In einem Meer der Monokulturen schwimmt im Herzen von Südamerika das Pantanal. Das weltgrößte Binnen-Feuchtgebiet ist dem Wandel zwischen Trocken- und Regenzeit unterworfen und bietet eine außergewöhnliche Artenvielfalt. Wer die Region zum Ende der Regenzeit besucht, kann sich zudem auf fahrerisch anspruchsvolle Etappen einstellen
Westdeutschland steht unter Wasser! Zahlreiche Zoos geflutet, 1.200 Tierarten entkommen! Klingt wie eine gute Bild-Schlagzeile? Ist aber, im übertragenen Sinne, einmal jährlich Normalität im Herzen Südamerikas. Dann nämlich, wenn die Regenzeit das Pantanal flutet. Weil die Region, obgleich über 1.000 Kilometer vom Meer entfernt, nur etwa einhundert Meter über dem Meeresspiegel liegt und auf ihrer gesamten Ausdehnung nur ein Gefälle von einem Zentimeter pro Kilometer besitzt, ist das kein temporäres Ereignis, sondern prägt das weltgrößte Süßwasser- Feuchtgebiet der Erde über Monate. Ein Spektakel, wie es auf der Welt kein vergleichbares gibt. Dennoch steht eine Reise ins Pantanal nur bei wenigen Südamerika- Reisenden auf der Liste. Und wenn, dann zur Trockenzeit, bietet diese doch angenehmere Temperaturen und bessere Aussichten darauf, einen Jaguar zu entdecken – den scheuen König des Pantanals.
Aber ein Feuchtgebiet bei Trockenheit anschauen? Das wäre ja, als würde man den Pariser Louvre nur von außen betrachten – und sich mit einer Postkarte der Mona Lisa begnügen! Nein, es gibt eine aufregendere Reisezeit: die Wochen, nachdem der letzte große Regen abgeklungen ist. Sie liegen im April und Mai – und offenbaren eine Landschaft, die so unvorstellbar ist wie Hagenbecks Tierpark bei Sturmflut.
Die Anfahrt: der mühsame Pilgerweg
Egal ob Duisburg, Berlin, Hamburg oder München – der städtische Zoo liegt normalerweise immer mitten in der Stadt, ist bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Das, ganz klar, ist mit dem Pantanal eine andere Sache. Wer den südamerikanischen Kontinent bereisen will, dem wird bei der Planung schnell bewusst, dass es dort keine kurzen Distanzen gibt.
Viele Ziele liegen Tagesreisen voneinander entfernt. Aber selbst für diese Verhältnisse liegt das Schwemmgebiet des Rio Paraguai außergewöhnlich ab vom Schuss. Und doch ganz zentral: Der nördliche Startpunkt der Transpantaneira liegt nur 100 Kilometer vom geographischen Mittelpunkt des Kontinentes entfernt. In Kilometern ausgedrückt heißt das: von Montevideo liegen 2.500 Kilometer voraus, von La Paz 1.500, Brasiliens Hauptstadt liegt immerhin noch lange 1.000 Kilometer entfernt. Das Bedrückende daran: nach Norden, Osten, Südosten dehnt sich rund um dieses außergewöhnliche Stück Erde über hunderte Kilometer nur das Farmland aus, auf dem für den Weltmarkt Mais, Soja und Zuckerrohr angebaut werden. Städte wie Campo Grande, Coxim oder Rondonópolis bieten kaum erwähnenswerte Ausflugsziele, sind eher das strukturelle Rückgrat einer vollends auf Landwirtschaft fokussierten Region. Das ist für Overlander auch nicht ganz unpraktisch: Wohl in kaum einer anderen Gegend reihen sich so viele Händler und Werkstätten aller relevanten Nutzfahrzeughersteller an den Hauptstraßen aneinander.