Auf Tour, während die Welt lahmliegt. Folge 4: Macht das alles Spaß?

Reisen in Corona-Zeiten: Geht das? Folgen Sie dem explorer bei einem Selbstversuch

Vor dem Eingang bleiben wir noch einmal stehen. Ein kurzer Check, ob wir auch anständig angezogen sind: Lange Hosen, die Schultern bedeckt – Oma hätte den Daumen oben und so betreten mein Freund Mathias und ich guten Gewissens das Kloster Rila, das Nationalheiligtum Bulgariens. Drinnen gähnende Leere. Ein paar wenige Touristen schleichen züchtig bekleidet herum, ein ordnungshütender Mönch weist Mathias daraufhin, dass er in der Kirche seine Kappe abnehmen muss. Ansonsten haben wir diese Sehenswürdigkeit fast für uns allein.

Wenn man im Land der Klöster – die Angaben zu ihrer genaue Anzahl gehen auseinander, aber es sind über hundert – auch nur eines besichtigen könnte, wäre es vermutlich dieses. Mit seinen reich bemalten Fassaden und seiner beeindruckenden Architektur ist das Bauwerk im Rila-Gebirge normalerweise einer der Tourismusmagnete Bulgariens. Doch wo sonst Reise- und Ausflugsbusse stauen und Pilger und Reisende bunt durcheinander trubeln, herrscht heute Ruhe.

Eine Erfahrung, die wir in den letzten Wochen häufig an beliebten Touristen- und Camperspots machen konnten. Während die meisten Reiselustigen noch nicht verreisen können oder wollen, gehört denen die Welt, die sich trauen oder die, wie wir, genug Zeit haben.

Reisen in Zeiten von Corona – macht das überhaupt Spaß?

Neben der Frage nach der moralischen Vertretbarkeit habe ich darüber im Vorfeld am häufigsten gegrübelt: Lohnt es sich, tausende von Kilometern zu fahren, um dann in ein Land mit Lockdown, Maskenpflicht und Ausgangssperre zu kommen? Ist das Leben im VW-Bus unter diesen Umständen nicht viel zu kompliziert? Fehlt dem Reisen nicht die Würze, wenn der Austausch mit Einheimischen und anderen Reisenden wegfällt? Die Antwort ist ein klares Jein. Privilegierte Einsamkeit, wie hier im Kloster Rila oder vor wenigen Wochen am Blauen Auge in Südalbanien, steht deutlich auf der Habenseite, ebenso wie das warme Frühlingswetter und Mittelmeer-Strände. Demgegenüber die Einschränkungen, an die wir uns zum Schutz von uns selbst und anderen halten.

Wobei man es in den Ländern, die wir seit Anfang April bereist haben, grundsätzlich sehr entspannt angeht. In den Städten in Albanien und Nordmazedonien sahen wir volle Bars, Cafés und Restaurants, Masken hatten eher dekorativen als abschirmenden Effekt und wurden grundsätzlich unter dem Kinn oder zumindest unter der Nase getragen. Der Versuch, in Skopje einen Coronatest machen zu lassen, glich einer Odyssee.

Das tägliche Leben geht hier, von der Pandemie scheinbar nur mäßig beeindruckt, weiter wie bisher. Ein bisschen Neid mischt sich bei mir dann in die Beobachtung trivialer Alltagsszenen, gefolgt von dem spontanen Impuls, teilhaben zu wollen und ich muss achtgeben, dass wir uns von der Lockerheit nicht mitreißen lassen. Ein Drink hier, ein Stück Kuchen oder Pizza da: Kann doch nicht so schlimm sein? Ein Blick aufs ungeschützte Personal und die Abwesenheit jeglicher Hygienemaßnahmen bringt einen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. Die meisten Vertreter der Weltenbummler-Gemeinschaft, die wir unterwegs treffen, nehmen die Situation ebenfalls sehr entspannt. Immer wieder sorgen wir für Stirnrunzeln, wenn wir einen Handschlag verweigern oder im Gespräch auf ausreichend Abstand achten. Das ist anstrengend und zehrt an den Nerven, Spaßfaktor Null.

Trotzdem überwiegt die Habenseite, klar. Alles andere wäre gelogen. Ich genieße es, unterwegs zu sein, jeden Tag Neues zu sehen und zu erleben und meinem liebsten Hobby, dem Reisen, endlich wieder nachgehen zu können. Auch wenn es gerade etwas komplizierter ist als sonst – aber das ist eigentlich nur Klagen auf hohem Niveau, oder?

Service:

Immer mehr europäische Länder wollen sich in den kommenden Wochen für den Tourismus öffnen bzw. haben ihre Einreisebestimmungen bereits entsprechend geändert, wie beispielsweise Österreich. Eine Übersicht hat u.a. der ADAC zusammen gestellt. Zu den Einreisebestimmungen informiert außerdem das Auswärtige Amt, eine Auflistung, welche Länder aktuell als Risiko, Hochinzidenz- oder Virusvariantengebiete gelistet sind, bietet das RKI.

Außerdem soll es für den Sommer ein digitales EU-Covid-Zertifikat, dass das Reisen innerhalb der Europäischen Union erleichtern soll. Die Einführung ist für Ende Juni geplant.

 

Auf Tour, während die Welt lahmliegt. Folge 5: Hat sich der Aufwand gelohnt?

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