Abgefahren – Zwei Jahre durch Westafrika

Ein halbes Jahr durch Afrika reisen, lautete der Plan von Lena Wendt und Ulrich Stirnat. Aus der Idee wurden zwei Jahre, aus den Erlebnissen schon bald ein Kinofilm

Ein halbes Jahr durch Afrika reisen, lautete der Plan von Lena Wendt und Ulrich Stirnat. Aus der Idee wurden zwei Jahre, aus den Erlebnissen schon bald ein Kinofilm

(amn) 2014. Er Burnout, sie unzufrieden. Lena Wendt und Ulrich Stirnat sind ein junges Paar aus Hamburg – beide haben super Jobs, sie als Journalistin, er als Medizintechnikingenieur. Doch im Frühjahr stellen sie fest, dass sie etwas ändern müssen. „Wir gehen raus, wir machen eine Reise“ – und so entstand die Idee nach Westafrika zu reisen, die sie nur ein halbes Jahr später in die Tat umsetzten. Sie fuhren los, in einem Land Rover Defender – ein Rechtslenker aus England, den Stirnat zuvor selbst ausgebaut hat. Obendrauf ein 40 Jahre altes Dachzelt. Dass dieser Defender der Grund sein wird, warum sie gemeinsam als Paar zurückkehrten werden, sollten sie erst während der Reise feststellen. Afrika zeigt ihnen ihre persönlichen Differenzen auf, es gab viele Auseinandersetzungen, doch schweißte sie das gemeinsame Abenteuer auch weiter zusammen.

Elfenbeinküste, am Strand von Dagbego

Nach zwei Jahren kehrten sie in Ghana um und traten die Rückreise an. Doch lange hielt es Wendt und Stirnat nicht zu Hause. Nur zwei Monate später zog es sie wieder nach Marokko, dorthin, wo sie zu Beginn der Reise bereits fast drei Monate Zeit verbracht haben, würden sie nun ein halbes Jahr bleiben.

Die Geschichte hört sich an wie in einem Film? Das wird es auch – das Paar brachte viele Aufnahmen von der Reise mit, ursprünglich um Familie und Freunden Eindrücke von dem Kontinent zu vermitteln. Nun wird daraus ein Kinofilm. „Abgefahren“ wird neben den schönen Seiten Afrikas auch die Schattenseiten der Reise zeigen. Der EXPLORER fragte einmal genauer nach.

Warum habt ihr euch für einen Land Rover Defender entschieden?
Stirnat: Lenas Traum war immer der „Otto“ von Gunther Holtorf (über den der EXPLORER in der Ausgabe Frühling 2015 berichtete), aber ein Mercedes G war uns zu teuer. Ursprünglich wollten wir auch mit unserem Bulli los: ein T3 mit Audi-Motor, tiefergelegt. Doch ein Freund hat uns schnell davon abgeraten, ein Geländewagen musste her. Vom Land Cruiser gab es zu dem Zeitpunkt nicht so viele auf dem Markt, am Ende war es eine Frage des Geldes.

Wohin die Reise gehen sollte, war bereits am Anfang klar. Lena Wendt wollte nach Afrika reisen, den Kontinent kannte sie bereits von einigen Rucksack-Touren. Ihr Freund interessierte sich für Südamerika, daraus entstand die Idee: sechs Monate Afrika, sechs Monate Südamerika. Der Plan ging nie auf.

Lena Wendt und Mao aus Grand Drewin
Lena Wendt und Mao aus Grand Drewin

Wie habt ihr euch auf die Reise vorbereitet?
Stirnat: Wir haben uns grob informiert, was man entdecken kann, aber ansonsten sind wir total grün hinter den Ohren gestartet. Wir wollten im Westen Afrikas beginnen, die Küste bis nach Südafrika runterfahren. Rückblickend haben wir selbst in fast drei Monaten Marokko nur einen Bruchteil des Landes gesehen. Wir haben uns viel Zeit genommen, die wir zu Hause nicht hatten. Unter anderem hatten wir unsere Longboards, Surfbretter und eine Gitarre dabei.

Hat sich etwas an eurer Lebenseinstellung – auch nachhaltig – geändert?
Wendt: Meine Lebenseinstellung hat sich nicht wirklich geändert. Aber ich habe endlich herausgefunden, wie ich meine Einstellung auch im Alltag leben kann und dafür nicht weit wegfahren muss. Ich habe schon in der Schulzeit „Love, Peace & happines“ auf meine Federmappe gekritzelt, jede Fliege vorm Ertrinken gerettet, draußen in der Natur mit Tieren meine Zeit verbracht und bin am liebsten den ganzen Sommer, bis es zu kalt wurde, barfuß rumgerannt. Aber irgendwann ist mir das wichtigste im Leben verloren gegangen: das Gefühl für mich selbst. Das Bewusstsein für den Moment. Und das habe ich unterwegs wiedergefunden. Afrikaner sind die besten Vorbilder für das „Jetzt und hier“ Leben, denn nur darauf kommt es an, wenn deine Existenz davon abhängt. Wieder zurück habe ich dann in einem „Vipassana” Kurs gelernt, wie ich „mich“ nie wieder verliere.

Werdet ihr noch einmal aufbrechen und nach Südafrika oder Südamerika reisen?
Stirnat: Ja, wir würden schon gerne. Aber wir haben aufgehört große Pläne zu machen, in unserem aktuellen Modus haben wir festgestellt – so wird das nichts.

Abgerissener Stoßdämpfer auf einer Bergstrecke
Abgerissener Stoßdämpfer auf einer Bergstrecke

Worauf dürfen sich die Zuschauer in eurem Film freuen?
Wendt: Abgefahren ist ein Film, der viele Schichten hat. Du erlebst mit uns Westafrika von einer Seite, die du so noch nie gesehen hast und die du sicherlich auch so nirgendwo anders sehen kannst – außer dort. Außerdem zeigen wir alle Seiten des Reisens und lassen ziemlich die Hosen runter. Denn wenn wir eines wollen, dann niemandem vormachen, dass eine Reise das Allheilmittel ist, im Auto leben romantisch und eine so lange Auszeit Urlaub ist. Denn das alles ist es auf keinen Fall. Aber jeder Moment ist die Reise wert.

Den Defender hat das Paar mittlerweile verkauft. Lena Wendt und Ulrich Stirnat haben festgestellt, dass es in den verschiedenen Klimazonen zu eng wird, zumal die beiden mit ihren zwei Hunden nun zu viert wären. Bei Regen auch mal drinnen sein und stehen können bringt sie nun auf die Idee, einen kleinen Bus anzuschaffen.

Erst aber gilt es, ihren Film „Abgefahren“ fertig zu stellen, der soll nämlich Ende des Jahres in die Kinos kommen. Zu dieser Idee inspiriert wurden sie von dem Film „Weit“. Generell scheint sich zurzeit ein Trend aufzuzeigen, aus der eigenen Reise einen Kinofilm zu produzieren, Vorläufer waren hier Herr Lehmanns Weltreise und die von eingefleischten Globetrottern kritisch hinterfragte Expedition Happiness.

Guinea, in Douki
Guinea, in Douki
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