Man muss sich schon einige ungläubige Fragen gefallen lassen, wenn man mit dem eigenen Auto Richtung Sibirien aufbricht. Und wer kennt schon die autonome Republik Tuwa an der mongolischen Grenze? Sibirien ist in den Köpfen vieler Leute immer noch gleichzusetzen mit Kälte, Taiga, Sümpfen, Mücken, Autodiebstahl, Verbannung, russischer Mafia und einer schwer zu verstehenden Sprache. Östlich des Urals sind gerade mal der Baikalsee und das Altaigebirge Ziel einiger Reisender. Dabei folgt man meist den Hauptrouten auf den sogenannten Magistralen, die parallel zur transsibirischen Eisenbahn, vorbei an geschichtsträchtigen, boomenden Städten wie Jekaterinburg, Nowosibirsk und Krasnojarsk verlaufen. Die autonome Republik Tuwa ist als Teil der russischen Föderation weitestgehend unbekannt und erst seit 1990 für Fremde zugänglich.
Warum nach Tuwa? Wäre da nicht dieser weiße Fleck im russischen Straßenatlas, dann hätte uns Tuwa wahrscheinlich auch nicht neugierig gemacht. Die Region ist als einer der am wenigsten bekannten Landstriche Sibiriens mit Sicherheit einen längeren Abstecher wert. Grandiose Landschaften, eine jahrtausendealte Tradition mit kulturhistorischen Schätzen, ein lebendiges Nomadentum und eine Mischung aus Buddhismus und dem überall praktizierten Schamanismus prägen Tuwa. Auf einer vergleichsweise kleinen Fläche von der halben Größe Deutschlands findet man im Süden von Tuwa Wüsten und Steppen, im Osten Taiga und im Westen die Permafrost-Zonen der Tundra mit den bis zu 4.000 Meter hohen Gebirgsketten des Altai. In keiner anderen Region der Welt leben Kamele, Yaks, Rentiere und Bären nahezu nebeneinander in freier Natur. Die Bevölkerung in Tuwa glaubt überwiegend an die tibetische Form des Buddhismus und fühlt sich in großen Teilen auch dem Schamanismus sehr verbunden. Viele Tuwiner, besonders Lamas und Schamanen, wurden unter der Regentschaft Stalins deportiert oder ermordet. Erst langsam finden die Tuwiner zu ihrer alten Kultur zurück. Immer wieder treten Spannungen zwischen Tuwinern und Russen auf und das Verhältnis zwischen diesen beiden Volksgruppen gilt seit vielen Jahren als belastet.