Der Nissan Patrol GR: das geländegängige Arbeitstier

Das geländegängigste Arbeitstier aus dem Hause Nissan war der Patrol. Dann wurde der kantige und global geschätzte Geländewagen dem SUV-Trend geopfert. Seit Ende der 2000er gibt es ihn nur noch gebraucht

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Der Patrol GR war rund um den Globus im Einsatz. Mit Glück findet man ein Fahrzeug mit dem großen Diesel­aggregat, Unterfahrschutz und verstärktem Fahrwerk

Als Familienkutsche, im Anhänger­betrieb, als Rücke­pferd oder gepanzert beim Staatsbesuch – der Patrol machte in fast allen Lebenslagen eine gute Figur. Zusammen mit dem Pajero und dem Land Cruiser prägte der Nissan das japanische Drei­gestirn bezahlbarer, alltags- und familien­tauglicher Geländewagen, die seit den späten Achtzigern die europäischen Märkte in Massen eroberten. Wem das Mercedes-G-Modell zu teuer und der Land Rover 110 zu rustikal war, der griff zum Japaner. Die verschiedenen Patrol-Generationen vereint seit 1951 hauptsächlich der Name. Ist bei den Samurai-Geschwistern, der Land-Cruiser-Familie und den ­Landy-Evolutionsstufen noch eine klare Verwandschaft erkennbar, irrte der Patrol munter durch die Stilarten: ­Anfangs erinnerte er an einen Willys, ab den späten Siebzigern an einen Ford Bronco.

Ab 1988 erhielt der „Patrol GR” dann endlich sein eigenes, unverwechselbares Gesicht. Der „Macho mit Charme”, wie er in der Nissan-Werbung genannt wurde, hatte seinen Durchbruch – nicht nur bei eingangs genannten Zielgruppen: Sogar die Bundeswehr fuhr Nissan. Aber das war einmal. Seit der letzten Modellpflege fristet der aktuelle Patrol ein trauriges Dasein als übermotorisiertes XXL-SUV à la Cadillac Escalade. ­Anstatt sich souverän durch Sand, ­Morast, Schnee und Geröll dieses Globus zu wühlen, liefert er nur noch fußfaule Familien­sprösslinge vor dem Highschool-Eingang ab. Zum Glück ist diese konzeptionelle Entgleisung mit dem ­internen Kürzel „Y62” in Deutschland nicht erhältlich. Der letzte „echte” Patrol wurde hierzulande somit 2009 mit dem „Y61” ausgeliefert. Mit dem Pickup ­Navara ist heute auch lediglich noch ein „echter” Offroader im Nissan-Portfolio zu finden. Zu Zeiten des Patrol GR gab es mit Pathfinder, Terrano und später dem X-Trail gleich mehrere Fahrzeuge, die sich abseits befestigter Wege nicht umgehend blamierten. Kein Modell kam aber so wuchtig, hemdsärmelig und konsequent arbeitswillig daher wie der ­Patrol. Auch wenn das kantige Design beim zweiten Aufguss (Y61) entschärft wurde, sind die nach wie vor wuchtige Erscheinung und bis zu knapp 2,5 Tonnen Leergewicht ein Statement. Mit einer imposanten Fahrzeugbreite von 1,93 Metern ist der Patrol zudem deutlich breiter als die Mitkraxler (Landcruiser J7: 1,77 ­Meter; Pajero V20: 1,70 Meter), die rund 500 Kilo Zuladung waren und sind jedoch ledig­lich Standard.

Der Patrol ließ sich seit jeher bedienen wie ein Pkw. Das Handling in schnellen Kurven, beim Bremsen und bei Lastwechseln vermittelt jedoch eher Lkw-­Feeling. Zuschaltbarer Allradantrieb, ­eine Hinterachs-Differentialsperre und manuell sperrbare Freilauf­naben vorn ­waren Serie. Mehr Traktionshilfen gab das Nissan-­Regal nicht her. Die Starr­achsen sind ­schraubgefedert. Im Serientrimm schafft der Patrol ­eine Wattiefe von 60 Zentimetern. Die Bodenfreiheit von 225/200 Millimetern (Y60/Y61) hätte etwas üppiger ausfallen können. Die Böschungswinkel von 42/37 Grad vorn und 37/31 Grad hinten gehen so weit in Ordnung. 100 Kilogramm Dachlast prädestinieren besonders den kurzen Dreitürer für den Urlaub mit Dachzelt. In den Innenraum des Fünftürers passt zusätzlich locker ein kompletter Innenausbau mit einem großzügigen Bett für zwei. Das Volumen ist aufgrund der Fahrzeugbreite üppig, die vergleichsweise geringe Innenhöhe verlangt für längere Touren jedoch nach einem Hub-, Hoch- oder Aufstelldach. In Verbindung mit einer Kabine wäre der Patrol ohne Einschränkungen weltreisetauglich. Leider sind Patrol-­Pickups selten.

Der verlässliche 2,8-Liter-Sechszylinder- Turbodiesel mit 116 PS stammt noch aus dem Vorgängermodell. Die Zylinder­köpfe der ersten Dieselaggregate gelten als Schwachstelle. Bei zu viel Last neigen diese zur Rissbildung, seit 1993 ­wurde das Problem mittels Ölkühler ­abge­mildert. Ab 2000 wurde im Y61 dann der 3,0-Liter-Turbodiesel-­Vierzylinder mit bis zu 160 PS und 354 Newtonmetern verbaut. Die sonstige Technik oder Rost sind beim Patrol kaum ein Thema. Dennoch sollten Sie auf einen gut gewarteten Motor und gleichmäßige ­Kompression achten. Wer das Glück hat, einen ausgemusterten ­Patrol aus­ ­UN-, NGO- oder ­Armeebeständen zu ­ergattern, darf sich manchmal über das unverwüstliche 4,2-Liter-­Dieselaggregat (sechs ­Zylinder, bis 155 PS), ein OME-Fahrwerk und mitunter sogar einen soliden ­Unterfahrschutz freuen. 

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Ecken und Kanten

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Obwohl schon seit 1951 gebaut, sorgte erst die Patrol-GR-Reihe für Nissans Durchbruch auf dem europäischen Geländewagenmarkt. Der kantige Y60 hatte für damalige Verhältnisse eine imposante Silhouette. Besonders die Fahrzeugbreite von 193 Zentimetern machte Eindruck. Durch das Facelift (Y61) wurde die kantige Erscheinung etwas abgemildert, ein Koloss blieb er trotzdem.

 

Grundsolide Technik

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Vom Tierarzt bis zum Scheich, von Militär bis NGOs – viele Patrol GR sind seit den Neunzigern bis heute im Arbeitseinsatz, so wie hier als Offroad-­Strandtaxi auf Korsika. Vorausgesetzt, man quälte die erste Generation der normalerweise problemlos laufenden 2,8-Liter-Diesel nicht allzu sehr. Ansonsten drohten Schäden am Zylinderkopf. Seltener auf dem freien Markt erhältlich sind die 4,2-Liter-Sechszylinder-Saugdiesel.

 

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