„Sind wir schon drin?“ verdutzt sehen mein Freund Mathias und ich uns an. Wir hatten eigentlich eine umfassende Kontrolle erwartet, inklusive Gesundheitscheck und Absichtserklärung hinsichtlich unserer geplanten Route durch Ungarn. Stattdessen blickt der Grenzbeamte einmal träge auf unsere Pässe, in den Innenraum unseres Campers und winkt uns dann durch die Schranke.
Wir sind auf der Rückreise nach Deutschland und in den letzten zwei Monaten auf dem Balkan war keine Grenze so entspannt wie die heutige zwischen Rumänien und Ungarn. Ungarn ist eines der letzten europäischen Länder, das sich nach wie vor abschottet: Der Transit ist nur nach vorherigem Gesundheitscheck auf festgelegten Korridorrouten innerhalb von 12 Stunden möglich, hatten wir vorher herausgefunden.
Aber Europa öffnet sich. Und scheinbar macht diese Entwicklung auch vor dem zentraleuropäischen Land nicht Halt, das wir auf einer leergefegten Autobahn durchqueren. Die abschreckende Wirkung der rigorosen Grenzschließungen scheint allerdings noch anzuhalten, auf der gesamten Strecke sehen wir nicht ein Auto mit ausländischem Nummernschild, geschweige denn einen anderen Camper. Aber über die sozialen Medien bekommen wir mit, dass in der Szene wieder Aufbruchstimmung herrscht. Ein guter Zeitpunkt, um zurück zu fahren, jetzt wo es an den Mittelmeerstränden langsam voll wird und einsame Stellplätze seltener werden?
Rückkehr zum besten Zeitpunkt?
Wir haben definitiv ein anderes Land verlassen, als wir wieder betreten werden. Als wir im April aufgebrochen sind, war Deutschland im Stillstand, die Inzidenz lag bei knapp 140 und wir hatten Familie und Freunde seit Wochen nicht gesehen. Heute liegt die Inzidenz bei 23, die meisten aus unserem Familien- und Bekanntenkreis sind geimpft. Sie haben uns überholt, könnten mittlerweile sogar viel entspannter und ungezwungener reisen als wir. Allerdings fühlt es sich auf dieser Rückfahrt fast ein bisschen an wie in der Zeit vor der Pandemie: Die ungarische Grenze zur Slowakei ist nicht einmal besetzt, auch nach Polen werden wir umstandslos durch gewunken. Vielleicht liegt es aber auch an meiner generalstabsmäßigen Planung der Reiseroute. Da unser letztes Reiseland, Bulgarien, nicht mehr als Risikogebiet gilt, wollte ich den Aufenthalt in einem solchen auf der Rückfahrt vermeiden, um bei Ankunft in Deutschland nicht doch in Quarantäne zu müssen. Wir wählen daher nicht den kürzesten, sondern den unbürokratischsten Rückweg, was einen Umweg von ein paar hundert Kilometern nach sich zieht, nur um unterwegs zu erfahren, dass das völlig umsonst war, da auch Tschechien mittlerweile von der Liste der Risikogebiete gestrichen wurde. Reisen in Corona-Zeiten ist kompliziert und bedeutet vor allem, maximal flexibel zu bleiben, Geduld zu haben und sich nicht zu ärgern, wenn etwas nicht wie gewohnt oder gewünscht funktioniert.
Im Stau auf der polnischen Autobahn ziehen wir daher Bilanz: Hat sich diese Corona-Reise denn gelohnt?
Klar hat sie das. Wir durften zwei Monate unterwegs sein. Zwei Monate, in denen wir ein Privileg genossen haben, das den meisten Menschen verwehrt geblieben ist. In denen wir Abenteuer erlebt und jeden Tag einen anderen Ausblick aus der Seitentür genossen haben. Aber ich freue mich auch wieder auf soziale Kontakte, die wir während der Reise auf das Minimalste beschränkt haben. Wir werden in den nächsten Wochen durch Deutschland fahren, Freunde und Verwandte besuchen, auf einer Hochzeit feiern und in Biergärten sitzen.
Reisemüde bin ich trotzdem nicht. Gleich nächste Woche habe ich mir einen Impftermin vereinbart, damit wir bald wieder unterwegs sein können. Und das Schönste ist: immer mehr Reisebeschränkungen fallen derzeit, wie unter anderem die Tagesschau berichtet.
Service:
Die Einreisebestimmungen für Deutschland (Anmeldung, Quarantäne etc.) richten sich danach, in welche Kategorie (einfaches Risikogebiet, Virusvariantengebiet oder Hochinzidenzgebiet) das jeweilige Reiseland eingeordnet ist. Eine aktuelle Übersicht erstellt das RKI.
Informationen zu den entsprechenden Einreisebestimmungen bietet das Bundesinnenministerium oder die jeweiligen Verordnungen der Länder.
Ende Juni will die Europäische Kommission ein digitales EU-Covid-Zertifikat einführen, das Reisen innerhalb der Europäischen Union erleichtern soll.
Welche Länder sich beteiligen und wo es schon verfügbar ist, verrät die App Re-open Europe.
Einreise- und Transitbestimmungen anderer Länder listet das Auswärtige Amt tagesaktuell auf.