Leser unterwegs in Marokko

Wohin der Wüstenwind uns trägt - Familie Hallensleben berichtet von der Schönheit Marokkos
Marokko
Offroadfahrt in der Wüste. Die Tamegroute Montagne Road ist karg und lebensfeindlich. Sie war mehrfach Teil der Rallye Dakar

 

Marokko

Philip, Alexandra & Anian Hallensleben

Wer Spaß am Reisen hat, nutzt jede Gelegenheit, um loszuziehen, neue Ecken zu entdecken und sich durch die Vielfalt anderer Länder und Kulturen inspirieren zu lassen. So stand es für Familie Hallens­leben fest, dass sie, bevor Anian in die Schule kommt, eine größere Reise unternehmen, um ihm die Welt zu zeigen und als Familie ein unvergessliches Abenteuer zu erleben. Weil es so toll war, und Anian ein echter Abenteurer ist, werden sicher noch viele Reisen folgen.

Alter: 5½, 44, 49 Jahre
Wohnort: München
Reiseregion: Marokko
Reisedauer: 40 Tage
Reisestrecke: 3.450 km

 

Marokko

VW T3 Syncro Brummelbus

Baujahr: 1990
Motor: 2-Liter-Benziner
Verbrauch: ca. 13 l/100 km
Aufbau: Eigenausbau fürs Campen
Schlafplätze: 3

 

 

Marokko – schon mein Vater war in den frühen 60ern mit seinem VW Käfer quer durch Marokko und an der Sahara entlanggefahren, und seine Geschichten hatten uns sehr neugierig auf dieses Land, seine Kultur und seine Menschen ­gemacht. Würde es 60 Jahre später immer noch so „abenteuerlich“ sein? Um das herauszufinden, hilft nur eins: Nichts wie hin und selber nachsehen. Und so wurde Marokko das erste große Ziel auf unser insgesamt fünfmonatigen Reise, die anschließend auch noch nach Spanien, Portugal und Frankreich führte.

Welcome to morocco

Anfang Mai setzten wir von Almería mit der Fähre nach Nador über, um gemäß unserer geplanten Route zuerst den Osten Marokkos bis hinunter zur Sahara zu erkunden, dann durch das Landesinnere und den Hohen Atlas nach Marrakesch zu fahren und anschließend ab Agadir die Atlantikküste hoch über Casablanca und die Königsstadt Fès nach Ceuta ans Mittelmeer zurückzukehren. Bereits auf der Fährfahrt lernten wir die Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft der Marokkaner kennen. So kamen wir immer wieder ins Gespräch und erhielten viele wertvolle Tipps und mehrere Handynummern mit der Aufforderung, uns immer zu melden, falls wir Hilfe benötigen sollten. Verabschiedet wird sich immer mit: “Welcome to Morocco.“ Diesen Satz bekamen wir auf unserer Reise immer wieder zu hören, der zum einen die Gastfreundschaft der Marokkaner zum Ausdruck bringt, zum anderen auch ihren Stolz auf ihr Land.

Weite Hochebenen und Gebirgszüge, die immer wieder 3.000 Meter übersteigen

 

Der Osten und die Wüste

Relativ zügig wollten wir bis ganz in den Süden kommen, bevor das Thermometer nachhaltig die 40-Grad-Celsius-Marke überschreitet. So wählten wir die N19/N15 nach Midelt, um dort die erste Nacht in einem beeindruckenden 1001-Nacht-Riad zu verbringen.
Schon während der Reisevorbereitungen hatten wir mitbekommen, dass die Camping-Infrastruktur in Marokko nur rudimentär ausgeprägt ist und sie durch Corona nochmals einen Rückschlag erlitten hat. Aufgrund dessen, aber auch aufgrund des Reizes der Kultur und um die Lebensweise sowie das Essen vollumfänglich kennenzulernen, wurden die Riads unsere bevorzugte Destination, wodurch die Reisekasse aber nicht überstrapaziert wurde, da eine Übernachtung für uns drei inklusive reichhaltigem Abendessen und Frühstück in einem der sehr schönen Riads selten mehr als 45 Euro kostete.

 

Marokko
Das Tal, durch das sich der Fluss Ziz schlängelt, ist eine der größten Oasen Marokkos

 

Die Weiterfahrt nach Merzouga, dem Tor zur Wüste, führte uns durch atem­beraubende Landschaften, hauptsächlich unendlich weite Hochebenen, gesäumt von schroffen Gebirgszügen, die immer wieder die 3.000-Meter-Marke überschritten. So überquerten wir Pässe, die im Winter wegen Schneefalls geschlossen sind, was uns bei der Hitze, die auch zunehmend unserem Brummelbus zu schaffen machte, kaum vorstellbar ­erschien. Vorbei an beeindruckenden Canyons (bspw. Gorges du Ziz) und grünen Oasen inmitten der unwirtlichen Landschaft erreichten wir über Errachidia den Rand der Sahara und die Sanddünen von Erg Chebbi.

