Der Mercedes 1017 als Weltreisemobil

Ganze Armeen wurden damit versorgt – oder haben sich auf den harten Holzpritschen die Hinterteile platt ­gesessen. Jetzt erobert der Mercedes 1017 auch in ziviler Mission die Erde. Als zuverlässiges Weltreisemobil

Mercedes 1017
Unkompliziert, solide und durchaus geländegängig: In den Achtzigern und Neunzigern war der 1017 der Standard-Lkw der Bundeswehr

Seit 1973 schaukeln ­Mercedes-Benz „NG” in Gewichtsklassen von zehn bis 26 Tonnen durch die Welt. Der „Neuen Generation” (NG) vertrauen seit 1977 auch nichtzivile­ Institutionen. Für die militärische Variante diente der Zwölftonner als Basis – erkennbar an dem Kürzel „1017”. Die Bundeswehr rüstete ihren Fuhrpark bis 1988 mit 15.000 Exemplaren auf, die vor allem den in die Jahre gekom­menen MAN 630 ablösten. Heute sind viele ausgemusterte 1017er auf dem Markt erhältlich – häufig gut gewartet und mit geringer Laufleistung.

Bei Mercedes-Benz-Lkw steht die erste Zahl für das zulässige Gesamtgewicht, die zweite für die Leistung. Mit 12,2 Tonnen Maximalgewicht müsste der 1017 also ­eigentlich 1217 heißen. Nach Bundeswehr-­Logik war der 1217 jedoch ein ­Zehntonner – also 1017 – und hieß bundeswehrintern „5t tmil gl”. Die Kürzel stehen für „fünf Tonnen Zuladung, teilmilitarisiert, gelände­gängig”. Ob Zehn- oder Zwölf­tonner: Im Gelände leidet die Technik ­exponentiell mit jedem ­Zusatzkilo. Wird das maximale Reisegewicht auf rund 80 Prozent des Gesamtgewichts limitiert, kommt man auf üppige acht bis neun­einhalb Tonnen. Bei Leichtbauweise ­erscheint sogar eine Ablastung auf 7,5 Tonnen möglich. Wer jetzt bereits mit seinem alten Klasse-Drei-Führerschein wedelnd zum Freudentanz ansetzt: Realistisch ist das nur in der Theorie.

In der Praxis rollt man permanent mit halb gefüllten Tanks durch die Welt. Und genau die müssen dringend erweitert werden: 130 Liter Diesel sind eher fürs Brötchen­holen als für eine Fernreise ausgelegt. Bundeswehr­fahrzeuge wurden mit Sechszylinder-­Turbodieseln mit 5,7 Litern Hubraum und 172 Pferdestärken ausgerüstet. Maximal liegen 540 Newtonmeter Drehmoment bei 1.600 Umdrehungen an. Auf 100 Kilometern begnügt sich der Motor mit rund 20 Litern Diesel und kommt auch mit minder­qualitativem Sprit gut zurecht. Die Werte sind grundsätzlich in Ordnung, würde der 1017 nicht im unteren Drehzahlbereich etwas schwächeln. Das Turboloch lässt grüßen. Zivile NGs waren da ansprechender motorisiert, zum Beispiel als 1222. ­Ansonsten rollen 1017er souverän durch sämtliche Klimazonen. Die Technik ist simpel und leicht zu reparieren. Elektronische Helferlein fehlen gänzlich. Die ­Ersatzteilversorgung ist selbst in entlegenen Winkeln gewährleistet – das große Plus dieser Baureihe. Übrigens liefen die ersten NG-Modelle und die letzten der kultigen Kurzhauber parallel vom Band. Die Technik unterm Blech ist ­identisch.

 

Mercedes 1017

 

1017er der Bundeswehr wurden mit sperrbarer Hinterachse ausgeliefert. In den meisten Fällen sogar als Version 1017A. Das A steht für Allrad: Die Vorderachse wird bei Bedarf zugeschaltet. Zusätzlich wurde eine Geländeuntersetzung verbaut. Neben Bundeswehr und Polizei fuhren auch Feuerwehren (1017AF) und das THW mit Allrad-1017ern durch die Lande, ­häufig in abweichender Ausstattung. ­Antriebsoptionen (Differentialsperre, ­permanenter Allradantrieb, kurze ­Übersetzung) wurden nach Bedarf ­geordert, häufig auch in Verbindung mit Mannschaftskabinen oder Sonder­auf­bauten. Bei zivilen Allrad-NGs handelt es sich häufig um Baustellenfahrzeuge mit hoher Laufleistung, entsprechendem Verschleiß und/oder starker Korrosion. Als Basisfahrzeuge sind gut gewartete Pritschen von Bundeswehr und THW die bessere Wahl. Und man muss gar nicht viel umbauen, um einen 1017er reise­tauglich zu machen. Das Fahrerhaus ist erstaunlich komfortabel und im Fahr­betrieb ist es angenehm leise. Sind Budget und Umbauzeit begrenzt, kann man den 1017 lassen, wie er ist. Eine 4,5-Meter-­Kabine oder einen Shelter (BW-Kabine II passt) auf die Pritsche und los geht’s. Die Lenkung ist bereits servo­unterstützt. Bodenfreiheit, Radstand, Böschungswinkel und Wattiefe (500 Millimeter) sind für die meisten Fahrsituationen ausreichend. Nur die Zwillingsbereifung sollte noch gegen größere­­ Gelände-­Pneus getauscht werden. Aber Vorsicht! Unbedingt die Bremsen im Auge behalten. Die umlaufend verbauten Trommel­verzögerer waren damals ­Standard, geraten bei Vollbeladung und größeren Reifen jedoch an ihre Grenzen.

Ein 1017A kann trotz vergleichbarer Daten Wettbewerbern wie einem Steyr 12M18 kein Paroli bieten. Weniger ­Sperren, geringere Wattiefe, kleinere ­Böschungswinkel und ­nur fünf anstelle von acht Gängen limitieren den Fahrspaß im Vergleich deutlich. Das Gesamtkonzept ist ­jedoch überzeugend, die Preise moderat: Ab ­etwa zehn- bis sechzehntausend Euro ­bekommt man einen unproblematischen Fernreise-Lkw mit solider Technik. Jetzt kaufen, günstiger wird’s nicht!

 

Das kann bleiben

Mercedes 1017

Die Einzelkabine ist konsequent puristisch an den nichtzivilen Einsatzzweck angepasst. Der Mittelsitz lässt sich klappen und als Ablage und Ausstiegshilfe nutzen. Die Luke ist praktischer Ausguck und Ausstieg aufs Dach. Wer keinen Durchgang zur Kabine plant, lässt die rückseitigen Staufächer einfach drin. Ihrem ­Rücken sollten Sie allerdings neue Sitze gönnen.

 

Das muss neu

Mercedes 1017

Mit Zwillingsbereifung rollten die 1017 rund um den Globus. Für die Steigerung der ­Offroad-Qualitäten kann eine Umrüstung auf ­größere Geländebereifung erfolgen ­(bis 14,00 R20). Aber Vorsicht: Wie in den 80ern üblich, verzögert die Bremsanlage rundum über Trommelbremsen. Bei Vollbeladung und größeren Reifen geraten diese schnell an ihre Grenzen.

 

Interessante Links

vebeg.de – Verwertung Bundeseigentum
zoll-auktion.de – Auktionen von Behörden-/Feuerwehrfahrzeugen
allrad-lkw-gemeinschaft.de – Forum

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