend, schließlich käme ich über ausgebaute Teerstraßen leicht und schnell an jeden Ort, doch entdecke ich mit diesen Tagesausflügen ein Teneriffa, das so sicherlich kaum ein Urlauber in seinen Reiseerinnerungen findet. Ich stolpere hier und dort in kleine Dorffeste, genieße immer wieder den Blick über die raue Landschaft, die komischerweise immer ein bisschen nach Benzin riecht.
Und wird es dann, trotz Seewind, heruntergelassener Scheiben und aufgeklappten Lüftern zu warm im Auto, rolle ich einfach wieder hinunter auf Meereshöhe, stecke die Füße in den schwarzen Sand und der Atlantik sorgt für eine angenehme Erfrischung.
So passiert es, dass ich durch Zufall dabei sein kann, als der Loro Parque, ein großer Tierpark in Puerto de la Cruz, an einem ruhigen Abschnitt eine Meeresschildkröte auswildert. Eine Flosse fehlt ihr, ein treibendes Fischernetz wurde ihr zum Verhängnis. Dass sich der Park intensiv für die Arterhaltung von Meerestieren und Papageien einsetzt, sogar ein Austauschprogramm mit einer deutschen Universität pflegt, erfahre ich im Gespräch – und muss danach meine Haltung zu diesem Park deutlich überdenken. Bislang hatte ich mich nur darüber gewundert, dass man hier tatsächlich noch Orcas in Gefangenschaft hält und mit ihnen Shows veranstaltet. So erweitert selbst das Reisen auf kleinen Inseln den Horizont manchmal überraschend.
Einen besonderen Punkt hob ich mir bis zum Schluss auf, einfach nur, weil der Name verlockend klang: die Barranco del Infierno, die Höllenschlucht. Zum Ende des Winters soll hier ein Wasserfall über einhundert Meter tief stürzen. Ob davon im Mai noch was übrig ist? 300 Personen pro Tag dürfen sich das Spektakel ansehen, und das auch nur dann, wenn sie vorher acht Euro Eintritt gezahlt haben. Ein sechs Kilometer langer Wanderweg liegt voraus, von 350 Metern über dem Meeresspiegel geht es stramm bergauf. Durchaus ein abwechslungsreicher Pfad, doch ist die Kaskade im Frühsommer nur ein Rinnsal – und das Abkühlen der Füße im Bachbett ist auch nicht gern gesehen. Da wären die acht Euro vielleicht doch besser in zwei Flaschen Tropical investiert gewesen, auf irgendeiner Plaza von irgendeinem kleinen Dorf in Teneriffas Bergen. Arriba, abajo, al centro – auf den kleinen Landy und die vergangenen Wochen!
Die Insel bietet extreme Gegensätze, die man nicht erwartet