 

Marokko
Die Kasbahs in Aït-Ben-Haddou sind in traditioneller Lehmbauweise errichtet und gehören zum UNESCO-Welt­kulturerbe

 

Von Merzouga aus starteten wir zwei unserer größten Offroad-Abenteuer in Marokko. Das erste führte uns kreuz und quer durch die Dünenlandschaft von Erg Chebbi und war eine genussvolle Wüstentour, wobei unser gut bepackter Bus, wie er sich durch den Sand wühlte, bei den anderen Offroadern immer wieder für Erheiterung sorgte. Der zweite Wüstenritt war dann schon eine ganz andere Nummer. Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, einen Teil der Tamegroute Montagne Road von Taouz nach Sidi Ali zu fahren, wobei man das mit der „Straße“ nicht überbewerten darf. Dieser Abschnitt war schon mehrfach Teil der Rallye Paris – Dakar. Die Landschaft ist karg und lebensfeindlich und gleichzeitig faszinierend und abwechslungsreich. Felswüsten, Steppen, Sanddünen, ausgetrocknete Seen und Flüsse wechseln sich auf der für Mensch und Material sehr anstrengenden mehrstündigen Offroadtour ab. Da hier das Navigieren per GPS praktisch unmöglich, eine wirkliche Piste nur streckenweise zu erkennen und die extreme Ausgesetztheit dieser Landschaft für ein Fahrzeug alleine sehr gefährlich ist, begleitete uns Mohammed mit seinem Jeep auf diesem Abenteuer. Selbst als Nomadenkind hier aufgewachsen, weiß er die Landschaft wie kein anderer zu lesen, zeigte uns besondere Ecken, suchte mit uns Versteinerungen und erzählte uns spannende Geschichten über das Leben als Nomade in dieser unwirtlichen Gegend. Was ein solches Leben bedeutet, konnten wir nicht einmal ansatzweise nachempfinden, als wir in der sengenden Hitze an ein paar Beduinenzelten vorbeifuhren, die aus nicht mehr als ein paar Ästen und im Wind flatternden Stofftüchern bestanden. Die Menschen, die wir sahen, bewunderten und bedauerten wir gleichzeitig für dieses unfassbar entbehrungsreiche Leben. In dieser abgelegenen Gegend Kinder auf die Welt zu bringen, aufzuziehen und gemeinsam zu ­überleben, erschien uns als fast unmöglich.

 

Marokko
Beduinenzelte an der Tamegroute Montagne Road von Taouz nach Sidi Ali

 

Eintauchen in das orientalische Leben mit all seinen Eindrücken und Gerüchen

 

Marrakesch und der Hohe Atlas

Wir ließen die Sahara hinter uns und fuhren durch ihre Ausläufer in Richtung der bekannten Schluchten von Thodra und Dades. Wir erreichten sie über bis zu 2.600 Meter hohe Pässe und wieder beeindruckende und menschenleer erscheinende Hochebenen. Aber immer wieder trafen wir Nomaden mit ihren Herden. Sie baten uns um Wasser oder etwas zu Essen. Uns fehlten die Worte, um zu beschreiben, was wir sahen. Menschen, die in dieser kargen Landschaft leben wie vor Tausenden von Jahren. In Höhlen mit vom Rauch geschwärzten Wänden, hinter Steinhaufen als Windschutz, zusammen mit ihren Tieren. Die Gesichter waren sehr unterschiedlich. Von scheinbarer Zufriedenheit und freundlicher Zurückhaltung bis hin zu fast nicht mehr menschlich erscheinenden Zügen der Wildheit und Entbehrung spiegelten sie den reinen Überlebenskampf wider.
In welch krassem Gegensatz dazu standen die Straße der Kasbahs (Kasbah = Burg) mit ihren aus dem 11. bis 18. Jahrhundert stammenden Gebäuden (die berühmtesten finden sich in Ouarzazate, Aït-Ben-Haddou und in Telouet) und insbesondere Marrakesch als pulsierende Stadt mit ihrer alten Medina und dem darin herrschenden Durcheinander an Händlern, Mopeds, Pferdekarren, Eseln und Touristen. Hier tauchten wir in das orientalische Leben mit all seinen Eindrücken, Gerüchen und Sehenswürdigkeiten ein.

Auf den Souks und in den schaufenster­großen Mini-Shops wurde alles angeboten, was man sich nur vorstellen kann, und vieles mehr. Und natürlich durfte ein Besuch auf dem Platz Djemaa el-Fna als UNESCO-Weltkulturerbe mit seinen Schlangenbeschwörern, Händlern und Gauklern nicht fehlen. Nach all dem Trubel genossen wir die Ruhe unseres Riads sowie dessen Dachterrasse mit einem beeindruckenden Blick über die Dächer Marrakeschs bis hin zu den schnee­bedeckten Bergen des Hohen Atlas. Diese überquerten wir ein paar Tage später auf spektakulären ­Gebirgsstraßen, durch tiefe Flusstäler und einsame Steppen, bis wir den Atlantik erreichten.

Die Menschen waren überall offen, freundlich und hilfsbereit

 

Die Atlantikküste und die Königsstädte

Der Westen Marokkos zeigt sich bereits deutlich europäischer als der Süden und der Osten, auch wenn viel des ursprünglichen Erscheinungsbildes, wie die Eselskarren, die überladenen Lastwagen oder die einfache Landwirtschaft, noch sichtbar sind. Allerdings sind die typischen Lehmhäuser fast vollständig aus dem Straßenbild verschwunden und modernen Steinbauten gewichen. Ebenfalls ist das Straßenbild mit aus Männern und Frauen gemischter Bevölkerung bei Weitem nicht mehr so maskulin geprägt wie in den ursprünglicheren Regionen. So planten wir hier auch nur noch wenige Stopps ein, von denen insbesondere Imsouane als Surfort mit perfekten Wellen, Essaouira als UNESCO-Weltkulturerbe mit seinen schönen Gassen und dem Fischereihafen und Casablanca mit der Hassan-II-­Moschee – der einzigen Moschee in Marokko, die von Nicht-Muslimen betreten werden darf – zu erwähnen sind. Die 1986 erbaute Moschee beeindruckte uns nicht nur durch ihre schiere Größe (sie ist die drittgrößte Moschee der Welt mit einem Fassungsvermögen innen von bis zu 25.000 Menschen, auf dem Platz nochmals bis zu 85.000), sondern insbesondere durch ihre Architektur, die zum Zeichen ihrer Weltoffenheit Elemente aller drei großen Weltreligionen – des Islams, des Christentums und des Judentums – miteinander vereint.

 

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Das Hotel Kasbah Asmaa in Midelt ist in marokkanischer Architektur gestaltet (oben);
Tradition trifft auf Trubel in den Straßen von Marrakesch (unten)

 

Was auf keinen Fall bei einer Marokko-Reise fehlen sollte, ist ein Besuch zumindest einer der vier Königsstädte. Nach Marrakesch lagen noch Rabat, Meknès und Fès auf unserer Route, und wir entschieden uns für Letztere mit ihrer uralten Medina, den vielen verschlungenen Gassen, den unterschiedlichen ­Handwerken und der wohl ältesten Universität/Bildungseinrichtung der Welt. Heute ist Fès die drittgrößte Stadt Marokkos mit circa einer Million Einwohner. Und dann ging es auch schon weiter über die blaue Stadt Chefchaouen nach Ceuta und zurück nach Europa.

 

Marokko

 

Welche Eindrücke bleiben …

Marokko ist nach wie vor ein unglaublich spannendes und im Vergleich zu unserer westlichen Gesellschaft ganz anderes Land, eben orientalisch, mit viel Weite und Wildnis und es ist noch sehr stark in seinen alten Strukturen verwurzelt. Gleichzeitig gehört Marokko zu den fortschrittlichsten und sichersten Ländern in der arabischen Region, was es zusätzlich zu seinen kulturellen und landschaftlichen Schätzen zu einem großartigen Reiseland macht.

Sehr beeindruckt haben uns die Offenheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, egal in welcher Region. Die Ursprünge eines Wüstenvolks mit den Bräuchen der Gastfreundschaft, der Verantwortung und des Schutzes von Reisenden sowie die Genügsamkeit sind nach wie vor spürbar und alltäglich. Wer mehr das Abenteuer und die Abgeschiedenheit sucht, sollte sich den östlichen Regionen zuwenden, wohingegen sich die Atlantikküste zunehmend westlicher entwickelt, was sich aktuell aber noch im Wesentlichen auf die Städte beschränkt. In Erinnerung bleiben werden uns die unvergleichlichen Landschaften, die Vielfalt, die Menschen und dass Marokko vielleicht nicht mehr so ist wie vor 60 Jahren, aber doch einfach komplett anders als hierzulande.

 

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